URI:
       # taz.de -- Kiffer in Bremen häufiger in Behandlung: Macht nicht nur breit
       
       > Die Zahl der Cannabis-Konsument:innen mit Psychosen nahm in der
       > Hansestadt zu. Ein kausaler Zusammenhang ist aber nicht bewiesen.
       
   IMG Bild: Kann Psychosen auslösen: übermäßiger Cannabis-Konsum
       
       Bremen taz | Immer mehr Kiffer:innen werden in Bremen wegen psychischer
       Störungen oder sogar Psychosen in einem Krankenhaus behandelt. Das geht aus
       einer [1][Antwort der rot-grün-roten Landesregierung] auf eine Anfrage der
       CDU hervor. Die Zahlen beziehen sich auf die letzten zehn Jahre.
       
       2010 wurden demnach 66 Menschen aufgrund von „psychischen oder
       Verhaltensstörungen durch Cannabinoide“ in einer Klinik aufgenommen – zu
       dieser Diagnose zählen aber auch reine Entgiftungsbehandlungen. Neun von
       ihnen mussten wegen einer psychotischen Störung behandelt werden, also etwa
       jede:r Siebte.
       
       2020 traf das auf jede dritte Einweisung zu; in dem Jahr gab es insgesamt
       163. Ein Höchstwert, aber kein Ausreißer: Seit 2014 lag die Zahl der
       Klinikeinweisungen in jedem Jahr bei über 150.
       
       In dem für Cannabis-Entzug zuständigen Ameos-Klinikum Bremen liegt die Zahl
       derer, die allein wegen Cannabis entgiftet werden mussten, in den letzten
       zehn Jahren allerdings bei „unter einem Prozent“, verglichen mit allen
       Entzugsbehandlungen in dieser Klinik. Die frühere Beobachtung, dass es
       allein durch einen höheren Gehalt an berauschendem THC im Cannabis vermehrt
       zu psychoseähnlichen Rauschzuständen komme, sei dort aktuell „nicht
       klinisch relevant“, schreibt der Senat. Bei Fällen von akuter Psychose sei
       „fast immer“ Kokain mit im Spiel, manchmal aber auch ein aufputschendes
       Amphetamin.
       
       ## Täglicher Konsum kann Psychosen auslösen
       
       Eine [2][neuere Studie] zeigt jedoch, dass der tägliche Konsum von Cannabis
       „in einem deutlichen Zusammenhang“ mit dem Risiko steht, eine Psychose zu
       entwickeln. Das gilt vor allem dann, wenn das Cannabis besonders viel THC
       enthält. Solches kann man eher in Amsterdam oder London kaufen.
       
       In London hatten der Studie zufolge drei von zehn Psychotiker:innen
       täglich Cannabis konsumiert, in Amsterdam war es sogar jede:r zweite. Von
       900 untersuchten Patient:innen mit der Neudiagnose Psychose konsumierte
       fast jede:r Dritte den Stoff täglich, und etwa genauso viel hatten schon
       mal Cannabis mit hohem THC-Gehalt genommen.
       
       Helfen könnte den Wissenschaftler:innen zufolge, nur noch niedrig
       konzentriertes Cannabis mit einem THC-Gehalt von unter zehn Prozent zu
       verkaufen. In Amsterdam enthalte es heute bis zu 67 Prozent.
       
       Ein kausaler Zusammenhang zwischen Cannabis und Psychosen sei aber „immer
       noch nicht zweifelsfrei nachgewiesen“, schreiben die Autor:innen dieser
       Studie. Denn möglicherweise greifen auch einfach mehr Menschen mit Neigung
       zu Psychosen zum Joint.
       
       Als gesundheitsgefährdend gilt Cannabis vor allem für Jugendliche, deren
       Hirnentwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Wer schon kifft, ehe er 16
       ist, hat ein höheres Risiko, später eine Angststörung oder Depressionen zu
       entwickeln.
       
       Im Land Bremen hatten laut einer Umfrage unter Schüler:innen im Jahrgang
       2016/17 elf Prozent aller Befragten im Alter zwischen 14 und 17 Jahren in
       den vergangenen 30 Tagen Cannabis konsumiert. Neuere Zahlen werden für
       Mitte dieses Jahres erwartet. Und etwa ein Viertel aller Erwachsenen in
       Deutschland hat schon mal gekifft, sagt der Bremer Senat mit Verweis auf
       Befragungen.
       
       ## Erfolgloses Modellprojekt der kontrollierten Abgabe
       
       „Gemessen an der beträchtlichen Zahl der Konsumierenden“ sei die Zahl der
       durch Cannabis hervorgerufenen Störungen aber „relativ gering“, stellt der
       Bremer Senat klar. Für sogenannte „Drogentote“ sei Cannabis ohnedies nicht
       verantwortlich, auch wenn deren Zahl im Bremen von 17 (2016) auf 41 (2020)
       angestiegen war – mit einer Verdopplung im ersten Pandemiejahr.
       
       Rot-Grün-Rot hatte zuletzt 2020 erfolglos ein [3][Modellprojekt] für die
       kontrollierte Abgabe von Cannabis beschlossen. Die zuständige Bundesbehörde
       genehmigte dieses jedoch nicht. Die neuen Pläne der Ampelregierung in
       Berlin bewertet man in Bremen deshalb „positiv“. Im [4][Koalitionsvertrag]
       von SPD, Grünen und FDP steht dazu: „Wir führen die kontrollierte Abgabe
       von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften
       ein.“ Die Details sind aber noch offen.
       
       12 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.senatspressestelle.bremen.de/sixcms/media.php/13/20220201_KA_Abgabe%20von%20Cannabis.pdf
   DIR [2] https://www.pharmazeutische-zeitung.de/hoehere-psychose-rate-bei-taeglichem-cannabis-konsum/
   DIR [3] /Vorstoss-zur-Cannabis-Legalisierung/!5688183
   DIR [4] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Zier
       
       ## TAGS
       
   DIR Bremen
   DIR Senat Bremen
   DIR Cannabis
   DIR Psychosen
   DIR Drogenkonsum
   DIR Drogenkonsum
   DIR Cannabis
   DIR Cannabis
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Legalisierung von Cannabis: Ende der Kriminalisierung?
       
       Cannabis und der Führerschein: seit Jahren ein Streitthema. Bringt die von
       der Ampel angekündigte Legalisierung des Suchtmittels Erleichterungen?
       
   DIR Wissenschaftliche Forschung zu Cannabis: Schlechte Datenlage
       
       Trotz seiner weiten Verbreitung sind viele Aspekte von Cannabis immer noch
       nicht gut erforscht. Seine Legalisierung würde das ändern.
       
   DIR Gegen die Illegalisierung von Cannabis: Richter Müller will Kiffern helfen
       
       Ist die Kriminalisierung von Cannabis verfassungswidrig? Bernauer
       Strafrichter wendet sich an das Bundesverfassungsgericht.