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       # taz.de -- Die Wahrheit: Athina, Venezia
       
       > Tagebuch einer Auscheckerin: Im griechisch designten Hotel macht der
       > Beinahe-Toyboy das Licht aus.
       
   IMG Bild: „Schönen Feierabend!“: Blick über die Dächer von Koper
       
       Einmal im Jahr brechen meine Architektin-Freundin M. und ich zu einem
       Erbauungstrip auf, der nach langer Diskussion, wohin es denn dieses Mal
       gehen soll, zuverlässig nach Venedig führt. Doch urplötzlich hatte M. sich
       Athen in den Kopf gesetzt.
       
       Während sie sich mit gelehrten Architekturführern eindeckte, buchte ich die
       Unterkunft. Das Hotel stellte sich als ehemalige Gießerei heraus und lag
       mitten in einem Gentrifizierungskampfgebiet zwischen alten Häusern, deren
       Mauern dem Zusammenbruch entgegenrieselten. Vom Dach sah man die Akropolis
       und beim Blick aus unserem Zimmer eine pittoreske Jahrhundertwenderuine,
       die Raumausstattung stammte hingegen aus der von allerlei Design geprägten
       Neuzeit.
       
       Nachdem wir uns tagsüber durch altgriechische Tempel, Säulenhallen und
       Agoras gearbeitet hatten, widmeten wir uns abends beim Versuch, das Licht
       im Zimmer auszuschalten, der Erforschung neugriechischer Innenarchitektur.
       Der zu Hilfe gerufene junge Griechengott von der Rezeption verabschiedete
       sich auffällig hastig, kaum dass er zwei in Nachtgewänder gehüllten Frauen
       vorgeführt hatte, wie man die schicken Schalter richtig bediente. M.
       vermutete, er sei besorgt, zum Toyboy auserkoren worden zu sein, dabei
       hätte er völlig beruhigt sein können, unsere Kraftreserven waren auf dem
       Feld der Antike restlos verbraucht worden.
       
       Anderntags mussten wir das Zimmer wechseln, und das nächtliche Lichtlöschen
       scheiterte bereits daran, dass wir den Schalter gar nicht erst fanden. Um
       ihn nicht nachhaltig zu traumatisieren, verzichteten wir auf Beistand
       unseres Beinahe-Toyboys und schraubten stattdessen jede einzelne der
       fünfzehn winzigen Birnen aus der Designerlampe, was insofern blöd war,
       weil wir jetzt nicht mehr erkennen konnten, warum in der schnittig
       verglasten, mitten im Raum stehenden Duschkabine das Wasser nicht ablief,
       denn in der Finsternis kriegten wir die Dinger nicht mehr zurück in ihre
       komplizierten Fassungen. M. nutzte ihr Architektinnenwissen und drosch im
       Dunkeln kurzentschlossen auf den Deckel über’m Duschabfluss, der sich
       folgsam anhob. „Geht doch“, erklärte sie und wir tasteten uns unter
       Wassergegurgel in die Betten.
       
       Am letzten Morgen nach dem Auschecken hatte M. eine Zoom-Konferenz mit
       Kollegen, die sie im Homeoffice wähnten. Vor neutralem Hintergrund in der
       Hotellobby heuchelte sie Daheimsein, wich aber wegen sich steigernder
       verräterischer Betriebsamkeit aufs Klo aus. Dort lehnte sie sich auf einem
       Papiereimer sitzend an eine unverdächtige Wandverkleidung, bis die mit
       einem Seufzen hinter ihr absackte und die Installationsrohre freilegte. M.
       hielt das Paneel – stoisch weiterredend und unschuldig in die Kamera
       lächelnd – mit den Schultern an der Wand fest.
       
       Wir feierten ihren gelungenen Vortrag mit einem Tanz am Flughafen, der mit
       exzellenter Airportmucke beschallt wurde. Athina, unser neues Venezia.
       
       27 Oct 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pia Frankenberg
       
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