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       # taz.de -- Kirchenasyl in Bayern: „Der Rest ist Inschallah“
       
       > Abdul Hamid A. ist einer von dutzenden Geflüchteten, die derzeit in
       > Bayern im Kirchenasyl ausharren. Er fürchtet eine Abschiebung nach
       > Bulgarien.
       
       Wenn ihn die linke Schulter schmerzt, und das tut sie regelmäßig, muss
       Abdul Hamid A. an Sofia denken. An die zehn Tage, die er in der
       bulgarischen Hauptstadt im Gefängnis zugebracht hat. Mit Schlagstöcken
       haben die Wärter dort auf ihn und die anderen Häftlinge eingeschlagen –
       mehrfach jeden Tag. Weil er Syrer war, weil er unerlaubt ins Land gekommen
       war. Im Februar 2022 war das.
       
       Jetzt sitzt Abdul Hamid A. in einem Zimmer im Pfarrhaus [1][der
       Evangelisch-Lutherischen Kirche Fischbach] im Südosten von Nürnberg. Ein
       Tisch, eine Küchenzeile, ein Kicker. In eine Ecke hat Pfarrer Johannes
       Häselbarth ein Bett gestellt. Auf dem Tisch liegen ein paar
       Grammatikbücher, eine Schale mit Datteln steht daneben. Eigentlich ist das
       hier der Besprechungsraum der Pfarrgemeinde. In einer Ecke des Raums hängt
       eine rote Stola. Auf der Küchenzeile hat sich eine Plüschmaus namens Anna
       niedergelassen. Für gut zwei Wochen ist das hier die Welt für Abdul Hamid
       A.
       
       Vom Fenster aus sieht man direkt auf die Kirche. Das Gotteshaus, das Abdul
       Hamid A. derzeit Schutz gewährt. Schutz vor dem [2][Bundesamt für Migration
       und Flüchtlinge (Bamf)], das den Mann nach Bulgarien abschieben will, in
       das Land, in dem er misshandelt wurde. Denn laut Dublin-III-Verordnung sei
       nun einmal Bulgarien für den Asylantrag zuständig. Solange er das
       Grundstück der Kirche nicht verlässt, ist der Flüchtling jedoch sicher. Er
       befindet sich im Kirchenasyl.
       
       Vor ein paar Tagen ist Abdul Hamid A. 22 Jahre alt geworden. Jetzt sitzt er
       hier am Besprechungstisch und erzählt von seiner Flucht, die er am
       Neujahrstag 2022 gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder angetreten hat. Ein
       Dolmetscher übersetzt. Über dem Kapuzenpulli trägt Abdul Hamid A. eine
       dünne Daunenjacke. Der Blick ist ernst, nur selten entkommt ihm ein
       Lächeln.
       
       ## Die Grenzer hetzten Hunde auf sie
       
       Er erzählt von seinem Dorf in der Nähe des kurdisch beherrschten Qamischlis
       im Nordosten von Syrien. Ein arabisches Dorf, 400 Häuser schätzt er. Das
       Dorf selbst liegt auf Gebiet, das offiziell von der syrischen Armee
       kontrolliert wird. Hätte er es auf eigene Faust verlassen, wäre er mit
       Sicherheit Assads Truppen in die Hände gefallen, die ihn sofort eingezogen
       hätten. Als Kanonenfutter für den syrischen Machthaber. „Das Dorf war ein
       Gefängnis für mich“, sagt Abdul Hamid A.
       
       Er erzählt, wie er und sein Bruder sich von der Mutter und den vier anderen
       Geschwistern verabschiedet und sich Schleusern anvertraut hätten,
       Kriminellen, die ihnen für eine Pauschale von 9500 Euro pro Kopf einen
       Transfer nach Deutschland versprochen hätten; wie diese die Checkpoints der
       syrischen Armee geschmiert und sie so in sechs Stunden mit dem Auto zur
       türkischen Grenze gebracht hätten.
       
       Er erzählt, wie sie dort zu Fuß über die grüne Grenze geführt und dann
       weiter mit dem Auto nach Istanbul gebracht worden seien. Auch von der
       Flucht über Bulgarien, Serbien, Ungarn, die Slowakei und Tschechien. Wie in
       Prag der Fluchthelfer es mit der Angst zu tun gekriegt und sie einfach in
       einen Zug nach Deutschland gesetzt habe. Und wie sie in Dresden schließlich
       – im Mai war das dann schon – bei einer Zugkontrolle entdeckt worden seien.
       All das, was er auch schon dem Bamf erzählte.
       
