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       # taz.de -- Die Wahrheit: Bildermann und Sammelwahn
       
       > Während der Fußball-Europameisterschaft werden wieder fleißig Bildchen
       > gesammelt. Das hat eine schaurige Vorgeschichte.
       
   IMG Bild: Bildermänner und -frauen verbreiteten früher Schauerbildchen
       
       „Heran, ihr Kinder, kommt heran!“ So rief damals der Bildermann. Der
       Bildermann und seine Frau verkauften Sammelbilder auf den Märkten, als es
       noch keine Fußballsammelbilder gab. Das überrascht nicht, weil es auch noch
       keine Fußballspieler gab.
       
       So musste man sich mit blutrünstigen Bänkelbildern begnügen, die die damals
       geschätzten Moritatenlieder illustrierten. Außer diesen Schauerbildchen gab
       es niedliche Katzen- und imposante Pferdebilder und natürlich die beliebten
       Lemuren-Sammelbilder.
       
       Doch leider genoss das Sammelbilder verkaufende Gewerbe keine gute
       Reputation, die besorgten Bürger schimpften, die Bildermänner und -frauen
       würden Schmutz und Schund verkaufen und die unschuldige Jugend verderben.
       Die alte Leier! So kam es dann zu den schauerlichen
       Sammelbilderverbrennungen der ausklingenden Biedermeierzeit. Was für
       unschätzbare Werte an Sammelgut wurden da vernichtet!
       
       Doch als die Nacht am tiefsten war, wurde von ein paar verrückten
       Engländern zunächst der Fußball erfunden. Wenig später hatte der reisende
       Lotterieverkäufer Frederico Panini die Idee, die dazu passenden
       Fußballsammelbilder herzustellen. Doch weil es keine WM, ja noch nicht
       einmal eine EM gab, waren die Sammelbilder ein verlegerisches
       Verlustgeschäft sondergleichen. Panini musste zähneknirschend von
       erotischen Operettenbildchen und kitschig-bunten Blumensammelbildern leben,
       aber der alte Traum von den Fußballsammelbildern lebte weiter in ihm.
       
       ## Spieler als Klebebilder
       
       Als es dann 1954 die erste „richtige“ Weltmeisterschaft in der Schweiz mit
       dem Wunder von Bern gab, wusste Panini, was er tun musste, die Welt war
       reif für Fußballsammelbilder! Zuerst waren es 90 Sammelbilder von
       italienischen Spielern, der legendären Primera Squadra Panini, und
       daraufhin sollten dann alle kickenden Weltmeisterschaftsspieler als
       Klebebild folgen, wie wir es heute kennen und wie es sein soll immerdar.
       
       Und siehe, pünktlich zum diesjährigen EM-Auftakt der um ein Jahr
       verschobenen Euro 2020 mehren sich wieder Fußballsammelbilder-Nachrichten
       wie der „Überfall von Kelsterbach“: Drei Jugendliche sind in dem
       südhessischen Ort bei Frankfurt in einen Supermarkt eingebrochen und
       erbeuteten Sammelbilder im Wert von 130 Euro! „Kleine Einbrecher klauen
       Fußballsammelbilder“, schimpfte Bild. Nach ihrer Tat verteilten die
       jugendlichen Delinquenten ihre Beute großzügig an andere Sammelfreunde. Es
       entstand bei dem Raubzug insgesamt ein Schaden von 10.000 Euro, aber der
       Ruhm und der Respekt in der Sammelgemeinde sollte das aufwiegen.
       
       Bereits vor der vermaledeiten WM 2018 brachen Sammelbilderdiebe in einen
       Zeitungsladen in Hagen ein, und 2012 vor der EM war eine Diebesbande in
       Bremerhaven aktiv und erbeutete Halsketten und die begehrten
       Fußballsammelbilder. Dass einmal das Stehlen von Sammelbildern ein
       regelmäßig im Polizeibericht wiederkehrendes Delinquenz-Segment ausmachen
       würde, hätten sich die braven Bildermänner und -frauen der romantischen
       Biedermeierzeit sicher nicht träumen lassen. Bei dem alten Panini dagegen
       kann man sich da nicht so sicher sein.
       
       11 Jun 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kriki
       
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