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       # taz.de -- Tiktok-Verbot im EU-Parlament: „Halte ich für aktionistisch“
       
       > Zum Datenschutz hat das EU-Parlament Tiktok auf Dienstgeräten verboten.
       > Der Grünen-Abgeordnete Malte Gallée will die App trotzdem weiter nutzen.
       
   IMG Bild: „Bei Tiktok sieht man viel mehr Beiträge von Leuten, denen man nicht folgt“, sagt Malte Gallée
       
       taz: Herr Gallée, das Europäische Parlament hat wegen Datenschutzbedenken
       die [1][Social-Media-Plattform Tiktok seit dem 20. März auf allen
       Diensthandys und -computern verboten]. Abgeordneten wie Ihnen wird
       empfohlen, Tiktok auch vom Privathandy zu löschen. Sie wollen aber vom
       Privat-Smartphone aus weitermachen. Warum? 
       
       Malte Gallée: Für mich ist Tiktok die wichtigste Plattform, um
       Bürger:innen und Wähler:innen zu erreichen. Ich will vor allem für
       junge Menschen Politik verständlich und nahbar machen. Und da das nun
       einmal die Plattform ist, auf der die meisten jungen Menschen aktiv sind,
       sehe ich es eigentlich fast als meine Pflicht, dort zu kommunizieren.
       Außerdem habe ich jetzt von meinem Arbeitshandy auch alle andere
       Social-Media-Plattformen wie Instagram und Twitter verbannt.
       
       Das Privat-Smartphone, mit dem Sie Tiktok benutzen, haben Sie
       wahrscheinlich auch immer dabei. Und als Politiker schreiben Sie vielleicht
       manchmal auch über das Privathandy arbeitsrelevante Nachrichten. Dann wäre
       die Trennung nicht mehr so klar. 
       
       Aber Tiktok hat jetzt keinen Zugriff mehr auf das Netzwerk des
       EU-Parlaments, auf das Intranet, auf meinen E-Mailaccount, auf meinen
       Kalender. Was mein privates Handy angeht, wenn die Bedrohung tatsächlich so
       groß wäre, dann fände ich es inkonsequent, Tiktok nur für
       Politiker:innen zu verbieten, und nicht für alle Bürger:innen. Dann
       geht es ja darum, alle Bürger:innen vor Abhörung zu schützen.
       
       Neben dem EU-Parlament und der EU-Kommission wurde Tiktok auch in
       Großbritannien, [2][den USA], Kanada und weiteren Ländern auf Dienstgeräten
       von Regierungsmitarbeitenden verboten. Könnte also an den Befürchtungen
       etwas dran sein, dass der chinesische Staat durch den chinesischen
       Mutterkonzern Bytedance möglicherweise Zugriff auf Daten von
       Tiktok-Nutzer:innen hat? 
       
       An den [3][Datenschutzbedenken ist auf jeden Fall etwas dran]. Diese
       Datenschutzbedenken muss man aber bei allen Social-Media-Kanälen haben. Ich
       halte es für aktionistisch, nur Tiktok zu verbieten. Mit dem Tiktok-Verbot
       unterstellen wir ja dem chinesischen Staat Böswilligkeit. Wenn China an
       irgendwelche Daten von uns will, könnte sich dieser Staat aber genauso in
       die Daten von Facebook oder Twitter hacken und hätte dadurch Zugang. Da
       wird dieses Tiktok-Verbot nichts dran ändern.
       
       Warum haben diese Länder und die EU dann nur die Nutzung von Tiktok auf
       Dienstgeräten verboten? Ihre Datenschutzbedenken scheinen da größer zu
       sein als bei US-amerikanischen Unternehmen wie Meta, dem Mutterkonzern von
       Facebook und Instagram, die auch wegen ihres Umgangs mit
       Nutzer:innendaten immer wieder in der Kritik stehen. 
       