       Vor allem aber erzählt er von dem, was ihm in Bulgarien widerfahren ist.
       Daran war man bei der Bamf-Anhörung weniger interessiert. Dreimal war die
       Gruppe von elf Flüchtlingen von Istanbul aus an die bulgarische Grenze
       gebracht worden, um auf die bulgarische Seite zu gelangen, die ersten
       beiden Male wurden sie von den bulgarischen Grenzpolizisten aufgegriffen.
       
       Zuerst hetzten sie Hunde auf sie, dann schlugen sie sie und schließlich
       schickten sie sie in der Unterwäsche zurück. Auch Geld, Mobiltelefone und
       Essen stahlen ihnen die Polizisten. Beim dritten Versuch schafften die
       Flüchtlinge es schließlich Anfang März über die Grenze und bis nach Sofia,
       wo der Polizei dann jedoch der mit zwölf Personen besetzte Pkw verdächtig
       vorkam. Die Gruppe wurde festgenommen und zunächst für einen Tag auf die
       Polizeiwache und dann ins Gefängnis gebracht.
       
       Dort steckte man sie in einen Schlafsaal mit 300 Häftlingen. Die Matratzen
       waren schmutzig und voller gefräßiger Wanzen, auf das verdreckte Klo konnte
       man nur tagsüber gehen. „Und zu essen gab es nur so viel, dass man nicht
       gestorben ist.“
       
       ## Kirchenasyl: Tradition ohne rechtliche Grundlage
       
       Jeden Tag prügelten die Wärter auf die Gefangenen ein und beschimpften sie
       dabei auf Englisch: Sie seien illegal, hätten hier nichts zu suchen. Und
       Assad sei ein guter Mann, es gebe keinen Grund, aus Syrien zu flüchten.
       Abdul Hamid A. kam mit seiner Schulterverletzung noch glimpflich davon.
       Einem anderen Mann aus seiner Gruppe haben sie ein Bein gebrochen. Vier
       Tage lang lag er unter größten Schmerzen in der Zelle. Er bekam keinerlei
       medizinische Behandlung, nichts gegen die Schmerzen. Erst als sie nach zehn
       Tagen aus dem Gefängnis entlassen wurden, konnte er ins Krankenhaus. Die
       anderen wurden zu einem Flüchtlingscamp gefahren, in dem die Zustände kaum
       besser waren. Einziger Vorteil: Man konnte es verlassen. Das taten die
       beiden Brüder dann auch, kontaktierten ihren Schleuser und setzten die
       Flucht nach Deutschland fort.
       
       Nun lässt sich nicht überprüfen, was Abdul Hamid über seine Erlebnisse in
       Sofia erzählt. Nur, und das macht den Bericht dann doch glaubwürdig: Er
       deckt sich mit nahezu allen Erzählungen von Flüchtlingen, die über
       Bulgarien nach Deutschland gekommen sind. [3][Der Verein „Matteo – Kirche
       und Asyl“], der die meisten Menschen im Kirchenasyl in Bayern betreut,
       stellt gerade ein Dossier über diese Fälle an. Es sind Dutzende. Alle
       berichten sie von Misshandlungen und menschenunwürdigen Zuständen.
       
       Das Bamf sieht die Sache dennoch recht locker. Von einem „systematischen
       Vorgehen bei Misshandlungen oder herabwürdigender Behandlung von
       Schutzsuchenden seitens der bulgarischen Polizei“ sei ihm nichts bekannt,
       schreibt es in der Beurteilung eines ähnlichen Falles. Es sei „davon
       auszugehen, dass Bulgarien über ein funktionierendes Rechts- und
       Justizsystem verfügt, welches auch Schutz für Flüchtlinge gewährt“.
       Fehlverhalten einzelner Polizisten und Sicherheitskräfte seien weder dem
       Staat noch systemischen Mängeln im bulgarischen Asylsystem anzulasten.
       
       Für viele der Flüchtlinge bleibt daher das Kirchenasyl die letzte Hoffnung.
       [4][Die Tradition des Kirchenasyls ist älter als die Kirche.] Schon in der
       Antike fanden Menschen in Notsituationen Zuflucht in Tempeln, auch im
       Mittelalter nahmen die Kirchen immer wieder eine vermittelnde Position ein
       und hielten – zumindest vorübergehend – eine schützende Hand über manchen
       Verfolgten. Das Kirchenasyl in seiner heutigen Form gibt es in Deutschland
       seit knapp 40 Jahren. Es hat keine rechtliche Grundlage, aber in Bayern
       beispielsweise gibt es eine Zusage des Innenministers, kein Kirchenasyl
       räumen zu lassen. Hier sind derzeit nach Matteo-Schätzungen rund 80
       Menschen im Kirchenasyl.
       
