# taz.de -- Absturz der Grünen: Was jetzt noch geht
> Die Pandemie hat viele Leute erschöpft, weshalb ihnen die Unbeweglichkeit
> von Olaf Scholz wohltuend erscheint. Was heißt das für das Klima?
IMG Bild: Fatal personalisierter Wahlkampf: Annalena Baerbock mit Schülern und Schülerinnen
Okay, Olaf Scholz wird Kanzler. Und nicht nur die CDU, auch die Grünen
werden diese Bundestagswahl krachend verlieren. In einem fatal
personalisierten Wahlkampf wird der grüne Führungsanspruch längst als
schlechter Witz durchs Dorf gejagt. Wenn die Partei dem Absturz weiter nur
zusieht, [1][dann wird sie auch noch Platz drei an die FDP verlieren].
Das könnte man ja als ihre Sache betrachten, aber mit einem desaströsen
grünen Wahlergebnis wird auch Klimapolitik und Sozialökologie dramatisch an
Gewicht verlieren. Bin schon auf den Wahlabend gespannt und ob der
verantwortliche grüne „Stratege und Spindoctor“ (Markus Lanz), also Michael
Kellner, sagen wird, dass 14 oder 12 Prozent ein toller Zuwachs gegenüber
8,9 Prozent sei und er stolz sei, dass man das trotz der ganzen
Gemeinheiten geschafft habe.
Nach den Umfragen stürzt die Partei jedenfalls von einst 27 Prozent immer
weiter ab, und es gibt nach meinem Kenntnisstand keinen Plan, das
aufzuhalten. Alle Beschwörungen, die Kandidatin habe sich gefangen und sei
jetzt funktionsfähig, sind Selbsttäuschung. Es ist zu spät. Die
ursprünglich erreichbaren Merkelianer haben ihr Urteil gefällt und
zunehmend grün-rote Wechselwähler auch: Nein zu Annalena Baerbock und dem
allzu altgrünen „Aufbruch“, für den sie zu werben scheint. Ja zu Scholz und
dem großkoalitionären Gaaanz-ruhig, das er verkörpert.
[2][Dass auch Scholz die Klimakrise nicht durch Ignorieren aufhalten kann],
versuchen jetzt interessierte Kreise zu übertönen, indem die alte Platte
abgespielt wird, die große Entscheidung dieser Gesellschaft liege immer
noch zwischen Union und SPD. Gegen diese Problemstellungsverweigerung ist
ein Cindy-und-Bert-Konzert ein Realitätsschock. Wobei die kulturell
Gebildeten einwerfen werden, dass Bert längst tot sei. Mag sein, aber so
richtig lebendig sind SPD und Union auch nicht mehr.
Klimapolitik muss Wirtschafts-, Sozial- und Außenpolitik sein, und hätten
SPD und Union das machen wollen oder können, dann hätten sie in den
gemeinsamen 12 von 16 Merkel-Jahren zumindest mal in die Richtung gepiepst.
Haben sie aber nicht. Sie haben im 20. Jahrhundert viel Gutes gemacht, im
21. rauben sie den Jüngeren die Zukunft.
Die Pandemie hat aber nun mal viele Leute ziemlich erschöpft, weshalb ihnen
die Unbeweglichkeit von Scholz wohltuend und sicherheitsspendend erscheint.
Die Klimakrise hat keine Priorität für ihn. Stattdessen will Scholz – wie
die FDP und die Union – eine Verbotskrise verhindern. Verbote sind das
Nachtgespenst, mit der diese anti-klimapolitische Deutschland-Koalition den
Leuten Angst vor Zukunftspolitik einjagen will.
Die Frage ist für all jene, die ernsthafte Zukunftspolitik endlich im
Zentrum von Politik und Gesellschaft wollen und eine neue Dynamik jenseits
von Union und SPD: Was geht jetzt noch?
Zwei Gedankenversuche: Es gibt ja viele Leute, die Klimapolitik wichtig
finden und Annalena Baerbock auch gern in der Regierung haben wollen, aber
auf keinen Fall im Kanzleramt. Um den Personalisierungs-Malus
abzuschwächen, könnte sie ihnen sagen, dass diese „Gefahr“ nicht mehr
droht. Und dann könnten die Grünen statt vor der SPD zu kapitulieren, mal
mit der FDP das probieren, was Robert Habeck und Wolfgang Kubicki in
Schleswig-Holstein getan haben: Statt sofort nach der Wahl brav aufeinander
loszugehen, sich zusammentun und die Kanzlerpartei in spe damit so unter
Druck setzen, dass jeder in der Ampel in einem zentralen Bereich Prokura
bekommt und wirklich etwas Neues hinkriegen kann. Das wäre nicht ideal,
aber besser als der Status quo.
12 Sep 2021
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Peter Unfried
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