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       # taz.de -- Einigung im Missbrauchsprozess: Rausgekauft!
       
       > Der britische Prinz Andrew hat sich außergerichtlich mit Virginia Giuffre
       > geeinigt. Von vielen wird das als Erfolg gefeiert – aber ein Erfolg für
       > wen?
       
   IMG Bild: Hat tief in die Tasche gegriffen, um nicht unter Eid aussagen zu müssen: Prinz Andrew
       
       Bevor der Missbrauchsprozess gegen [1][den britischen Prinz Andrew]
       überhaupt starten konnte, ist er schon wieder vom Tisch. Statt monatelanger
       Verhandlungen im Scheinwerferlicht soll auf einmal alles schnell und
       diskret abgewickelt werden. Am Dienstag wurde durch ein Gerichtsdokument
       bekannt, dass sich der Angeklagte und die US-amerikanische Klägerin
       Virginia Giuffre außergerichtlich geeinigt haben.
       
       Um welche Summe es dabei geht, darüber soll geschwiegen werden. Andrew soll
       aber eine „bedeutende Spende“ an eine von Giuffre gegründete Organisation
       für Missbrauchsopfer geben. Dass Giuffre auch privat Geld bekommt, gilt als
       unumstritten. Dreißig Tage hat der Sohn von Queen Elizabeth II. Zeit für
       die Zahlung. Falls das Gericht die Einigung annimmt, wird es keinen
       Zivilprozess geben.
       
       Giuffre hatte den Prinzen zuvor beschuldigt, sie 2001 im Alter von 17
       Jahren mehrfach sexuell missbraucht zu haben. Sie sei vom Investmentbanker
       Jeffrey Epstein, der jahrelang einen Missbrauchsring betrieb, und
       [2][seiner Ex-Partnerin Ghislaine Maxwell] dazu gezwungen worden. Andrew
       hatte die Vorwürfe stets strikt zurückgewiesen und behauptet, er könne sich
       nicht daran erinnern, Giuffre jemals getroffen zu haben.
       
       Im März hätten Andrew und Giuffre unter Eid aussagen sollen. Im Herbst
       hätte der Prozess dann in New York stattgefunden. Dazu wird es vermutlich
       nicht mehr kommen. Und das scheint viele zu freuen. Die außergerichtliche
       Einigung wird von verschiedenen Seiten als Erfolg gefeiert.
       
       ## Störfaktor für Queen
       
       Für Andrew selbst ist es vermutlich der bestmögliche Ausgang: Er erspart
       sich einen unangenehmen Prozess, in dem unter der Aufmerksamkeit der
       Weltöffentlichkeit jedes Detail der Missbrauchsvorwürfe verhandelt worden
       wäre. Schon 2019 hatte Andrew nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe und
       seiner Verbindungen zu Epstein seine royalen Pflichten abgelegt und sich
       weitestgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
       
       Anfang diesen Jahres hatte er schließlich [3][alle militärischen
       Dienstgrade] und royalen Schirmherrschaften zurückgegeben. Rehabilitiert
       ist Prinz Andrew sicher nicht mit dieser Einigung, aber immerhin musste er
       durch den Vergleich kein Schuldeingeständnis abliefern.
       
       Der Buckingham Palace äußert sich bislang nicht zu der Einigung. Doch in
       der britischen Presse wird sie auch als ein Erfolg für die Königsfamilie
       gelesen, gab es doch Befürchtungen, der Prozess könne die Feierlichkeiten
       zum 70-jährigen Thronjubiläum der Queen im Sommer überschatten.
       
       ## Als Sieg verbucht
       
       Auch die gegnerische Seite jubiliert. Virginia Giuffres Anwält*innen
       zeigen sich zufrieden, sie selbst erhält den Schadensersatz, für den sie
       lange gekämpft hat. Britische Boulevardmedien schreiben, es ginge insgesamt
       um Zahlungen in Höhe von 12 Millionen Pfund. Zudem umgeht sie mit der
       Einigung einen Prozess, der für sie sicherlich schmerzhaft und
       retraumatisierend gewesen wäre.
       
