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       # taz.de -- Gegen Korruption in Lateinamerika: Eine Chance für Honduras
       
       > Xiomara Castro wird am Sonntag Präsidentin von Honduras. Sie will die
       > Justiz reformieren – ein ehrgeiziges Projekt mit Signalwirkung für die
       > Region.
       
   IMG Bild: Strahlende Siegerin: Xiomara Castro, die neue Präsidentin von Honduras
       
       Ein gutes halbes Jahr ist die Visite von [1][Kamala Harris] in Guatemala
       her. „Kommen Sie nicht“, appellierte sie damals an die Menschen in dem Land
       oder besser in der ganzen Region. Es war ein Versuch der
       US-Vizepräsidentin, die Zahl der Menschen zu senken, die keine Perspektive
       mehr in ihrem Heimatland sehen und gehen. Kein Tag vergeht, an dem nicht
       irgendwo in Guatemala, Honduras oder El Salvador Menschen sich einer der
       Karawanen anschließen und den Weg gen Norden einschlagen – in Richtung USA.
       
       Dort hoffen sie auf die Chance, die sie zu Hause nicht haben. Denn in ihren
       Heimatländern funktioniert die Justiz nicht, und die korrupten Eliten
       interessieren sich ausschließlich dafür, immer weitere Reichtümer
       anzuhäufen. Eliten, die in Guatemala verbandelt sind mit dem Präsidenten
       Alejandro Giammattei, in Honduras mit dem aus dem Amt scheidenden Juan
       Orlando Hernández und in El Salvador, darauf deutet immer mehr hin, mit
       Nayib Bukele.
       
       Drei Länder, ein Schicksal? Könne man meinen, aber das Beispiel Honduras
       zeigt: Es geht auch anders. Da tritt am kommenden Sonntag erstmals eine
       Frau das höchste Staatsamt in der Geschichte des kleinen
       mittelamerikanischen Landes an. Honduras gilt als Inbegriff der
       „Bananenrepublik“. So wurden die Länder der Region lange abwertend genannt,
       weil sie allzu lange einseitig abhängig vom Export der Südfrüchte und vom
       US-Kapital waren und wo die Putschwahrscheinlichkeit extrem hoch war.
       
       Letzteres [2][gilt für Honduras immer noch], und Xiomara Castro hat diese
       Gefahr am eigenen Leib erlebt. 2009 wurde die damalige First Lady mit ihrem
       Mann Manuel Zelaya nachts aus dem Bett geholt, von Militärs aus dem
       Präsidentenpalast gezerrt und ins Ausland geflogen. Ein Putsch – und hinter
       den Militärs stand die Elite des Landes, also eine Handvoll Familien, die
       die 10 Millionen Menschen des Landes seit rund 200 Jahren dirigieren – in
       enger Abstimmung mit den konservativen Eliten in den USA.
       
       ## Staatsstreich mit Billigung der USA
       
       Die sahen damals ihre Pfründen durch den Sozialreformer Manuel Zelaya
       gefährdet, der den Mindestlohn angehoben und sich Ländern wie Bolivien und
       Venezuela angenähert hatte. Das reichte, um das Signal zum Staatsstreich zu
       geben, der damals vom Weißen Haus gedeckt wurde. Das belegen E-Mails von
       und aus dem Umfeld der damaligen US-Außenministerin Hillary Clinton, die
       die Enthüllungsplattform „The Intercept“ 2015 auswertete. So wurde der
       Versuch von Manuel Zelaya, Honduras demokratischer und fairer zu machen,
       über Nacht abgewürgt.
       
       Zwölf Jahre später gibt es eine zweite Chance. Xiomara Castro hat es
       geschafft, die Opposition zu einen. Sie geht diplomatisch deutlich
       geschickter vor als ihr Mann vor zwölf Jahren. Allerdings ist ihre
       Wahlallianz brüchig, wie die Wahl zweier konkurrierender
       Parlamentspräsidenten am vergangenen Sonntag nur zu deutlich zeigt.
       
       Honduras ist polarisiert, und hinter den Kulissen zieht der abgewählte
       Präsident Juan Orlando Hernández die Fäden. Das trübt die Chancen Xiomara
       Castros, das zwölf Jahre von korrupten Eliten mit engen Verbindungen zu
       Drogenkartellen regierte Land zu reformieren und zu redemokratisieren.
       
       Unterstützung aus Washington könnte helfen, das Reformprojekt Castros nicht
       gleich zu Beginn scheitern zu lassen. Dabei hofft die designierte
       Präsidentin ohnehin auf internationale Hilfe. Sie will bei den Vereinten
       Nationen um eine internationale Kommission nach dem Vorbild der
       UN-Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) bitten. Diese
       soll der von Korruption und Vetternwirtschaft durchzogenen Justiz in
       Honduras ihre Unabhängigkeit zurückbringen.
       
       ## Reform mit internationaler Expertise
       
       Die Initiative hat Symbolcharakter für die ganze Region, urteilen Analysten
       wie die guatemaltekische Menschenrechtsexpertin Claudia Samayoa oder der
       honduranische Jurist Joaquín Mejía. Es ist der intelligente Versuch,
       Reformen dank internationaler Expertise anzuschieben, die aufgrund der
       Konstellation in Generalstaatsanwaltschaft und den höchsten Gerichten wenig
       wahrscheinlich sind. Dort sind bis zum Jahresende ausgewiesene Anhänger des
       noch amtierenden Präsidenten Juan Orlando Hernández am Ruder.
       
       Die Stärkung der Justiz ist elementar, um gegen die grassierende Korruption
       vorzugehen, die auch Kamala Harris und Joe Biden als eine der zentralen
       Herausforderungen in der Region ausgemacht haben. Sie ist einer der
       Kernfaktoren, der die Auswanderung in den Norden mit dem Ziel USA anheizt.
       Durch die drei Staaten verlaufen wichtige Drogenschmuggelrouten. Lokale
       Banden, aber auch die mexikanischen Kartelle liefern sich brutale Kämpfe um
       deren Kontrolle.
       
       Bestechung von Funktionären ist dabei Usus. Auffällig war im honduranischen
       Wahlkampf, wie prall gefüllt die Kassen der Nationalen Partei waren – der
       Partei von Juan Orlando Hernández, gegen den die US-Justiz ermittelt und
       dessen Bruder „Tony“ wegen Drogendelikten in den USA lebenslang im
       Gefängnis sitzt.
       
       Hernández hat das politische System des mittelamerikanischen Landes in den
       vergangenen acht Jahren ganz auf seine Bedürfnisse und die der hinter ihm
       stehenden Eliten zugeschnitten. Dabei hat vor allem die US-Administration
       unter Ex-Präsident Donald Trump tatenlos zugesehen und auch die Belege für
       den 2017 durchgezogenen Wahlbetrug ignoriert.
       
       Sein Nachfolger Joe Biden hat zwar neue Mittelamerikainitiativen
       angekündigt und Vizepräsidentin Harris mit der Umsetzung betraut. Doch die
       lassen auf sich warten. Bei ihrer Visite in Tegucigalpa zur Vereidigung von
       Xiomara Castro hätte Kamala Harris durchaus die Chance, ein Zeichen zu
       setzen und der ersten Präsidentin des Landes den Rücken zu stärken. Die hat
       derzeit keine parlamentarische Mehrheit hinter sich, was ihre Reformagenda
       gefährdet. Deren Scheitern wäre alles andere als im Interesse der USA, denn
       ein instabiles, polarisiertes Honduras sorgt für die Migration
       Zehntausender gen Norden – mit dem Ziel USA.
       
       27 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
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   DIR Knut Henkel
       
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