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       # taz.de -- Mögliche russische Kriegsverbrechen: Tote von Butscha werden untersucht
       
       > Die Ukrainische Justiz führt tausende Verfahren wegen russischer
       > Kriegsverbrechen. Im Osten der Ukraine gab es schwere Gefechte.
       
   IMG Bild: Trauer in Lwiw: Am Samstag trauern Angehörige um zwei im Krieg getötete Männer aus der Ukraine
       
       Berlin taz | Im ukrainischen Butscha haben die offiziellen Untersuchungen
       der nach dem Rückzug Russlands aufgefundenen Toten begonnen. Seit Freitag
       ist ein Team von Forensikern und Ermittlern aus Kiew dabei, aus einem
       provisorischen Massengrab in Butscha Leichen zu exhumieren, ihren Zustand
       zu dokumentieren und ihre mutmaßliche Identität und die Todesursache
       festzustellen, bevor die Körper in frische Leichensäcke gelegt werden.
       
       „Die Teams von Anklägern, Ermittlern und Experten unter Koordination der
       Generalstaatsanwältin der Ukraine dokumentieren in Butscha, Borodianka,
       Irpin und Hostomel jedes Kriegsverbrechen der Besatzer“, erklärte
       Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa auf Twitter. „Wir haben schon über
       100 Seiten von Daten über die Besatzer in Butscha. Unsere Aufgabe ist es,
       alle zu identifizieren, die an den Massakern beteiligt waren.“
       
       Am Freitag wurden 18 Leichen untersucht, bis schwerer Regen eine
       Unterbrechung erzwang, berichtet die britische Sonntagszeitung „Observer“.
       Einem Mann fehlte ein Großteil des Schädels, ein anderer war offenbar
       geköpft worden. Eine Leiche war so verbrannt, dass die untere Hälfte
       fehlte. Die Untersuchungen wurden am Wochenende fortgesetzt.
       
       Während die Ermittlungsarbeiten vorangehen, werden in weiteren von der
       Ukraine zurückeroberten Orten immer weitere Leichen gefunden. Am Samstag
       wurde nach Behördenangaben ein Massengrab mit Dutzenden toten Zivilisten im
       Dorf Busowa entdeckt. Die Leichen hätten in einem Graben in der Nähe einer
       Tankstelle gelegen, sagte Taras Didytsch, Vorsteher der Gemeinde Dmytriwka,
       zu der Busowa und weitere umliegende Dörfer gehören, dem ukrainischen
       Fernsehen. Um wie viele Tote es sich handele, sei noch nicht klar. Busowa
       stand wochenlang unter russischer Besatzung.
       
       ## Kiew: 1.200 tote Zivilisten
       
       Bis Sonntagnachmittag hatte die Zahl der aufgefundenen getöteten Zivilisten
       in den von der Ukraine zurückeroberten Vorstädten von Kiew nach Angaben von
       Generalstaatsanwältin Wenediktowa 1.200 erreicht. Die Ukraine hat
       Ermittlungen zu [1][5.600 mutmaßlichen Kriegsverbrechen] gegen 500
       Verdächtige aus den Reihen des russischen Militärs und der Regierung in
       Moskau eingeleitet, unter ihnen Kremlchef Wladimir Putin, sagte sie.
       
       In Zusammenhang mit diesen Verbrechen spricht die Regierung der Ukraine von
       „Völkermord“. Es wird erwartet, dass Präsident Wolodymyr Selenski dies
       bekräftigt, wenn er am Dienstag vor dem UN-Sicherheitsrat spricht und
       schärfere weltweite Maßnahmen gegen Russland fordert. Selenski empfing am
       Samstag den britischen Premierminister Boris Johnson in Kiew – der erste
       Besuch eines Regierungschefs eines ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieds
       seit Kriegsbeginn.
       
       Am Sonntag untersagte die Ukraine alle Einfuhren aus Russland. „Heute haben
       wir offiziell die vollständige Einstellung des Warenhandels mit dem
       Angreiferstaat verkündet“, schreibt Wirtschaftsministerin Julia Swyrydenko
       auf ihrer Facebook-Seite.
       
       Die lang erwartete russische Großoffensive im Osten der Ukraine, um den
       gesamten Donbass zu erobern, lässt derweil noch auf sich warten. Statt
       größerer Vorstöße mit Bodentruppen kommt es zu intensiven Luft- und
       Raketenangriffen. So wurden in der Stadt Siewierodonezk im Distrikt Luhansk
       nach Behördenangaben eine Schule und ein Wohnhochhaus beschossen. Russische
       Truppen hätten 66 Artillerieangriffe in mehreren Gebieten ausgeführt,
       schrieb der Gouverneur von Charkiw, Oleh Synjehubow, auf Facebook. „Wie Sie
       sehen können, ‚kämpft‘ die russische Armee weiterhin mit der
       Zivilbevölkerung, weil sie an der Front keine Siege errungen hat.“
       
       ## Weitere Raketenangriffe
       
       Bereits am Freitag waren bei dem russischen Beschuss des Bahnhofs von
       Kramatorsk – Hauptstadt des ukrainisch kontrollierten Teils des
       Donbass-Distrikts Donezk – 52 Menschen umgekommen, darunter Kinder und
       andere Angehörige von Familien, die sich zur Flucht in sicherere
       Landesteile versammelt hatten.
       
       Am Sonntag meldeten die Behörden der Millionenstadt Dnipro im Zentrum der
       Ukraine, der Flughafen und die umliegende Infrastruktur seien durch
       Raketenbeschuss „vollständig zerstört“ worden. „Neuer Angriff auf den
       Flughafen von Dnipro“, teilte Gouverneur Valentin Resnitschenko auf
       Telegram mit. „Es ist nichts übrig geblieben.“ Die Angriffe dauerten noch
       an: „Die Raketen fliegen und fliegen.“
       
       Westliche Militär- und Geheimdienstquellen bezweifeln, dass Russlands Armee
       nach der [2][Niederlage in der Schlacht um Kiew] kurzfristig zu einer neuen
       Offensive in der Ostukraine in der Lage ist. Es dürfte Monate dauern, bis
       Russland die im bisherigen Kriegsverlauf aufgeriebenen Kampfverbände wieder
       so weit rekonstituiert hätten, dass sie wieder wirksam eingesetzt werden
       könnten, schreibt das Institute for the Study of War in den USA in seinem
       neuesten Tagesbericht vom Samstagabend.
       
       Viele neu zusammengestellte Kampfeinheiten zum Einsatz im Donbass seien aus
       Resten bereits besiegter Einheiten „zusammengewürfelt“ und damit praktisch
       unbrauchbar. Die US-Experten verweisen auch auf vermehrte Berichte, dass
       russische Soldaten sich weigern, im Donbass eingesetzt zu werden.
       
       10 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
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