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       # taz.de -- Oberammergau des Nordens: Der Nazi im Gemäuer
       
       > Die Freilichtbühne Stedingsehre bei Oldenburg sollte zum Kultort der
       > NSDAP werden. Dann wurde sie vergessen.
       
   IMG Bild: Die Nazizeit lugt bei der Freilichtbühne Stedingsehre aus allen Ritzen hervor
       
       Das Verbotsschild an der offenen Pforte ist erst auf dem Rückweg so richtig
       sichtbar, und da ist es längst egal. Dass man nämlich nichts zu suchen hat
       auf der verlassenen „Stedingsehre“, hatte längst das mulmige Gefühl bezeugt
       – und das misstrauische Glotzen der Schafe.
       
       Knöcheltief im Laub schlummert hier hinter Oldenburg ein Geisterdorf aus
       reetgedeckten Fachwerkhäusern. Der menschenleere Weiler scheint sonderbar
       entrückt: Für historische Überreste sind die Häuser zu jung, für einen
       musealen Nachbau hingegen die Bäume zu hoch und das Gestrüpp zu dicht.
       
       Begrenzt wird die Siedlung durch einen Graben – ein Halbkreis wie mit dem
       Zirkel gezogen –, hinter dem sich der Blick in die niedersächsische Weite
       am dunkelroten Backstein bricht: Das Dorf steht auf einer Theaterbühne, von
       der man hügelaufwärts in die überwucherten Sitzreihen eines Publikums
       blickt, das schon lange nicht mehr kommt.
       
       ## Der Naziort
       
       Die Nazis hatten das [1][Freilichttheater Stedingsehre] gleich in den
       ersten Jahren ihrer Herrschaft bauen lassen. Die begann im Oldenburgischen
       etwas früher als im übrigen Deutschland, weil die NSDAP hier bereits bei
       den Landtagswahlen 1932 eine absolute Mehrheit erlangte. Auch darum hatte
       Reichsstatthalter Carl Röver die Hände frei für sein „Oberammergau des
       Nordens“, gebaut für das Kreuzritterstück „[2][De Stedinge]“ von
       Heimatdichter August Hinrichs.
       
       Wahrscheinlich liegt die unterschwellige Unruhe dieses Ortes daran, wie
       sich das idyllische Klein-Klein der hübsch-historischen Häuschen am
       monumentalen Gesamtbild reibt. Oder daran, dass man beim halblegalen Gang
       durchs Dorf unter permanenter Beobachtung der Publikumsränge steht, auch
       wenn es dort nur Geister gibt – und die Schafe, die zwischen den Sitzbänken
       grasen.
       
       ## Die Neuentdeckung
       
       Amphitheater und Spieldorf liegen heute etwas versteckt hinter den Gebäuden
       des Berufsförderungswerks Weser-Ems. Dass ihre NS-Geschichte gerade wieder
       etwas präsenter ist, ist das Verdienst der Kulturetage aus Oldenburg. Ihre
       Produktion „[3][Visionen für einen Unort]“ hatte im Sommer nicht nur das
       vergessene Theater wiederentdeckt, sondern ausdrücklich gefragt, was Kunst
       anfangen könne mit derart belasteten Räumen.
       
       Auf diese Fragen sollte es hier längst auch Antworten geben: Seit 15 Jahren
       archiviert ein Arbeitskreis Dokumente, Urkunden, Fotos und Berichte der
       Veranstaltungen von früher. Inzwischen ist auch ein Förderverein für ein
       Informationszentrum entstanden, den die Lokalpresse noch im März
       vergangenen Jahres mit der Einschätzung zitierte, man sei nun so weit, dass
       kaum noch etwas schief gehen könne. Dann kam Corona.
       
       ## Die Zukunft
       
       Aber der Lernort wird kommen, sagt der Vereinsvorsitzende Dietmar Mietrach.
       Aufklären wolle er hier über Verführung der breiten Bevölkerung, gerade
       weil die NS-Freilichtbühne nicht für „Gewalt und Druck“ stehe, sondern für
       eine Kultur, „bei der die Leute gerne mitgezogen haben“.
       
       Die Geschichte endet auch nicht mit 1945, denn am Fascho-Bombast hatte sich
       nach Kriegsende erst mal niemand gestört. Heimatverein und Musikzüge
       bespielten die Stedingsehre direkt weiter bis in die 1970er – auch mit
       internationalen Gästen oder Pippi Langstrumpf für die Kleinen.
       
       Die Stedingsehre ist eine Geschichte von Brüchen und Kontinuitäten des
       deutschen Faschismus, mit der vorläufigen Pointe, dass der Nazibau nicht an
       Feindaufklärung und Reeducation zugrunde ging, sondern am Oldenburger
       Wetter: Das nämlich immer schon zu beschissen war, um mit Kultur unter
       freiem Himmel Geld zu verdienen.
       
       25 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.nationalismusistkeinealternative.net/wp-content/uploads/2021/08/Ganderkesee.Eine-Gemeinde-mit-rechter-Kontinuitaet.pdf
   DIR [2] /!1154493/
   DIR [3] https://www.kulturetage.de/index.php?id=6--x---479
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan-Paul Koopmann
       
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