       Der Verdacht ist deshalb größer, weil man es bei China mit einem
       autokratischen Regime zu tun hat und bei den andern Konzernen mit den USA.
       Ich halte es generell für ein Problem, dass wir Nutzer:innen eigentlich
       keine Ahnung haben, welche Daten von uns zu welchem Zeitpunkt wofür
       verwendet werden. Wenn wir eine App das erste Mal nutzen, müssen wir
       zustimmen zum Zugriff auf die Kamera, auf das Mikrofon, auf die Fotos und
       Standortdaten. Aber ich sehe da auch die Betreiber der Betriebssysteme,
       also Android und Apple, in der Pflicht, technisch dafür zu sorgen, dass ich
       selbst darüber entscheiden kann, welche Plattform zu welchem Zeitpunkt
       welche Daten wofür verwendet.
       
       Dann sollen die Hersteller der gängigen Smartphone-Betriebssysteme, Google
       mit Android und Apple mit iOS, bei der Gerätesoftware das Problem lösen,
       das die Apps mit ihrer Gier nach Daten verstärkt haben? 
       
       Die Apps bedienen sich dessen, was möglich ist, und ich möchte gerne, dass
       das Mögliche so eingeschränkt wird, dass wir die volle Kontrolle darüber
       haben.
       
       Auch Google und Apple werden dafür kritisiert, weil sie viele Daten der
       Nutzer:innen sammeln. 
       
       Ja, total. Und genau das ist die Aufgabe von uns als Gesetzgeber:innen. Da
       einzuschreiten und zu sagen, was die genauen Regeln sein sollen, um
       Verbraucher:innen zu schützen. Dass das Europäische Parlament und die
       EU-Kommission das Thema Datensicherheit mit dem Verbot jetzt noch einmal
       auf die Agenda rufen, finde ich gut. Ich habe eine offizielle Anfrage an
       die EU-Kommission gestellt, was sie plant, damit Betriebssysteme wie iOS
       oder Android den Nutzer:innen die Möglichkeiten geben, selber zu
       entscheiden, welche Daten sie hergeben. Jetzt warte ich auf eine Antwort.
       
       Geht es Ihnen bei Tiktok auch darum, dass Sie mehr als 38.000
       Follower:innen verlieren würden, wenn Sie die Plattform verlassen? 
       
       Wenn wir feststellen, dass Tiktok tatsächlich böswillig ist und wir dafür
       klare Indizien haben, dass es eine Gefahr für die gesamte Gesellschaft ist,
       und wir die App wirklich für alle verbieten, da bin ich dabei. Und trotzdem
       hat es wahnsinnig viele Vorzüge.
       
       Welche denn? 
       
       Man erreicht sehr schnell die Leute, für die ein bestimmtes Thema auch
       relevant ist, und man ist nicht so sehr in seiner eigenen Echokammer
       gefangen wie zum Beispiel bei Instagram. Bei Instagram sieht man die ganze
       Zeit Beiträge von Leuten, denen man folgt. Und bei Tiktok sieht man viel
       mehr Beiträge von Leuten, denen man nicht folgt. Im Europaparlament haben
       wir generell ein großes Problem damit, Leute zu erreichen. Deswegen bin
       ich sehr happy darüber, das über Tiktok so gut machen zu können.
       
       EU-Politik gilt oft als trocken und kompliziert. Schaut man Ihre Videos an,
       scheint es Ihr Ziel zu sein, auf lockere Weise verständlicher zu machen,
       was in Brüssel passiert. 
       
       Ich finde die Politik hier in Brüssel überhaupt nicht trockener als
       irgendwo anders. Ob etwas trocken ist oder nicht, kommt ja sehr auf die
       Zielgruppe an. Für irgendwelche EU-Nerds ist das natürlich gar nicht
       trocken, vielleicht bin ich jetzt auch schon selber einer. Wir haben vor
       Kurzem geschafft, dass in einigen Jahren in der Europäischen Union
       Gerätebatterien austauschbar sein müssen. Das heißt, dass Handyakkus
       herausnehmbar sind. Wir regeln hier Sachen, die sehr nah an den
       Bürger:innen sind. Und das transportiere ich einfach gerne zu den
       Leuten.
       
       24 Mar 2023
       
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