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       # taz.de -- Kaufhausumbau am Hermannplatz: Ohne Beteiligung geplant
       
       > Der neue Stadtentwicklungssenator will Tempo machen bei der Umgestaltung
       > am Hermannplatz. Damit ebnet er dem Unternehmer René Benko den Weg.
       
   IMG Bild: Karstadt am Hermannplatz, Ansichtskarte aus Vorkriegszeiten
       
       Berlin taz | Die Situation ist Wenke Christoph (Linke) sichtlich
       unangenehm. Anfang November steht die Staatssekretärin, damals noch im
       Ressort Stadtentwicklung und Wohnen, auf der Bühne der gut gefüllten
       Konzerthalle Huxleys Neue Welt in Neukölln und stellt das
       Beteiligungsverfahren für die zukünftige [1][Gestaltung des Neuköllner
       Hermannplatzes] vor. „Wir sind ganz am Anfang der Überlegungen, wohin der
       Hermannplatz gehen soll“, sagt sie. „Der Prozess ist ergebnisoffen, wir
       sammeln Bedarfe und Anforderungen“, fährt Christoph fort.
       
       Es sind Sätze wie diese, die viele der über zweihundert Besucher:innen
       in Rage bringen. Denn knapp drei Jahre nach Bekanntwerden der Pläne ist der
       österreichische Milliardär und Immobilienunternehmer René Benko seinem
       Ziel, am Hermannplatz eine monumentale Replik des 1929 errichteten und im
       Krieg zerstörten Karstadtkaufhauses errichten zu wollen, so nah wie nie.
       „Ich fühle mich verarscht“, fasst es ein erzürnter Anwohner zusammen.
       „Warum sagen Sie nicht einfach, was schon entschieden wurde?“
       
       Aktuell klingt es aus der neuen, SPD-geführten Stadtentwicklungsverwaltung
       so, als ob alles bereits entschieden sei. Stadtentwicklungssenator Andreas
       Geisel (SPD) drängte in einem am Montag erschienenen Interview mit der
       Morgenpost darauf, den Bebauungsplan für die Umgestaltung des
       Hermannplatzes möglichst bald aufzustellen. „Ich schlage dem Senat vor, das
       in den ersten 100 Tagen zu tun“, sagte er. Die
       Bürger:innenbeteiligung erwähnte Geisel mit keinem Wort.
       
       Dabei war der Abend im Huxleys eigentlich erst die Auftaktveranstaltung für
       eine „Grundlagenermittlung für das Masterplanverfahren Hermannplatz“ – so
       der offizielle sperrige Name des Verfahrens. Denn seit der Immobilienriese
       und Karstadtinhaber Signa 2019 seine Pläne bekannt gab, die zuletzt im Jahr
       2000 sanierte [2][Karstadtfiliale am Hermannplatz abzureißen und durch
       einen Neubau nach historischem Vorbild] zu ersetzen, stößt das Projekt auf
       Widerstand aus der Zivilgesellschaft und der Bezirkspolitik.
       
       ## Aufwertung und Verdrängung befürchtet
       
       Kritiker:innen fürchten eine noch stärkere Aufwertung und Verdrängung
       in dem überwiegend migrantisch geprägten und einkommensschwachen Stadtteil.
       Außerdem sei der Abriss des völlig intakten Gebäudes in Zeiten der
       Klimakrise nicht zu verantworten. Der zuständige Baustadtrat
       Friedrichshain-Kreuzbergs, Florian Schmidt (Grüne), teilte die Kritik und
       erteilte dem Projekt – das Karstadt-Gebäude steht auf der Kreuzberger Seite
       des Platzes – zunächst eine Absage.
       
       Seitdem setzt das wachsende Immobilienimperium um den österreichischen
       Milliardär René Benko alle Hebel in Bewegung, um das Projekt doch noch
       durchzubringen. Benko ist bekannt für seinen langen Atem und hat schon in
       seiner Heimat Österreich einige Großprojekte gegen Widerstände
       durchgebracht. Ein Durchbruch gelang Signa bereits im August 2020, als der
       damalige Senat eine „Letter of Intent“ (LOI) genannte Absichtserklärung mit
       dem Unternehmen unterschrieb.
       
       Signa gab Bestandsgarantien für mehrere im Zuge des Insolvenzverfahrens von
       der Schließung bedrohte Karstadtfilialen. Im Gegenzug versprach der Senat
       grünes Licht für Großprojekte des Unternehmens, darunter auch die
       Neubaupläne am Hermannplatz. Der Deal wurde scharf kritisiert, die
       Linken-Abgeordnete Katalin Gennburg sprach damals von „Erpressung“.
       
       Doch rechtlich ist die Absichtserklärung nicht bindend – dies bestätigt
       auch eine gutachterliche Stellungnahme von Christian-W. Otto, Jurist und
       Professor am Institut für Stadt- und Regionalplanung der Technischen
       Universität. Der LOI habe keine Auswirkungen auf das Planungsrecht und sei
       lediglich als politische Erklärung zu verstehen, heißt es dort. Es gäbe
       auch keinen Anspruch auf das Aufstellen und die Bestimmung von
       Bebauungsplänen.
       
       Dass sich in der neuen, Giffey-geführten Koalition ein Umdenken einstellt,
       ist aber unwahrscheinlich. Denn die Absichtserklärung hat es etwas
       verklausuliert in den Koalitionsvertrag geschafft: „Die Zentren am
       Hermannplatz und der City West wird die Koalition in ihrer Entwicklung und
       Urbanität stärken, die Karstadt-Areale aus dem Bestand heraus
       weiterentwickeln und damit langfristig Arbeitsplätze im Einzelhandel
       sichern“, heißt es dort.
       
