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       # taz.de -- Die Wahrheit: Jäger, Sammler und Tester
       
       > Von Panini bis Politaufkleber – alles wird gesammelt. Und jetzt ist ein
       > neues Sammelgebiet dazugekommen. Nur eines, das fehlt ganz dringend …
       
       Wir sind ein Volk von Jägern und Sammlern. Alle sammeln irgendetwas. Meine
       Freundin Sabine hat ihre gesamte Klotür vollgeklebt mit Strafmandaten wegen
       Geschwindigkeitsübertretungen. Wenn man dort sitzt, sieht man lauter Fotos
       von Sabine in diesem verwischten Schwarz-Weiß, jede Aufnahme mit der
       Anmutung eines Gemäldes des frühen Gerhard Richter.
       
       Auf den Fotos sieht man sie langsam älter werden, mit verschiedenen
       Brillenmodellen und vor allem Frisuren schaut sie im Laufe der Jahre immer
       wieder mit erschrecktem Blinzeln in den Blitz. Auf einem der Bilder sitze
       ich neben ihr, auf einem zweiten fahre ich sogar und sie sitzt betrunken
       neben mir und schläft. Sie hat die Geldbuße damals großzügig überwiesen.
       
       Auf zwei anderen Bildern allerdings sind Männer, von denen ich finde, dass
       sie auf den Bildern und in ihrem Auto absolut nichts zu suchen haben. Einer
       war bis zu diesem Foto sogar mein Freund, also, bis ich ihn an dieser Wand
       entdeckt hatte und, wenn auch Jahre später, das Datum abglich.
       
       Sammeln kann also auch entdecken bedeuten. Als Kind sammelten und tauschten
       wir alle selbstverständlich die legendären Panini-Bilder. Ich hortete
       außerdem Bierdeckel und volljährig dann Politaufkleber aller Art, die ich
       auf meinem ersten VW-Käfer anbrachte. Dank der Aufkleber kam er sogar noch
       einmal durch den TÜV, ohne wäre er auseinander- und durchgefallen.
       
       Heutzutage sammle ich Mumin-Tassen. Ich komme mittlerweile auf 21, die ich
       zu einer schönen Pyramide stapelte, die neulich leider einstürzte. Ursache
       war sehr wahrscheinlich eines dieser Erdbeben in Ostwestfalen. So wie die
       Tassen fielen, schätze ich die Lokalmagnitude auf sieben bis acht der
       sogenannten Richterskala. Oder aber ich hatte am Abend zuvor zu viel
       getrunken. Jetzt sind ausgerechnet zwei meiner Lieblingstassen schwer
       lädiert, wobei überhaupt nur drei dieser Tassen nicht zu meinen
       Lieblingstassen zählen. Meine Versicherung sieht das nicht als Schaden,
       obwohl die Tassen derzeit im Wert steigen.
       
       Seit Neuestem sammle ich Coronaschnelltests. Ich drucke sie alle aus. Den
       schönsten bekam ich im Sommerbad. Ein ausgerissener Zettel, auf dem –
       handschriftlich vermerkt – steht, ich sei negativ getestet. Mit Stempel und
       einer Unterschrift, bestätigt von der Dame am Einlass. Den Zettel habe ich
       stolz 48 Stunden lang überall vorgezeigt. Und nirgends wurde ich
       abgewiesen.
       
       Inzwischen habe ich Tests aus Zweibrücken und Dreieich, aus Apotheken und
       Altenheimen, einen aus einem dubiosen Container in Hannover, der der
       Fantasie weiten Raum ließ. Die Tester haben entweder nur am Naseneingang
       gekitzelt oder meine klügsten Gedanken brutal aus dem Hirn gedreht. Was mir
       allerdings nun dringend zu meinem Glück fehlt, was bei allen früheren
       Sammeleien der wohl wichtigste Kick war: Ich vermisse die Tauschbörse.
       Also: Hat jemand einen Schnelltest aus Paderborn? Tausche gegen Osnabrück.
       
       6 Jul 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Gieseking
       
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