# taz.de -- Außenministerin Baerbock im Irak: Blick Richtung Zukunft
> Außenministerin Baerbock reist in den Irak. Sie wirbt um Zusammenarbeit
> bei Sicherheitsfragen – und für den Kampf gegen die Klimakrise.
IMG Bild: Außenministerin Baerbock trifft ihren irakischen Kollegen Hussein in Bagdad
Bagdad taz | „Mein Besuch ist auch ein Signal: Deutschland meint es ernst
mit einer engeren Zusammenarbeit“, erklärt Bundesaußenministerin Annalena
Baerbock am Dienstag in der Hauptstadt des Irak, Bagdad. Neben ihr steht
mit ernster Miene ihr irakischer Kollege Fuad Hussein.
In vielem sind sich die beiden einig: Man wolle enger zusammenarbeiten, vor
allem in den Bereichen Sicherheit und Technologie. Gerade ersteres ist kaum
überraschend: Deutsche Waffen hätten geholfen, betont Hussein, die
Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zurückzudrängen, die auf einem
Teilgebiet Syriens und des Irak 2014 ein Kalifat ausrief. Und während
Baerbock den Irak bereist, bilden deutsche Soldaten in der Autonomen Region
Kurdistan im Nordirak Sicherheitskräfte aus.
Seit 2014 habe Deutschland, sagt Baerbock, den Irak mit über vier
Milliarden Euro unterstützt, um das Land nach dem Ende der IS-Herrschaft zu
stabilisieren und Perspektiven zu schaffen. Die Miliz ging hart gegen
andere Muslime vor, vor allem Schiiten, sowie gegen die Minderheiten der
beiden Länder, etwa die christliche Gemeinde. Doch niemand, betont
Baerbock, habe so viel ertragen müssen wie [1][die Jesiden und Jesidinnen].
„Wir nehmen das Wort nicht leichtfertig in den Mund“, sagt sie, „Genozid“.
Und: Die Weltgemeinschaft habe eine gemeinsame Verantwortung, nachdem sie
diesen Genozid, der direkt vor ihren Augen stattfand, nicht verhindert
habe.
[2][Das Schicksal der Jesiden und Jesidinnen] ist einer der zentralen
Punkte, die auf Baerbocks Agenda ihrer viertägigen Reise in den Irak
stehen. Ein weiterer ist eher durch die Blume zu verstehen: Irak liege in
einer komplizierten Nachbarschaft, sagt sie. Und es sei wichtig, dass alle
umliegenden Staaten die Souveränität des Iraks respektieren.
## Scharfe Kritik am Iran
Welche Länder denn nun genau gemeint sind, spricht sie nicht direkt aus. In
den Straßen Bagdads fallen aber immer wieder großformatige Poster auf, die
iranische oder mit dem Iran verbundene Persönlichkeiten zeigen: etwa Qassem
Soleimani, bis zu seinem Tod im Jahr 2020 durch eine US-amerikanische
Hellfire-Rakete der Kopf der Al-Quds-Einheit der Iranischen
Revolutionsgarden. Unter seinem Bild stehen Sätze wie „Das Blut unserer
Märtyrer wird nie vergessen werden“.
Auf Nachfrage wird Baerbock dann doch konkreter: [3][Das iranische Regime]
habe etwa mit seinen Raketenangriffen auf den Irak gezeigt, dass es nicht
nur die eigene Bevölkerung brutal und rücksichtslos unterdrücke. „Für
seinen Machterhalt setzt es die Stabilität der ganzen Region aufs Spiel.“
„Wir respektieren die Souveränität anderer Länder – und bitten sie um
dasselbe“, erklärt Hussein etwas allgemeiner. Gemeint haben könnte er
damit, neben dem Iran, auch die US-Armee, die Soleimani kurz nach seiner
Ankunft am Flughafen Bagdad auf irakischem Boden ausschaltete.
Wenn man über Sicherheit spreche, müsse man auch über die Klimakrise reden,
sagt Baerbock. Die Weltbank veröffentlichte im November letzten Jahres
einen Bericht, der den Irak als eines der am schlimmsten vom Klimawandel
betroffenen Länder beschreibt. Die Klimakrise äußere sich im Irak vor allem
als Wasserkrise, so Baerbock.
## Starker Wassermangel im Irak
[4][Wie knapp das Wasser im Irak] bereits ist, macht sich vor allem im
Süden des Landes bemerkbar, im Marschland. Während dort bis vor wenigen
Jahren noch viele Bauern von der Wasserbüffelzucht lebten und man sich
zwischen hochgewachsenem Schilf per Boot durch das Schwemmland bewegen
konnte, häufen sich nun die Berichte, von dem Feuchtgebiet könnte bald
nichts mehr übrig sein außer trockenem Boden.
Die Klima- und Wasserprojekte, an denen Deutschland im Irak beteiligt sei,
wolle man ausbauen. „Auch deswegen reise ich in das Marschland“, sagt
Baerbock. Und: Es brauche eine ambitionierte klimapolitische Stimme Iraks
auf der nächsten großen Klimakonferenz, der COP28. Die Hälfte der Iraker
und Irakerinnen sei unter 21 Jahre alt. „Sie haben den Willen, den Mut und
die nötigen Ideen, die Zukunft mitzugestalten. Dafür ist es wichtig, dass
ihre Stimmen Gehör finden“ – und betont: Das gelte für Männer wie für
Frauen.
8 Mar 2023
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## AUTOREN
DIR Lisa Schneider
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