# taz.de -- Russische Mitglieder bleiben im IOC: Drinnen und draußen
> Das Internationale Olympische Komitee hat beschlossen: Sportler werden
> bestraft und ausgeschlossen. Funktionäre dürfen weitermachen.
IMG Bild: Thomas Bach (l.) und Wladimir Putin bei der Eröffnung der Winterspiele in Sotschi 2014
Das IOC ist witzig, und vielleicht lacht es in einem ruhigen Moment
herzlich über seine eigenen Doppelstandards. Das Komitee lässt über ein
Mitglied, den Schweizer Denis Oswald, mitteilen, dass es aus guten Gründen
Russen von internationalen Wettkämpfen [1][auszuschließen] empfiehlt. Im
gleichen Atemzug sagt der Herr Oswald aber auch: „Wir haben bisher noch nie
ein Mitglied aus politischen Gründen ausgeschlossen. Um das zu verstehen,
muss man auch wissen: IOC-Mitglieder vertreten nicht ihr Land im IOC,
sondern das IOC in ihrem Land.“
Zwei Russen bleiben trotz des IOC-Verdikts unangetastet im Komitee: die
putineske ehemalige Stabhochspringerin Jelena Gadschijewna Issinbajewa und
der nicht weniger staatstragende Funktionär Schamil Anwjarowitsch
Tarpischtschew. Issinbajewa bewundert das einsatzfreudige russische
Militär, wohl nicht nur in Syrien: „Jeder Start eines Jets war wie ein
Wiegenlied für uns, auf das wir warteten, um einschlafen zu können.“
Tarpischtschew hat sich für seine Systemtreue gleich zweimal den
Verdienstorden für das Vaterland umhängen lassen.
Das Zeichen, das das IOC aussendet, ist fatal. Während die olympischen
Eliten ungeschoren davonkommen, werden russische Athleten mit einer
Kollektivstrafe belegt. Wie der einzelne Sportler zum Angriffskrieg seines
Landes in der Ukraine steht, ist bei so einem Vorgehen unerheblich. Er
könnte Pazifist und heimlicher Opponent sein, egal, er wird als
Kontaktschuldiger haftbar gemacht. Seine Staatsbürgerschaft macht ihn zum
Staatstäter, selbst öffentliche Distanzierung könnte ihn nicht erlösen,
wenn diese Versippung von Schuld ernst gemeint ist. Wie man in dieser Causa
im IOC zu unterschiedlichen Bewertungen kommen kann, ist rätselhaft.
Vertreten die Sportler vorzugsweise die FSB-Mafia im Kreml, und sind sie
deshalb als passive Vermittler einer kriegerischen Doktrin zu ächten,
während die beiden Topfunktionäre als Vertreter des reinen Sports ihre
Zugangsberichtigungen für den Olymp behalten dürfen?
## Es richtet sich auch gegen kritische Sportler
Diese besondere Behandlung springt jedem ins Auge, der sie sehen möchte.
Doch das ist nur das auffälligste Symptom der IOC-Entscheidung. Das Komitee
gibt im Grunde auch einen wichtigen liberalen Ansatz auf: ein Abwehrrecht
des einzelnen Sportlers gegen Instrumentalisierung von oben. Wer nach
politischer Willkür mit in den Strudel eines Olympiaboykotts gezogen wurde,
der durfte als neutraler Einzelstarter trotzdem an den Olympischen Spielen
teilnehmen.
Das IOC öffnete diese Tür nach den harten [2][sportpolitischen Kämpfen] in
den achtziger Jahren. Es stärkte die Rechte des Individuums, das sich so
staatlichen Vorgaben, dem Olympiaboykott, entziehen konnte. Warum geht das
in einem durchaus vergleichbaren Fall nicht mehr? Weil das IOC die Zeichen
der Zeit erkannt hat und einem moralisierenden Kollektivismus das Wort
redet?
Doch zurück zu unserem Herrn Oswald: Es ist ja nicht so gewesen, dass das
IOC noch nie Mitglieder ausgeschlossen hätte. Was haben wohl Charles
Mukora, Agustin Arroyo, Bashir Mohamed Attarabulsi und Pirjo Haeggman,
David Sikhulumi Sibandze, Sergio Santander Fantini und Jean-Claude Ganga,
Zein El Abdin Ahmed Abdel Gadir, Lamine Keita, Seiuli Paul Wallwork, Rene
Essomba, Mohamad Bob Hasan, Ruben Acosta, Iwan Slawkow, Un Yong Kim,
Yoshiaki Tsutsumi, Guy Drut und Yong-Sung Park gemeinsam? Sie mussten das
IOC verlassen – oder kamen der Entscheidung zuvor. Sie waren zumeist der
Korruption verdächtig. Es war die klassische Gier nach Geld und Vorteil,
nicht jene moralische Korruption, die nun sehr unterschiedlich gewichtet
wird.
21 Apr 2022
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## AUTOREN
DIR Markus Völker
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