URI:
       # taz.de -- Verschobene Abiturprüfungen in NRW: Oh nein, die Schule brennt!
       
       > Wegen einer IT-Panne werden in NRW die Abiprüfungen verschoben. Der Druck
       > auf Schüler*innen ist enorm und sollte im Fokus der Aufarbeitung
       > stehen.
       
   IMG Bild: So wollen die Schüler*innen in NRW ihr Abitur abschließen – aber dürfen nicht
       
       Eigentlich sollten am Mittwoch die [1][Abiturprüfungen] in
       Nordrhein-Westfalen starten. Für rund 72.000 Schüler*innen wäre es das
       lang herbeigesehnte und extrem stressige Ende der gymnasialen Oberstufe
       gewesen. Doch dazu kam es nicht. Denn das NRW-Schulministerium hat den
       Start der Abi-Klausuren am Dienstagabend aufgrund eines „massiven
       technischen Problems“ auf Freitag verschoben.
       
       Nach ersten Erkenntnissen konnten viele Schulen die Prüfungsunterlagen, die
       ab Dienstagmittag auf einer IT-Plattform bereitgestellt wurden, nicht
       herunterladen. Nach rund zwei Stunden soll der IT-Dienstleister dem
       Schulministerium Probleme beim Download gemeldet haben. Erst gegen 20.30
       Uhr soll das Ministerium den Abiturstart für Mittwoch abgesagt haben. Nur
       wenige Stunden bevor sie zu den laut Schulministerium „vielleicht
       wichtigsten Prüfungen der Schulzeit“ antreten sollten, erhielten
       Zehntausende Schüler*innen in NRW also die Info, dass ihr Abiturstart
       verschoben wird.
       
       Die Abi-Panne in NRW bedeutet für die Schüler*innen (und Lehrer*innen)
       mehr als ein bisschen mehr Stress in sowieso schon stressigen Zeiten. Es
       ist das erste Abitur nach der psychisch belastenden Coronapandemie. Die
       Schüler*innen mussten sich teilweise im Homeschooling ohne persönlichen
       Kontakt zur Klasse auf das Abitur vorbereiten, die psychische Gesundheit
       und die Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen haben sich in den
       letzten Jahren in Deutschland nachweislich verschlechtert.
       
       Die mentale Last der Schüler*innen erhöht sich dadurch, dass die
       Rechtssicherheit der verschobenen Prüfungen wanken könnte. Es besteht die
       Möglichkeit, dass Lehrkräfte sich in der hektischen Phase am Dienstag
       gegenseitig aushelfen wollten und Prüfungen per Mail verschickt haben
       könnten. Das heißt, Zehntausende Schüler*innen bereiten sich gerade auf
       Klausuren vor, die im schlimmsten Fall wiederholt werden müssen.
       
       ## Ungewissheit bis in den späten Abend
       
       Gerade mit Blick auf die Tatsache, dass der Download-Fail möglicherweise
       durch von Schulen vorab geforderte, aber nicht durchgeführte Testläufe
       hätte vermieden werden können und somit wahrscheinlich auf behördliche
       Inkompetenz und nicht auf höhere IT-Gewalt zurückzuführen ist, macht wütend
       und fassungslos. Und auch das bereits viel kritisierte Krisenmanagement des
       Ministeriums – Schüler*innen in der letzten Lernphase bis in den späten
       Abend in Ungewissheit lassen – ist nicht nachzuvollziehen und zeugt von
       einem erstaunlich unsensiblen Umgang mit denen, die die Panne ausbaden
       müssen.
       
       An kultureller Sensibilität mangelt es im Schulministerium anscheinend
       auch. Denn der neue Klausurtermin fällt auf das muslimische Zuckerfest, an
       dem Hunderttausende Muslime in NRW das Ende des Fastenmonats Ramadan
       feiern. In dem Bundesland leben immerhin ein Drittel der Muslime in
       Deutschland. Dazu kommt, dass die Bahngewerkschaft EVG für Freitag erneut
       einen bundesweiten Streik im Fern- und Regionalverkehr angekündigt hat.
       Rechtzeitig in die Schule zu kommen, um die Prüfungen abzulegen. könnte
       also zu einem Problem werden oder zumindest um einiges umständlicher als
       normalerweise. Und auch das kann sich wiederum negativ auf die
       Prüfungsergebnisse auswirken.
       
       Die aktuell aufkochende Kritik – inklusive Beantragung einer Sondersitzung
       des Schulausschusses – der Opposition am CDU-geführten Schulministerium ist
       wichtig und legitim, doch im Fokus der Debatte sollten weder die
       erwartbaren Forderungen der Parteien in demokratischer Kontrollfunktion
       stehen noch die Häme, die derzeit auf Social Media viel Anklang findet.
       Bildung ist Ländersache,und dieser schmerzliche Fall von „Das Internet ist
       für uns alle Neuland“ ist im Battle der Bundesländer aus Perspektive von
       Berliner*innen zwar witzig, da der Spott endlich mal die aus dem Pott
       trifft, doch bitte schaut, auch bei der Aufarbeitung des Vorfalls, vor
       allem auf die betroffenen Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern.
       
       19 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bildungspolitikerin-ueber-Ernst-Ruecktritt/!5926108
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Luise Mosig
       
       ## TAGS
       
   DIR Abitur
   DIR Bildungssystem
   DIR Nordrhein-Westfalen
   DIR Digitalisierung
   DIR Bildung
   DIR Bildungssystem
   DIR Brandenburg
   DIR Bildung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Schule neu gedacht: Zu viel, zu alt, nicht nachhaltig!
       
       Die Kritik am Schulsystem ist seit Jahren die Gleiche, verändert wird
       trotzdem nichts. Es braucht andere Lernweisen und keinen 45-Minuten-Takt.
       
   DIR Bildungspolitikerin über Ernst-Rücktritt: „Erhoffe mir eine Kurskorrektur“
       
       Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst ist zurückgetreten. Die grüne
       Bildungspolitikerin Petra Budke über Rezepte gegen den Lehrkräftemangel.
       
   DIR Bildungsministerin von Brandenburg: Britta Ernst tritt zurück
       
       Überraschend legt die SPD-Bildungsministerin von Brandenburg ihr Amt
       nieder. Als Grund nannte sie fehlenden Rückhalt in ihrer Fraktion.
       
   DIR Sozial- und Bildungsberufe: Ein fatale Optik
       
       Bildung und Pflege sind wirtschaftlich gesehen nicht produktiv, deshalb
       gelten sie als teuer. Aber auch diese Bereiche profitieren vom Wachstum.