       Und Lisa Bloom, US-amerikanische Anwältin von acht Missbrauchsopfern
       Epsteins, kommentierte [4][bei Twitter]: „Wir begrüßen den heutigen Sieg
       von Virginia. Sie hat geschafft, was sonst niemand geschafft hat: Prinz
       Andrew dazu zu bringen, seinen Unsinn zu beenden und sich auf die Seite der
       Opfer sexuellen Missbrauchs zu stellen.“ Ist die außergerichtliche Einigung
       also ein Sieg in alle Richtungen? So einfach ist es nicht. Auch wenn es auf
       individueller Ebene verständlich ist, wieso sowohl Giufrre als auch Andrew
       dem Vergleich zugestimmt haben, bleibt die Frage, was solche Entscheidungen
       gesellschaftlich bedeuten. Was es für ein Justizsystem und für Betroffene
       sexualisierter Gewalt heißt, wenn Menschen mit viel Geld sich freikaufen
       können, wenn ihnen Missbrauch von Minderjährigen vorgeworfen wird.
       
       Außergerichtliche Einigungen sind keine Seltenheit, doch als juristisches
       Mittel bei Vorwürfen sexualisierter Gewalt durchaus kritisch zu sehen. Dass
       Prinz Andrew vermutlich einen Betrag in Millionenhöhe an einen Opferverband
       spenden muss, ist zu begrüßen. Organisationen dieser Art sind für
       Betroffene unerlässlich und in der Regel chronisch unterfinanziert.
       
       ## Vorerst ein Schlussstrich
       
       Dass diese also von Täter*innen mitfinanziert werden, ist eine gute
       Idee. Andrew hat sich außerdem erstmalig von Jeffrey Epstein distanziert
       und Giuffres Schmerz anerkannt. Genauer hieß es: „Prinz Andrew hatte nie
       die Absicht, Frau Giuffre zu verleumden, und er akzeptiert, dass sie sowohl
       als Opfer von Missbrauch als auch als Folge unfairer öffentlicher Angriffe
       gelitten hat.“ Zudem stimmte er zu, sich künftig gegen Sexhandel und für
       Missbrauchsopfer einzusetzen.
       
       All das sind Mittel, die in den USA unter restorative justice
       (wiedergutmachende Gerechtigkeit) fallen. Ein Ansatz, der in Deutschland
       mit dem Täter-Opfer-Ausgleich vergleichbar ist und statt Bestrafung auf
       Wiedergutmachung als Dienst an der Gesellschaft setzt. Doch eigentlich
       steht dies am Ende eines Prozesses und nach einem Schuldeingeständnis. Zwei
       entscheidende Dinge, die im Fall von Prinz Andrew fehlen.
       
       Dabei wäre dieser Prozess wichtig gewesen. Als Teil des Missbrauchsring von
       Jeffrey Epstein, bei dem mindestens 100 meist junge Frauen betroffen waren,
       hätte er neue Erkenntnisse und Mitwisser:innen liefern können. Selbst
       nach der [5][Verurteilung seiner Gehilfin Maxwell] sind noch viele Fragen
       offen. Stattdessen sieht es nun so aus, als gäbe es einen Schlussstrich –
       war der Fall Andrew doch das letzte große Zivilverfahren in der
       Angelegenheit. Prinz Andrew wird künftig vermutlich schweigen. Geld macht’s
       möglich.
       
       16 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Verdacht-auf-Missbrauch-Minderjaehriger/!5828153
   DIR [2] /Prozess-gegen-Epstein-Vertraute/!5820761
   DIR [3] /Missbrauchsvorwuerfe-gegen-Prinz-Andrew/!5828352
   DIR [4] https://twitter.com/LisaBloom/status/1493626073715666945?s=20&t=OdsIobYfVlSe8dHduvWcbw
   DIR [5] /Vertraute-von-Jeffrey-Epstein/!5824758
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Carolina Schwarz
       
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