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       # taz.de -- Porträt des Künstlers Sajan Mani: Ein Akt des Widerstandes
       
       > Der aus Indien kommende Künstler Sajan Mani beschäftigt sich mit
       > historischen und heutigen Ungerechtigkeiten. Nun erhält er den Kunstpreis
       > Berlin.
       
   IMG Bild: Sein Weg in die Kunst war kein gradliniger: Sajan Mani bei seiner Performance in der Nome Gallery
       
       Einatmen. Ausatmen. Um Yoga soll es gehen, von Entspannung kann aber nicht
       die Rede sein. Problematisch findet Sajan Mani, dem am 18. März von der
       Akademie der Künste der Kunstpreis Berlin in der Sektion Bildende Kunst
       verliehen wird, die Entspannungstechnik, die bekanntlich Körper und Seele
       in Einklang bringen soll.
       
       Das erfordert eine Erklärung. Was Mani meint, ist die dahinterstehende
       Politik, erläutert der aus Indien stammende Künstler bei einem Treffen Ende
       Februar. Die Geschichte von Yoga sei kompliziert, sagt der 39-Jährige.
       Kompliziert allein schon deshalb, weil es ein Mythos sei, dass es sich nur
       um eine indische Geschichte handle, kompliziert, weil das, was der Westen
       auf der Matte praktiziert, eine US-amerikanische Interpretation indischer
       Auswanderer aus der brahmanischen Upperclass sei. Kompliziert besonders
       hinsichtlich der Art und Weise, wie die rechtsnationale indische Regierung
       den Wellnessexportschlager als Soft Power nutze, um ihren Einfluss im
       eigenen Land wie in der Welt zu festigen.
       
       Dann erzählt Mani unter anderem, wie der indische Minister für Öl, Gas und
       Stahl, Dharmendra Pradhan, im Juni 2018 mitten auf dem Alexanderplatz
       umringt von Berliner*innen Yoga praktizierte. Am Weltyogatag war das,
       der wiederum von dem hindunationalistischen Premierminister Narendra Modi
       erfunden wurde. Auf Youtube kann man Videos dieser tatsächlich recht
       befremdlichen Veranstaltung ansehen.
       
       ## Die Ungleichheit im Kastenwesen
       
       „Political Yoga“ heißt das Projekt, in dem sich Mani mit den hinter der
       Lehre wirkenden Machtstrukturen beschäftigt und mit dem er in Berlin, wo
       gerade auch in der Kunst alle irgendwie Yoga machen, am richtigen Ort zu
       sein scheint. Gemeinsam mit Gästen veranstaltet er Workshops, die wie
       klassische Yoga-Sessions anfangen, dann aber ihr Thema radikal wechseln: Um
       Ungleichheit, nicht um Ausgleich geht es dann.
       
       Als Beispiel schickt er im Anschluss an das Gespräch eine 26-minütige
       Audioaufnahme. Seine Stimme ist darauf zu hören, die zunächst dem Ablauf
       von Yoga Nidra folgt, dann im selben Tonfall den Abschiedsbrief des
       Doktoranden Rohith Vemula vorliest, der sich im Jahr 2016 das Leben nahm.
       „My birth is my fatal accident“, „Meine Geburt ist mein tödlicher Unfall“,
       heißt es darin. Der Brief erregte viel Aufsehen, weil er etwas zur Sprache
       bringt, was oft vertuscht wird: die grausame Aktualität des Kastenwesens in
       der indischen Gesellschaft.
       
       [1][Wie Vemula ist Sajan Mani ein Dalit], die nach traditionellen
       hinduistischen Vorstellungen als „unberührbar“ gelten. Offiziell wurde das
       Kastensystem 1950 abgeschafft, Diskriminierung wegen Kastenzugehörigkeit
       wurde zwar verboten, inoffiziell setzt sie sich aber fort. „Kasten sind
       eine soziale Realität in Indien“, sagt Mani. Tief verankert seien die
       Strukturen und sogar in der Diaspora zu spüren.
       
       Mani wurde 1981 im südindischen Keralam als Sohn einer Familie geboren, die
       ihren Lebensunterhalt mit dem Zapfen von Kautschuk auf Plantagen verdiente.
       Seine Projekte sind stets von seiner Biografie, seiner Familiengeschichte,
       seiner Herkunft, seinen Erfahrungen bestimmt. „Ich mache keinen Unterschied
       zwischen meinem Privatleben und meiner künstlerischen Praxis“, sagt er.
       