       ## Bezirk planerische Zuständigkeit entzogen
       
       Eine weitere Hürde nahm das Projekt, indem die Senatsverwaltung für
       Stadtentwicklung und Wohnen dem Bezirk die planerische Zuständigkeit für
       das Projekt entzog – entgegen dem ausdrücklichen Willen des Bezirks. Mit
       dem Schritt wird dessen Veto umgangen und der Weg für den notwendigen
       Bebauungsplan freigemacht. „Der Bezirk hält das Vorgehen des Senats für
       falsch, da es auf einer juristisch fragwürdigen Verknüpfung von dem Ziel,
       Arbeitsplätze zu erhalten, mit der Schaffung von Baurecht basiert“,
       kritisiert Baustadtrat Florian Schmidt die Entscheidung auf taz-Anfrage.
       
       Ob und wann es konkret zu einem Baubeginn kommt, steht noch nicht fest.
       Normalerweise dauert es etwa zwei Jahre, einen Bebauungsplan aufzustellen –
       es ist ein Prozess mit mehrstufiger Bürgerbeteiligung. Für Signa soll
       allerdings ein „vorhabenbezogener Bebauungsplan“ aufgestellt werden: ein
       beschleunigtes Planungsinstrument mit deutlich reduzierter
       Bürgerbeteiligung, das auf die Umsetzung konkreter Bauprojekte ausgelegt
       ist.
       
       Die Initiative Hermannplatz, die sich seit Beginn gegen Signas Pläne
       einsetzt, kritisiert, das Verfahren sei vor allem auf die schnelle
       Umsetzung von Investorenwünschen ausgelegt. Die Initiative kritisiert
       außerdem das im November gestartete Partizipationsverfahren als eine
       „Scheinbeteiligung“, deren eigentliche Funktion es sei, den demokratisch
       fragwürdigen Deal zwischen Signa und Senat zu legitimieren. Erst der Deal
       mit Signa habe das Verfahren überhaupt angestoßen.
       
       Eine Beteiligung sei wenig wert, wenn es am wesentlichen Punkt, nämlich
       dass Signa sein [3][historisches Kaufhaus] am Herrmannplatz bekommt, nichts
       zu rütteln gäbe: „Es interessiert uns nicht zu entscheiden, ob Blumenkübel
       auf dem Hermannplatz stehen, wenn wir am Ende unsere Mieten nicht mehr
       zahlen können“, sagt Helena Rafalsky von der Initiative. „Echte Beteiligung
       auf Augenhöhe kann es mit Signa nicht geben“, sagt Rafalsky. Die Initiative
       Hermannplatz fordert daher, die Verantwortlichkeit an den Bezirk
       zurückzugeben und den Letter of Intent aufzulösen.
       
       Die Architektin Niloufar Tajeri, ebenfalls eine langjährige Gegnerin des
       Projekts, kritisiert, dass die Option, den Platz so zu lassen, wie er ist,
       gar nicht erst in Erwägung gezogen wird. Migrantische Bewohner:innen
       seien nur sehr schwach in dem Verfahren vertreten, obwohl gerade sie zu den
       Hauptnutzer:innen des Platzes zählen. Auch Tajeri ist von dem Prozess
       frustriert: „Ich dachte, wir wären in Berlin schon weiter, was
       gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung angeht“, sagt sie.
       
       Derweil setzte Signa seine Taktik fort, die Argumente der
       Kritiker:innen aufzunehmen, um so dem Projekt einen möglichst sozialen
       und grünen Anstrich zu verleihen. Der gigantische ökologische Fußabdruck,
       den ein Abriss und Neubau hinterlassen würde, ließ sich bisher nur schwer
       wegdiskutieren. Im Mai 2021 überraschte das Unternehmen dann mit dem
       Vorschlag, auf einen kompletten Abriss verzichten zu wollen. Stattdessen
       solle der Rohbau erhalten werden und durch einen Aufbau in Holzbauweise
       erweitert werden.
       
       Franziska Giffey (SPD), die extra zu dem PR-Termin erschienen ist, zeigte
       sich von den Plänen begeistert: „Da können wir einfach nur sagen: wow,
       oder?“, sagte sie. Tajeri überzeugen auch die neuen „Umbaupläne“ nicht.
       „Ein Großteil des Gebäudes soll immer noch abgerissen werden“, erklärt die
       Architektin, dies müsse angesichts der Klimakrise so weit wie möglich
       vermieden werden, gerade wenn es sich um ein komplett funktionales Gebäude
       handelt. Zudem sei Holz im Moment wegen der Holzkrise eine sehr begrenzte
       Ressource, die nur dort eingesetzt werden sollte, wo es notwendig ist. „Das
       ist ein ganz klares Greenwashing“, urteilt Tajeri.
       
       Dazu kommt, dass es keinerlei Verbindlichkeiten für Signa gäbe, sobald das
       Baurecht erst einmal steht. Ob Abriss oder Umbau, Holz oder Beton – „in
       einem Bebauungsplan können solche Dinge nicht festgeschrieben werden“,
       erklärt Tajeri. Auf eine Anfrage der taz, ob Signa auch in Anbetracht der
       explodierenden Holzpreise an den Plänen festhält, reagierte das Unternehmen
       nicht.
       
       11 Jan 2022
       
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