       ## Bamf-Chef hält Kirchenasyl für unnötig
       
       In der Regel geht es heute beim Kirchenasyl um die Verhinderung von
       Dublin-Abschiebungen. Da das Bamf nach der Dublin-III-Verordnung im
       Normalfall nur sechs Monate hat, um einen Flüchtling in das Land der
       Erstregistrierung abzuschieben, gilt es meist, Personen, denen in diesem
       Land eine menschenunwürdige Behandlung droht, so lange aufzunehmen, bis die
       Frist verstrichen ist und Deutschland selbst den Asylantrag bearbeiten
       muss. Von den Kirchen wird der Einsatz des Kirchenasyls unterschiedlich
       stark forciert. Das [5][Erzbistum München etwa warnt seine Pfarrgemeinden,
       das Kirchenasyl solle nur besonderen Fällen vorbehalten sein]. Letztendlich
       hängt es meist am Engagement der Kirchenvertreter vor Ort.
       
       Auch das Bamf bekannte sich 2015 zur Tradition des Kirchenasyls, auch wenn
       sein heutiger Chef Hans-Eckhard Sommer keinen Hehl daraus macht, dass er es
       für unnötig hält. Und bestimmte Staatsanwaltschaften und Gerichte in Bayern
       fuhren zeitweise einen harten Kurs gegen Pfarrer und Ordensangehörige, die
       sich der Flüchtlinge annahmen. Wegen „Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt
       von ausreisepflichtigen Ausländern“ fanden diese sich plötzlich zu ihrer
       großen Überraschung auf der Anklagebank. „Wir leben in einer Demokratie,
       nicht in einem Gottesstaat“, [6][belehrte etwa ein Richter in Würzburg im
       Sommer 2021 eine Franziskanerschwester und verurteilte sie zu einer
       Geldstrafe auf Bewährung]. Das Urteil wurde jedoch später von einer höheren
       Instanz aufgehoben. Nachdem auch andere Urteile kassiert wurden, halten
       sich die Staatsanwaltschaften mittlerweile wieder zurück.
       
       Es war der 24. Oktober 2022, als Stephan Theo Reichel eine Nachricht über
       Whatsapp erhielt. Der Absender war ihm unbekannt, der Text lautete: „Ich
       habe eine Absage und Abschiebung nach Bulgarien“. Mehr nicht. Dennoch
       wusste Reichel gleich Bescheid. Solche Nachrichten bekommt er am laufenden
       Band. Der 70-Jährige ist bekannt, seine Mobilnummer macht in bayerischen
       Flüchtlingsunterkünften schon seit Jahren die Runde.
       
       Reichel ist so etwas wie der Mr. Kirchenasyl in Bayern. Hier gibt es kaum
       einen Fall von Kirchenasyl, den nicht er eingefädelt hat. Dabei kommt der
       gläubige Protestant nicht aus der Kirchenarbeit. 30 Jahre lang hat der
       Münchner bei einem Rückversicherer gearbeitet, ist durch die ganze Welt
       gereist. Nachdem er in den Vorruhestand gegangen war, half er mehr zufällig
       bei einem Kirchenasyl in München. Und so führte eins zum anderen.
       Inzwischen feierte Matteo, der von ihm mitgegründete Verein für
       Kirchenasyl, bereits sein Fünfjähriges. In seiner E-Mail-Signatur hat
       Reichel ein Zitat aus dem Johannes-Evangelium stehen: „Wer zu mir kommt,
       den werde ich nicht abweisen.“
       
       ## „Ich hatte Panik“
       
       Die WhatsApp-Nachricht kam von Abdul Hamid A. Die Zwillinge waren
       zwischenzeitlich über Stationen in Hannover und Regensburg in einer
       Unterkunft in Seubersdorf im Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz gelandet.
       Ein sehr kleines Heim, fünf Flüchtlinge in drei Zimmern. Doch Abdul Hamid
       A. gefiel es dort.
       
