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       # taz.de -- Ausstellung über Reichsbahner: Retter auf Schienen
       
       > Das Deutsche Technikmuseum widmet einem Arbeiter der Reichsbahn eine
       > Sonderausstellung. Im Holocaust hatte er zwei Jüdinnen gerettet.
       
   IMG Bild: Ein Foto von Franz Kittel in der Ausstellung des Technikmuseums
       
       Die ist eine ganz kleine Geschichte. In ihr geht es im Kern nämlich nur um
       drei Menschen. Dies ist aber auch eine sehr große Geschichte. Denn der eine
       Mensch, Fritz Kittel mit Namen, hat die beiden anderen vor dem Tod
       gerettet.
       
       Deutsches Technikmuseum Berlin, im Lokschuppen Nummer 2. Links steht ein
       gedeckter Güterwagen, gebaut ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts. In solchen
       Waggons wurden Jüdinnen und Juden aus halb Europa in die Vernichtungslager
       der Nazis deportiert. Die Reichsbahn verlangte dafür für jeden Insassen den
       ermäßigten Tarif für Sonderzüge. Der Wagen erinnert an die Beteiligung der
       Bahn am Holocaust.
       
       Rechts befindet sich ein auf Hochglanz polierter roter Schienenbus aus den
       1950ern, ein „Retter der Nebenbahnen“, wie er genannt wurde. Das 150
       Pferdestärken starke Fahrzeug steht für den Neubeginn und das westdeutsche
       Wirtschaftswunder. Dazwischen ist das Gleis frei geräumt, macht einer
       großen weißen Tafel Platz, die quer zu den Schienen steht. Hier erzählt
       [1][Esther Dischereit] die Geschichte der drei Menschen. Es ist eine sehr
       persönliche Geschichte.
       
       ## Mitverantwortung der Bahn
       
       Zwei der drei Menschen, Hella und Hannelore Zacharias, sind nämlich die
       Mutter und die Schwester von Dischereit. Die jüdische Schriftstellerin hat
       nachgefragt, wie ihre Verwandten eigentlich den Holocaust überleben
       konnten, wer ihnen geholfen hat. Sie hat die Deutsche Bahn eingeschaltet,
       die lange nichts von ihrer Mitverantwortung für den Massenmord wissen
       wollte. Jetzt nicht mehr. Die Bahn hat bei den Recherchen geholfen, ihr
       Chef Richard Lutz war bei der Eröffnung der kleinen Ausstellung im
       Lokschuppen dabei.
       
       Esther Dischereit stieß bei ihren Untersuchungen auf einen Arbeiter bei der
       Deutschen Reichsbahn. Von Fritz Kittel war in der Familie immer einmal
       wieder die Rede gewesen. Aber wer war dieser Mann? Sie beschloss, seine
       Verwandten zu besuchen. Die hatten keine Ahnung von der lebensgefährlichen
       Rettungsaktion ihres Vaters und Großvaters. „Er hat nie etwas gesagt“,
       heißt es von ihnen in einem kurzen Film, der die Begegnung der Nachfahren
       von Geretteten und Retter zeigt.
       
       Kittel war weder Mitglied der NSDAP noch der SA oder der SS. Nach allem,
       was man weiß, gehörte er auch keiner [2][Widerstandsgruppe] an. Hella und
       Hannelore Zacharias hatte er zuvor nicht gekannt. Aber er hat gehandelt.
       Warum genau? Man weiß es nicht. In zwei Schränken kann man die Schubladen
       aufziehen, darin sind Bilder und Dokumente. Fritz Kittel lebte 1944 in
       Sorau in der Niederlausitz, dem heute polnischen Żary.
       
       ## Im Kreis fahrend
       
       Mutter und Tochter Zacharias kamen aus Berlin. Sie waren 1942 nach Beginn
       der Deportationen im Osten untergetaucht, hatten Versteck und Versteck
       gewechselt, denunziert, auf der Flucht, mit der Eisenbahn im Kreis fahrend.
       In einer Schublade sieht man die Meldebescheinigung. Fritz Kittel gibt
       darin 1944 an, Hella und Hannelore seien seine Ehefrau und ihr gemeinsames
       Kind. Sie durften bei ihm wohnen, mussten aber vorsichtig sein. In einem
       Kurzfilm erinnert sich Hannelore daran, dass sie in Sorau in die Schule
       gehen durfte, und am Sonntag sogar in die Kirche. Bloß nicht auffallen,
       lautete die Devise.
       
       Als sich die Rote Armee 1945 Sorau näherte, überzeugte Fritz seine
       Schutzbefohlenen davon, mit ihm nach Westen zu fliehen. Sie erreichten mit
       dem letzten Zug aus dem Osten das hessische Heringen an der Werra. Fritz
       Kittel arbeitete wieder als Ladeschaffner bei der Bahn. Hella Zacharias
       aber erhielt am 23. März 1945 einen Personalausweis der Deutschen
       Reichsbahn. Ihr Name darauf lautet Hella Kittel.
       
       Eine Woche später, am 1. April, rückten Truppen der US-Armee in Heringen
       ein. Der Zweite Weltkrieg war beendet, Hella und Hannelore befreit. Die
       Verbindungen zwischen ihnen und Fritz Kittel rissen jedoch später ab.
       
       Es gibt in der Ausstellung noch einen dritten Schrank. Er zeigt die andere
       Seite. Es gab nicht viele Kittels [3][unter den Reichsbahnern]. Man kann
       den Brief eines Denunzianten lesen, der einen anderen Kollegen als
       angeblichen Juden verpfeift. Ausgestellt ist die Anklageschrift gegen
       Albert Ganzenmüller, einem hohen Bahnbeamten, der an der Deportation von
       Jüdinnen und Juden in den Tod mitwirkte. Der Beschuldigte ist nie dafür
       verurteilt worden, galt 1973 als verhandlungsunfähig. Und da findet sich
       eine Erinnerung an Paul Levy, Reichsbahndirektor, 1935 wegen seiner
       jüdischen Herkunft entlassen, 1943 im KZ Auschwitz ermordet.
       
       27 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Hillenbrand
       
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