       ## Die Zeichen an der Wand
       
       Im September richtete seine Berliner Galerie Nome eine Einzelausstellung
       mit ihm aus. Zu sehen war eine begehbare Installation, die mit einer
       Dauerperformance eröffnet wurde. Ausgangspunkt von [2][„Alphabet of Touch
       >< Overstretched Bodies and muted Howls for Songs“] waren Protestlieder des
       Dichters und Dalit-Aktivisten Poykayil Appachan. Mani übersetzte die nie
       verschriftlichten Verse in Zeichnungen, die durchaus an Schriftzeichen
       erinnern. Zwei Tage lang malte er diese mit Kohle auf Papierbögen an der
       Wand und auf dem Boden, bis sie über und über damit bedeckt waren.
       
       In weiteren Arbeiten setzte er sich mit der Kautschukgewinnung auseinander,
       jenem Material, an dem sich seiner Ansicht nach vieles über Unterdrückung
       und Ausbeutung ablesen lässt – sowohl was die koloniale Geschichte und die
       kapitalistische Gegenwart als auch seine eigene Familiengeschichte angeht.
       
       Wenn Mani von seiner Kunst redet, spricht er in der ersten Person Plural –
       er verstehe sich selbst als kollektiven Körper, so erklärt er das. Seine
       Arbeit wiederum nennt er „einen Akt des Widerstandes“, es gehe ihm darum,
       mittels seines schwarzen Dalit-Körpers auf historische wie aktuelle
       Ungerechtigkeit hinzuweisen. Seine Perspektive ist eine, die auch in der
       Kunst noch immer marginalisiert ist. „Als Künstler, der im Jahr 2021 lebt,
       trage ich eine Verantwortung“, sagt er. „Wir können unserer Komplizenschaft
       nicht entkommen.“
       
       ## Ein langer Weg zur Kunst
       
       Manis Weg in die Kunst war kein geradliniger, auch das hat mit seiner
       Herkunft zu tun. Schon in der Schule habe er gern gezeichnet. Eine Karriere
       darauf aufzubauen sei ihm jedoch nicht in den Sinn gekommen. Zunächst
       studierte er Englische Literatur und Journalismus, er arbeitete als
       politischer Karikaturist und brachte mit Freunden ein kleines Magazin
       heraus. Er baute Sand ab und lieferte Waren aus. Dann ging er für „zwei
       schreckliche Jahre“ als Wanderarbeiter ins Königreich Bahrain. Sein
       Interesse für zeitgenössische Kunst war da schon geweckt.
       
       Später begann er halbtags Kunst an der Karnataka State Open University in
       Mysuru zu studieren. 2012 fand die erste Kochi-Biennale statt, Mani
       arbeitete mit und schöpfte Mut, sich ganz der Kunst zu widmen.
       
       Für seinen Master ging er nach Berlin an die Kunsthochschule Weißensee.
       2019 schloss er dort den Studiengang „Raumstrategien“ ab. Die neue Umgebung
       spiegelt sich auch in seiner Kunst wider. In Weißensee wurde er einmal
       geradezu auf ein Thema gestoßen. Auslöser war jene elendige Frage, die
       Menschen mit sichtbarem Migrationshintergrund immer wieder gestellt
       wird. Eine Gruppe weißer Männer hatte gefragt, woher er komme, und
       ungläubig auf seine Antwort reagiert: „Bist du wirklich aus Indien? Aber
       die Inder im Fernsehen haben hellere Haut!“ In seiner Arbeit „Tyger von
       Otherspur“ (2020) zitiert Mani diese Sätze.
       
       Wer oder was ist der oder das andere, und wer bestimmt das? Solche Fragen
       treiben ihn um. In der Drei-Kanal-Video-Installation „Tyger von Otherspur“
       dechiffriert Mani den deutschen exotisierenden Blick auf Indien und
       Inder*innen anhand der drei Filmfassungen des „Indischen
       Grabmals“/„Tigers von Eschnapur“ aus den Jahren 1921, 1938 und 1959. Das
       Projekt will er noch fortsetzen, an den Spielorten recherchieren. Man wird
       noch viel von ihm hören.
       
       18 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Haft-von-indischer-Gewerkschafterin/!5752397
   DIR [2] https://nomegallery.com/exhibitions/alphabet-of-touch-overstretched-bodies-and-muted-howls-for-songs/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Beate Scheder
       
       ## TAGS
       
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