       Zumindest bis zum 16. September. An diesem Freitag war plötzlich ein gelber
       Umschlag im Briefkasten. Darin: der Abschiebebescheid. Abdul Hamid A. wurde
       mitgeteilt, dass Bulgarien am 23. Juli dem Übernahmeersuchen nach der
       Dublin-Verordnung zugestimmt habe, von diesem Zeitpunkt an liefen die sechs
       Monate, innerhalb derer ein Flüchtling abgeschoben werden muss. Sein Bruder
       bekam kein Schreiben. Während eine Regensburger Anwältin vergebens gegen
       den Bescheid klagte, bekam Abdul Hamid A. die Nummer von Reichel. Die
       beiden tauschten WhatsApp-Nachrichten und Dokumente aus, trafen sich
       zweimal. Bei der Gelegenheit wird Reichel ihm das gesagt haben, was er fast
       immer sagt, wenn er von der Notwendigkeit eines Falls überzeugt ist: „Ich
       helfe dir. In 90 bis 95 Prozent der Fälle funktioniert das auch. Der Rest
       ist Inschallah.“
       
       90 bis 95 Prozent – das klingt nicht schlecht. Abdul Hamid A. vertraute
       Reichel. Trotzdem blieb die Angst. „Ich hatte Panik. Während des letzten
       Monats habe ich nachts gar nicht mehr geschlafen, weil ich immer gedacht
       habe: Jetzt kommt gleich die Polizei und holt mich.“ In seiner Verzweiflung
       schrieb er Reichel – erkennbar mit Hilfe einer Übersetzungssoftware: „Sie
       haben mir versprochen, dass sie mich bald ins kirchliche Sanatorium
       bringen. Ich fürchte, Sie haben mich vergessen.“ Reichel musste ihn
       vertrösten, es gebe andere, deren Fälle noch dringender seien.
       
       Der Syrer erwog unterzutauchen, verwarf den Gedanken jedoch gleich wieder;
       er wusste: Sobald er die Unterkunft unerlaubt verlässt, verlängert sich die
       Frist, innerhalb derer er abgeschoben werden darf, von sechs auf 18 Monate.
       Doch das Ende der sechs Monate nahte. Mit jedem Tag wurde eine Abschiebung
       somit wahrscheinlicher. Als im November ein Cousin aus Baden-Württemberg
       nach Bulgarien abgeschoben wurde und Anfang Januar ein anderer aus
       Österreich, hob das auch nicht gerade die Stimmung.
       
       ## Der Fokus hat sich nach Osten verlagert
       
       Es war dann auch schon der 12. Januar, als bei Pfarrer Häselbarth in der
       Früh eine E-Mail einging mit der Betreffzeile „AKUTE ABSCHIEBEDROHUNG im
       Raum Neumarkt/Oberpfalz (Seubersdorf). Junger Syrer soll nach Bulgarien
       abgeschoben werden“. Keine zehn Minuten später antwortete der Pfarrer.
       Sollte klargehen, er brauche nur noch die Zustimmung des Kirchenvorstands.
       Der war einverstanden; drei Tage später bekam Plüschmaus Anna ihren neuen
       Mitbewohner.
       
       Reichel ist heute auch nach Nürnberg zu Besuch gekommen, sitzt – wie auch
       Pfarrer Häselbarth – mit am Tisch. Er nimmt sich eine Dattel und ist
       erstaunt: Obwohl auch er im Vorfeld die Details der Flucht abgefragt hatte,
       war ihm eines dennoch neu: Abdul Hamid A.s Zwillingsbruder. Ein
       Paradebeispiel für die Willkür und Inkonsequenz des Bamf, findet Reichel.
       Zwei Menschen, die offensichtlich exakt dieselbe Fluchtgeschichte haben,
       und doch werden sie komplett unterschiedlich behandelt.
       
       „Wenn es rechtsstaatlich zuginge“, sagt Reichel, „müsste ja auch das
       Gleichheitsprinzip gelten.“ Für ihn heißt das in diesem Fall: Nach dem, was
       ihnen in Bulgarien droht, müssten beide Brüder aufgrund von Artikel 17 der
       Dublin-Verordnung von der Rückführung befreit werden, „Stattdessen machen
       sie bei dem einen gar keine ordentliche Prüfung, und den anderen wollen sie
       gegen besseres Wissen nach Bulgarien zurückschicken.“
       
       ## Selbsteintritt ins Asylverfahren möglich
       
       Nach Artikel 17 kann jeder Staat den Selbsteintritt ins Asylverfahren
       erklären, wenn eine Abschiebung aus humanitären Gründen nicht in Frage
       kommt. Ein Kriterium, das aus Sicht Reichels im Fall von Bulgarien ohnehin
       immer erfüllt wäre. „Die müssten sagen: Der hat so Schlimmes erlebt, den
       schicken wir nicht zurück. Machen sie aber nicht. Sie halten das alles
       unterm Teppich.“
       
       Nun ist es nicht so, dass jedem Flüchtling, der gern in Deutschland bleiben
       würde, Kirchenasyl gewährt wird. In einer Vereinbarung mit dem Bamf von
       2015 haben die Kirchen ausdrücklich zugesichert, Flüchtlinge nur in
       Härtefällen aufzunehmen – mit dem Ziel, neue Einzelfallprüfungen zu
       erreichen. Der Fokus hat sich dabei jedoch in den letzten Jahren stark nach
       Osten verlagert. Waren es anfangs noch sehr oft Abschiebungen nach Italien,
       Ungarn, oder Griechenland, die es zu verhindern galt, geht es mittlerweile
       überwiegend um Länder wie Rumänien, Polen, Litauen und Lettland.
       
