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       # taz.de -- Abfallexporte in die Türkei: Die Müllkippe Europas
       
       > Seit China keinen Plastikmüll aus Europa mehr will, landet er in der
       > Türkei. Eine Studie zeigt: Dort werden die Abfälle offen verbrannt.
       
   IMG Bild: Dass Plastikabfälle, wie hier, in eine Recyclinganlage kommen, ist nicht die Regel
       
       Istanbul taz | Im Hinterland der türkischen Mittelmeermetropole Adana zeigt
       der Bauer Mustafa Sakir auf schwarze Rauchwolken, die auf seine Weiden
       zutreiben. „Dieser Ruß und Rauch ist unser Verderben. Wir ersticken daran,
       und unsere Felder werden vergiftet“, sagt Sakir der halbstaatlichen
       Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi. Die Feuer nähmen immer mehr zu. Eine
       gerade erschienene Studie von Greenpeace Türkei zeigt, dass dies kein
       subjektives Gefühl ist: Immer mehr [1][Plastikmüll wird aus der EU] in die
       Türkei exportiert und dort verbrannt.
       
       „Die Türkei“, sagt Nihan Temiz Ata von der Greenpeace Mittelmeergruppe,
       „ist zur Müllhalde Europas geworden.“ Vor allem der Großraum um Adana und
       Mersin ist durch Plastikmüll verschmutzt, den vor allem Deutschland,
       Großbritannien und die Niederlande hierher exportiert haben. Dabei ist die
       Cukorova, die Tiefebene im Hinterland von Adana, eine der fruchtbarsten
       Gegenden der Türkei.
       
       Offiziell handelt es sich um Kunststoffabfälle, die in der Türkei zu
       Plastikgranulat recycelt und für neue Produkte wiederverwertet werden. Doch
       tatsächlich landet immer mehr Nichtrecycelbares im Industriegürtel von
       Mersin bis Iskenderun. Illegal, doch deutsche Exporteure und türkische
       Importeure verdienen eine Menge Geld daran. Einmal angekommen, wird er auf
       offenen Müllkippen in der Landschaft verbrannt.
       
       [2][Vor allem seit China 2018 alle Plastikmüllimporte verboten hat] und
       Vietnam, Malaysia und Thailand nachzogen, ist die Türkei zum größten
       Abnehmer Europas geworden. Allein aus Deutschland hat sich die Müllmenge
       von 2019 auf 2020 verdoppelt: auf 136.083 Tonnen. Aus ganz Europa landeten
       2020 656.560 Tonnen Plastikmüll in der Türkei. Das ist ein Vielfaches
       dessen, was die wenigen Recyclingfirmen im Land verarbeiten könnten – wenn
       es sich um wiederverwertbare Ressourcen handeln würde.
       
       ## Dioxin im Boden
       
       Ein aktueller Greenpeace-Report zeigt die verheerenden Folgen der offenen
       Verbrennung von illegalem Plastikmüll: Das Plastik enthält krebserregende
       Stoffe, die durch die Verbrennung potenziert werden. Die Umweltorganisation
       hat an fünf Plätzen in der Provinz Proben von Erde, Wasser, Asche und
       Flussschlamm entnommen und untersuchen lassen. Die Ergebnisse übertreffen
       alle Befürchtungen: Eine der Bodenproben enthielt den höchsten je in der
       Türkei gemessenen Dioxinwert – er war 400.000-mal höher als normal.
       
       Greenpeace ermittelte in allen Proben hohe Werte von Dioxin, Furan und
       weiteren toxischen Stoffen. Dazu Schwermetalle wie Blei und andere
       Giftstoffe. Sein dürfte das alles nicht. Bereits 1995 wurde in der
       sogenannten Basler Vereinbarung international festgelegt, dass nicht
       wiederverwertbarer Plastikmüll nicht exportiert werden darf. 2019 wurde
       dieser Vertrag, den 180 Länder ratifiziert haben, noch einmal verschärft.
       
       Doch das nutzt offenbar nichts. Greenpeace fordert deshalb, den Export von
       Plastikmüll generell zu verbieten. Recycling soll in dem Land stattfinden,
       in dem der Müll anfällt. Die Müllentsorgung müsse transparent werden, so
       die Organisation, der Weg in Echtzeit zu verfolgen sein. Kontrollen gegen
       illegale Transporte müssen verstärkt werden. Auch rückwirkend brauche es
       Regelungen.
       
       In fünf türkischen Mittelmeerhäfen lagern seit einem Jahr 114
       Containerladungen mit illegalem Plastikmüll aus Deutschland, den niemand
       zurücknehmen will. Greenpeace will die Exportnationen zur Rücknahme
       illegalen Plastikmülls verpflichten und für die Reinigung verseuchter Böden
       verantwortlich machen. Nur das könne die Verlagerung des Müllproblems in
       die Länder des Südens beenden.
       
       13 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Plastikmuell-aus-Deutschland-in-die-Welt/!5824884
   DIR [2] /China-stoppt-weltweite-Muellimporte/!5462948
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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