URI:
       # taz.de -- Zukunftsstrategie Forschung: Es fehlt der lange Blick
       
       > Der Druck für Veränderungen nimmt zu. Jetzt rächt sich, dass eine
       > langfristig angelegte Transformationsforschung fehlt.
       
   IMG Bild: Transformation ist angesagt, aber darauf ist der Wissenschaftsbetrieb nicht eingestellt
       
       Berlin taz | Die Krisen nehmen zu, der Transformationsdruck wächst, aber
       die Wissenschaft ist nicht darauf eingestellt. Es fehle an einer
       „langfristig ausgerichteten [1][Transformationsforschung]“, bemängelt Klaus
       Dörre von der Uni Jena. „Wir befinden uns in einer ökonomisch-ökologischen
       Zangenkrise“, stellte der Soziologe diese Woche bei einer Diskussion über
       die Rolle der Geistes- und Sozialwissenschaften in der geplanten
       Zukunftsstrategie fest.
       
       Laut Dörre, der in Jena auch geschäftsführender Direktor des Kollegs
       Postwachstumsgesellschaften der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ist,
       hat die mit der Energiewende einhergehende [2][Dekarbonisierung] inzwischen
       „das Herz der europäischen Industrie“ erreicht. Es handele sich um den
       tiefsten Einschnitt in die technischen Grundlagen der kapitalistischen
       Wirtschaftsweise seit Beginn der Industrialisierung.
       
       Diesem Systemwechsel könne die deutsche Forschung aber nicht adäquat
       folgen, weil sie selber unter einem Systemdefekt leide: 80 Prozent der
       wissenschaftlichen Stellen werden nur befristet vergeben. Langfristigkeit
       wird strukturell verhindert.
       
       Eine breiter angelegte, interdisziplinäre Transformationsforschung, wie sie
       Dörre vorschwebt, würde von der Problemdiagnose über die Entwicklung von
       Alternativen bis hin zur Bewältigung der Folgen reichen. „Am ehesten gibt
       es so was noch in der DFG“, sagte der Soziologe. „Aber schon gar nicht in
       der Ministeriumsforschung.“
       
       ## Weichen falsch gestellt
       
       An dieser Stelle sollten in der [3][„Zukunftsstrategie Forschung und
       Innovation“], die derzeit vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
       (BMBF) erarbeitet wird, die Weichen anders gestellt werden. Hintergrund ist
       das sechste „Zukunftsfeld“ im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung, die in
       den Bereichen „gesellschaftliche Resilienz, Geschlechtergerechtigkeit,
       Zusammenhalt, Demokratie und Frieden“ wissenschaftlich mehr tun möchte. Wie
       die Grünen-Diskussion zeigte, ist der Handlungsbedarf groß.
       
       Der Politikwissenschaftler Lorenz Narku Laing hat seit Kurzem an der
       Evangelischen Fachhochschule Bochum die erste Professur für
       Rassismusforschung inne. Auch wenn Rassismus, die gruppenbezogene
       Menschenfeindlichkeit, in Deutschland eine Realität sei, werde sie in der
       akademischen Lehre nicht abgebildet, kritisierte Laing. Er plädiert dafür,
       den Aspekt der „Diversität“ künftig als Kriterium für die Vergabe von
       Forschungsmitteln und Stellen einzuführen.
       
       Ihren Abschluss findet die Reihe zur Zukunftsstrategie am kommenden
       Mittwoch, 21. 9., mit Abgeordneten und Forschern in der Landesvertretung
       Baden-Württemberg in Berlin. Die deutschen Wissenschaftsorganisationen
       haben sich mit eigenen Events noch nicht in die Debatte um die Zukunft der
       deutschen Forschung eingebracht. Mangel an Langfristigkeit eben.
       
       17 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Frankfurt-Oder-hat-gute-Chancen/!5780475
   DIR [2] /Transformationsforscher-zum-Klimawandel/!5857747
   DIR [3] /Forschungspolitik-der-Ampel/!5876774
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Manfred Ronzheimer
       
       ## TAGS
       
   DIR Forschung
   DIR Innovation
   DIR Transformation
   DIR Wachstum
   DIR Resilienz
   DIR Forschungspolitik
   DIR Forschung
   DIR Forschung
   DIR Forschungspolitik
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kritik an deutscher Innovationspolitik: Schneller und mutiger erneuern
       
       Ein OECD-Gutachten kritisiert die deutsche Innovationsstrategie. Es
       empfiehlt, ein „Experimentallabor für Innovationen“ einzurichten.
       
   DIR Forschungspolitik der Ampel: Ein Rätsel namens Zukunftsstrategie
       
       Viele warten darauf, dass die Forschungsministerin einen Plan für die
       künftige Forschungs- und Innovationspolitik vorlegt. Kommt er nun im
       Herbst?
       
   DIR Strategie für Forschung: Auf in die Zukunft
       
       Das BMBF arbeitet an einer „Zukunftsstrategie“ für Forschung und
       Innovation. Welche Alternativentwürfe hat die Zivilgesellschaft?
       
   DIR Deutschlands Innovationspolitik: Drohender Abstieg in der Forschung
       
       Die Expertenkommission Forschung und Innovation warnt vor einer abnehmenden
       Konkurrenzfähigkeit Deutschlands bei zentralen Schlüsseltechnologien.