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       # taz.de -- Hochschulpolizei in Griechenland: Proteste gegen Cops auf dem Campus
       
       > Polizisten durften in Griechenland bis 2019 keine Unis betreten. Jetzt
       > will die Regierung sogar eine Campuspolizei schaffen.
       
   IMG Bild: Nicht einschüchtern lassen: Demonstration gegen Polizeigewalt an griechischen Unis im Mai 2022
       
       Athen taz | Es ist ungewohnt ruhig an diesem Samstagmittag im Park am
       Klafthmonosplatz: Vögel zwitschern, eine Frau sitzt etwas abseits und
       liest, nur die ab und zu vorbeisausenden Mopeds erinnern daran, dass der
       Platz mitten in Athen liegt. Hier, unweit der Juristischen Fakultät der
       Nationalen Universität, haben der Biologiestudent Iosif T. und die
       Medizinstudentin Dimitra P. auf einer Parkbank Platz genommen.
       
       Die beiden regt ein Thema ganz besonders auf: [1][die Hochschulpolizei, die
       nach den Plänen der griechischen Regierung] bald auch an ihrer Uni, der
       Nationalen und Kapodistria-Universität Athen, patrouillieren wird. Iosif
       und Dimitra gehören linken Studierendenorganisationen an und haben in den
       vergangenen Monaten immer wieder gegen Polizeipräsenz an der Uni
       protestiert. Seit Bekanntwerden der Pläne vor mehr als einem Jahr gehen
       landesweit regelmäßig Tausende Studierende auf die Straße.
       
       Die auf Hochschulen spezialisierten Polizeieinheiten sollen zum Schutz der
       Studierenden und des Lehrpersonals eingesetzt werden. So rechtfertigt
       zumindest die Regierung unter dem konservativen Ministerpräsidenten
       Kyriakos Mitsotakis die Pläne. Der 22-jährige Iosif glaubt nicht daran. Die
       Polizei, dein Freund und Helfer? „Nicht in Griechenland“, meint er. „Das
       sage ich nicht einfach so, das habe ich schon oft erlebt.“
       
       Regelmäßig werde er von der Polizei angehalten, nach seinem Ausweis gefragt
       und als illegaler Einwanderer beschimpft, weil sein Hautton etwas dunkler
       sei. Und wenn die Polizisten bei der Durchsuchung seines Rucksacks auch
       noch linke Literatur finden, bekomme er spöttische Kommentare zu hören.
       „Wie soll ich mich mit solchen Erfahrungen durch eine Hochschulpolizei
       sicher fühlen?“
       
       ## Regierung will mehr Überwachung an Unis
       
       Seine Freundin Dimitra sagt, als junge Frau habe sie keine vergleichbaren
       Erfahrungen gemacht. Doch auch sie ist überzeugt, dass die Regierung mit
       der Hochschulpolizei weiterreichende Ziele verfolgt. Das zeige das
       Gesamtpaket, das vergangenes Jahr durchs Parlament ging und nun umgesetzt
       wird: „Das Gesetz sieht nicht nur Polizisten an den Unis vor, sondern auch
       Überwachungskameras, Einlasskontrollen und Drehkreuze“, erklärt die
       23-Jährige.
       
       „Ich glaube, sie tun das, um uns Studierende einzuschüchtern, sodass wir
       uns nicht mehr gegen die Regierungspolitik auflehnen.“ Schließlich seien
       die Studierenden in Griechenland eine der politisch aktivsten
       Bevölkerungsgruppen. „Genau das wollen sie bekämpfen“, meint Dimitra.
       
       ## Erbe der Studentenrevolte von 1973
       
       Dieser Kampfgeist ist ein Erbe der großen griechischen Studierendenproteste
       der 1970er Jahre, mit dem die konservative Regierungspartei Nea Dimokratia
       nur bedingt umgehen kann. Als unter der griechischen Militärjunta die
       Bevölkerung unterdrückt wurde, lehnten sich die Studierenden – beeinflusst
       von der weltweiten Studentenbewegung dieser Zeit – gegen die Diktatur auf.
       
       Höhepunkt der Proteste war die Besetzung des Athener Polytechnio, der
       Polytechnischen Hochschule im Herbst 1973. In der Nacht zum 17. November
       durchbrach ein Panzer das Eingangstor zur Hochschule, die Proteste wurden
       blutig niedergeschlagen, 24 Menschen wurden von Scharfschützen rund um das
       Hochschulgebäude getötet.
       
       Die sozialistische Pasok-Regierung erklärte 1981 den Tag der „Revolte des
       Polytechnio“ zum Nationalfeiertag. Das Datum ist auch heute noch vor allem
       für linke und sozialistische Parteien sowie Gewerkschaften ein [2][Anlass
       für Demonstrationen]. Konservative Parteien hingegen konnten sich nie mit
       dem Feiertag anfreunden. Als im vergangenen November zwei Abgeordnete der
       Nea Dimokratia ausnahmsweise an der traditionellen Kranzniederlegung
       teilnehmen wollten, wurden sie von linken Gruppierungen daran gehindert.
       
       ## Übergriffe gegen konservative Studierende?
       
       Das sei nur ein Beispiel für die Situation an den griechischen Hochschulen,
       beklagen Vertreter der DAP-NDFK, der Jugendpartei der Nea Dimokratia. Immer
       wieder würden Studierende, die der konservativen Regierungspartei
       nahestehen, von linksradikalen oder autonomen Gruppierungen angegriffen und
       sogar geschlagen, sagt die Sprecherin der Organisation, Katerina Koronia.
       So ein Angriff habe erst vor Kurzem an der Juristischen Fakultät der
       Universität Athen stattgefunden. Eine Studentin der DAP-NDFK habe deshalb
       ins Krankenhaus gebracht werden müssen.
       