       Und natürlich Bulgarien, das laut Reichel den größten Anteil ausmacht. Die
       Betroffenen selbst seien fast ausschließlich Menschen aus Syrien,
       Afghanistan, dem Irak und manchmal dem Iran. Die Verschiebung hänge auch
       damit zusammen, dass teilweise Länder trotz ihrer Dublin-Verpflichtung
       überhaupt keine Flüchtlinge mehr zurücknähmen und Deutschland aus
       humanitären Gründen von Abschiebungen in gewisse Länder absehe.
       
       ## Helfen kostet Kraft
       
       Für Pfarrer Häselbarth ist es nicht das erste Kirchenasyl. Seit 2018 ist er
       Pfarrer hier, in seiner früheren Pfarrgemeinde, im rund 30 Kilometer
       entfernten Eckental, waren einmal drei junge Männer zeitgleich fast ein
       halbes Jahr bei ihm, und vergangenes Jahr beherbergte er hier in Fischbach
       einen Flüchtling für rund vier Monate.
       
       Natürlich will er helfen, wo seine Hilfe gebraucht wird. „Ich möchte den
       Menschen die gute Botschaft von Jesus Christus bringen – in vielfältiger
       Art und Weise“, sagt der 57-Jährige. „Und dazu gehört für mich auch das
       Kirchenasyl.“ Was aber nicht heißt, dass die Sache leicht wäre. Helfen kann
       schon auch eine Herausforderung sein. Beim letzten Mal hat er es gemerkt.
       „Das hat mich mehr Kraft gekostet, als ich gedacht habe.“ Deshalb war es
       dieses Mal ausschlaggebend für ihn, dass es nur um eine kurze Zeitspanne
       ging.
       
       Mit Abdul Hamid A. versteht sich Häselbarth gut – soweit man sich eben
       versteht, wenn man die Sprache des anderen nicht versteht. Und doch: allein
       das Essen! „Syrer sind sehr, sehr nett und sehr heikel“, ist die Erfahrung
       des Pfarrers. „Also beim Essen ist das ganz schwierig.“ Der eine will
       kochen, was dem anderen schmeckt, der andere will bloß höflich sein. Ob
       sein Gast denn Hähnchenschlegel möge, bittet Häselbarth den Dolmetscher zu
       fragen. Er möge alles, was er hier bekomme, antwortet der Flüchtling. Eine
       Antwort, die den Pfarrer nur mäßig befriedigt.
       
       Natürlich sind das Luxusprobleme. Und der Gast sagt ohnehin, er sei von den
       Häselbarths so freundlich aufgenommen worden, dass er sich fast schon wie
       ein Mitglied der Familie fühle. Es gehe ihm bestens hier. Dass der Alltag
       zwangsläufig etwas monoton ist, stört ihn nicht. Der Pfarrer hat ihm ein
       Tablet gegeben, auf dem er ein paar Deutschlektionen lernt. Die übrige Zeit
       verbringt er größtenteils am Mobiltelefon, spricht mit der Familie.
       
       Aber es ist ja nur für eine kurze Zeit. In zwei, drei Wochen, verspricht
       Stephan Reichel, werde das Bamf schriftlich bestätigen, dass die Frist für
       eine mögliche Abschiebung abgelaufen ist. Dann ist Abdul Hamid A. frei. Als
       Syrer werde er dann auf jeden Fall in Deutschland bleiben dürfen –
       inklusive Sprachkurs und Arbeitserlaubnis. Eine Ausbildung zum
       Mechatroniker würde er gerne machen. Ein Happy-end ist – im Fall von Abdul
       Hamid A. zumindest – absehbar. Und morgen gibt es Huhn.
       
       4 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://fischbach-evangelisch.de/
   DIR [2] https://www.bamf.de/
   DIR [3] https://matteo-asyl.de/
   DIR [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Kirchenasyl
   DIR [5] https://www.erzbistum-muenchen.de/fami/kirchenasyl
   DIR [6] https://www.domradio.de/artikel/demokratie-statt-gottesstaat-ordensfrau-wegen-kirchenasyl-schuldig-gesprochen
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominik Baur
       
       ## TAGS
       
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Kirchenasyl
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