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       # taz.de -- Gerechtigkeit nach 21 Jahren: Ein historisches Urteil
       
       > Ein Urteil verpflichtet den kolumbianischen Staat zur Wiedergutmachung
       > von Gewalttaten. Damit werden auch Journalist:innen besser geschützt.
       
   IMG Bild: Jineth Bedoya im März auf einer Pressekonferenz in Bogota
       
       Den Ort für das nationale Mahnmal für [1][die Opfer sexueller Gewalt] hat
       Jineth Bedoya schon lange im Kopf. Mit dem am vergangenen Montag
       veröffentlichten Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs für
       Menschenrechte könnte der Traum der 47-jährigen Journalistin Realität
       werden. [2][Das „La Modelo“, Bogotás] berüchtigte Justizvollzugsanstalt,
       zum Ort der Erinnerung und zum Mahnmal für die Opfer sexueller Gewalt
       werden zu lassen.
       
       Dort hängen heute und hingen auch am 25. Mai 2.000 die Überwachungskameras
       am Eingang der chronisch überfüllten Haftanstalt. An jenem Tag im Mai
       wartete Jineth Bedoya auf Einlass, um ein Interview mit Paramilitärs über
       die Machtkämpfe hinter Gittern zu führen, und wurde unter den Augen des
       Wachpersonals entführt. Der Interviewtermin entpuppte sich als Falle der
       Paramilitärs, denen die akribisch recherchierende Journalistin des El
       Espectador zu nahe gekommen war. Bedoya wurde in ein Auto gezogen, bedroht,
       gefoltert, vergewaltigt und nach einem zehnstündigen Martyrium
       freigelassen.
       
       Ziel war es, so die Richter in ihrem 92-seitigen Urteil, [3][die Reporterin
       mundtot zu machen]. Sexuelle Gewalt sei gezielt eingesetzt worden, um
       Bedoyas unbequeme Recherchen zu unterbinden, so steht es im Urteil. „Das
       hat historischen Charakter“, meint die Anwältin Viviana Krsticevic,
       Direktorin des Zentrum für Gerechtigkeit und Internationales Recht (CEJIL).
       Sie vertrat Bedoya, die unendlich viele Details rund um die an ihr
       begangenen Verbrechen selbst recherchierte, und dokumentierte den Fall
       gemeinsam mit den Experten der Stiftung für die Pressefreiheit (FLIP) aus
       Bogotá.
       
       ## Ein Urteil mit Signalcharakter
       
       Dort liefen alle Fäden zusammen und dort fand am vergangenen Dienstag auch
       die Pressekonferenz statt, nachdem die Richter ihr weitreichendes Urteil
       einen Tag zuvor in San José vorgestellt hatten. „Das Urteil gibt uns
       Instrumente in die Hand, denn es verpflichtet den kolumbianischen Staat
       Journalist*innen besser zu schützen, Straftaten gegen sie zu ermitteln
       und zu sanktionieren“, so FLIP-Direktor Jonathan Bock.
       
       Er hatte mit einem positiven Urteil, das den kolumbianischen Staat sowohl
       für Ermittlungsfehler als auch für die Tatsache, dass die Auftraggeber für
       die an Jineth Bedoya verübten Straftaten, bis heute auf freiem Fuß sind,
       verantwortlich macht, gerechnet. Doch das Urteil geht darüber weit hinaus,
       denn es wertet die jahrelange Straflosigkeit als Folter der Opfer.
       
       Das hat Signalcharakter. Für etliche Familien, deren Angehörige ermordet
       wurden, weil sie über den Bürgerkrieg, über die Verbindungen zwischen Armee
       und Paramilitärs oder die Rekrutierung von Minderjährigen durch Guerilla
       und Paramilitärs berichteten. Doch die Tragweite des Urteil geht noch weit
       darüber hinaus, so der ehemalige Chef von Jineth Bedoya, Jorge Cardona. Für
       den Redaktionsleiter des El Espectador ist das Urteil sowohl ein Sieg
       [4][für den Journalismus als auch für die Frauen.]
       
       ## Ein Tag der in die Geschicht eingeht
       
       Eine Einschätzung, die Jineth Bedoya teilt: „Der 18. Oktober 2021 wird als
       der Tag in die Geschichte eingehen, an dem ein Kampf, der mit einer
       Straftat an einer einzelnen Person begann, dazu führte, dass die Rechte von
       Tausenden von Frauen, die Opfer sexueller Gewalt wurden, verteidigt
       wurden“, erklärte Bedoya nach der Urteilsverkündung. Sie appellierte wenig
       später an die Ermittler der „Sonderjustiz für den Frieden“, sexuelle Gewalt
       zum Fall zu machen. Nun sei die goldene Gelegenheit für die JEP
       (Jurisdicción especial para la Paz, so viel wie Sonderjustiz für den
       Frieden, Anm. d. Red.) gekommen, zu demonstrieren, dass sexuelle Gewalt in
       Kolumbien endlich als Verbrechen geahndet wird.
       
       Eine Etappe auf dem Weg dahin hat Bedoya bereits genommen. Die Richter des
       Interamerikanischen Gerichtshofs haben den kolumbianischen Staat dazu
       verurteilt, ein Zentrum der Erinnerung für die Opfer sexueller Gewalt zu
       errichten und zu finanzieren. Ob die von Tunneln unterhöhlte und veraltete
       Justizanstalt „La Modelo“ dafür wirklich geräumt wird, muss sich noch
       zeigen. Bedoya hat deshalb Präsident Iván Duque öffentlich um ein Gespräch
       gebeten – bisher ohne Resonanz.
       
       26 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Knut Henkel
       
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   DIR Sexualisierte Gewalt
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