       Die griechische Bildungsministerin Niki Kerameos verspricht, solche
       Vorfälle in Zukunft zu verhindern, ebenso wie den Drogenhandel und den
       Vandalismus. Dafür werde die Hochschulpolizei sorgen, so Kerameos. Zusammen
       mit anderen Maßnahmen – etwa der Abschaffung des Hochschulasyls – würden
       die Hochschulen wieder sicherer.
       
       Tatsächlich durfte die griechische Polizei bis 2019 den Campus einer
       Universität nur unter sehr strengen Bedingungen betreten: wenn eine schwere
       Straftat im Gange war und der Hochschulrektor sein Einverständnis gegeben
       hatte. Wegen der Studierendenrevolte von 1973 und ihres blutigen Ausgangs
       wurde diese Regelung lange Zeit nicht infrage gestellt.
       
       ## Unis als Zufluchtsorte von Randalierern
       
       Davon profitierten auch Gruppen, die nichts mit dem Hochschulleben zu tun
       hatten, etwa Randalierende, die sich nach Straßenschlachten mit der Polizei
       in den Hochschulgebäuden der Athener Innenstadt verbarrikadierten, so der
       Festnahme entkamen und oft die Einrichtung der Hochschulen beschädigten.
       
       Als die Nea Dimokratia 2019 an die Macht kam, schaffte sie dieses
       sogenannte Hochschulasyl umgehend ab. Dass die Universitäten dadurch
       sicherer geworden seien, wie die Regierung versprochen hat, bezweifeln
       jedoch viele. Erst kürzlich wurden durch einen Polizeieinsatz an der
       Aristoteles-Universität Thessaloniki mehrere Studierende verletzt.
       
       Die neuen Hochschulpolizisten hingegen seien „eine Spezialeinheit nur für
       die Unis, mit einer speziellen Ausbildung und ohne Schusswaffen, aber mit
       allen anderen Schutzmaßnahmen, die ein Polizist bei sich trägt“, sagt die
       Bildungsministerin Kerameos. Die ersten 400 hätten ihre viermonatige
       Ausbildung schon absolviert und seien nun einsatzbereit.
       
       ## Verwaltungsgericht gibt grünes Licht für Regierungspläne
       
       Die Oppositionsparteien Syriza (Linke), die Sozialisten (Pasok/Kinal) und
       die Kommunistische Partei (KKE) hatten im Parlament gegen die
       Hochschulpolizei gestimmt und diese als verfassungswidrig eingestuft. Das
       oberste griechische Verwaltungsgericht gab nun jedoch grünes Licht für die
       Pläne. Mitte Mai lehnte es zwei Sammelklagen gegen die Hochschulpolizei ab.
       In der Begründung heißt es, dass die Polizei an den Unis nicht gegen das
       verfassungsrechtliche Prinzip der Selbstverwaltung der Universitäten
       verstößt.
       
       Geklagt hatten Hochschulprofessorinnen und -professoren,
       Verwaltungspersonal und Studierende. Unter ihnen auch der Politikprofessor
       Dimitris Christopoulos, der an der Athener Pandeion-Universität lehrt. Das
       Urteil wundert Christopoulos nicht: „Wie bei allen gesellschaftlich
       besonders heiklen Themen basiert diese Entscheidung der obersten Richter
       vor allem auf politischen und weniger auf juristischen Argumenten.“
       Immerhin hätten sich aber sechs Richter distanziert und die Verletzung des
       Selbstverwaltungsprinzips durch die Hochschulpolizei anerkannt.
       
       ## Ideologische Gründe für Einrichtung der Campuspolizei
       
       Der Politikprofessor sieht hinter dem Vorhaben vor allem ideologische
       Gründe. Die Regierung übertreibe bewusst mit kleineren
       Kriminalitätsproblemen an einigen Hochschulen, um die Notwendigkeit einer
       Hochschulpolizei begründen zu können. Auch die Auseinandersetzungen
       zwischen verschiedenen politischen Gruppen seien eher eine Ausnahme und
       würden eine permanente Präsenz von Polizistinnen und Polizisten an den
       Hochschulen auf keinen Fall rechtfertigen.
       
       Die griechische Regierung hält trotzdem an ihrem Vorhaben fest. Schon im
       Juni sollen die ersten Einheiten auf dem Campus der Aristoteles-Universität
       Thessaloniki eingesetzt werden und später auch an drei Hochschulen in
       Athen. Eine davon ist die Nationale und Kapodistria-Universität, an der
       Iosif und Dimitra studieren. Sie wollen sich damit nicht abfinden und
       werden weiterhin an den Protesten gegen die Hochschulpolizei teilnehmen,
       sagen sie. Die beiden hoffen, dass die Regierung einen Rückzieher macht und
       die Hochschulpolizei so schnell wie möglich wieder abschafft.
       
       Wie wenig realistisch das ist, zeigt die Reaktion von Bildungsministerin
       Niki Kerameos auf das Urteil des obersten Gerichts: „Wir machen dynamisch
       weiter mit unserer Politik für ein modernes, sicheres Wissens-, Lehr- und
       Forschungsumfeld, das unsere Hochschulen verdienen.“
       
       26 May 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Entwurf-fuer-Hochschulgesetz/!5751108
   DIR [2] /Jahrestag-des-Studentenaufstands/!5551597
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rodothea Seralidou
       
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