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       # taz.de -- Angela-Davis-Ausstellung in Dresden: Ziemlich verlogene Umarmung
       
       > Die Ausstellung „1 Million Rosen für Angela Davis“ im Dresdner Albertinum
       > untersucht die Bedeutung der marxistischen Philosophin in der DDR.
       
   IMG Bild: Die marxistische afroamerikanische Philosophin Angela Davis im März 2019
       
       Mit dem Artikel „Wende an den Wänden“ in der Sächsischen Zeitung zettelte
       der Kulturwissenschaftler Paul Kaiser 2017 den „Dresdner Bilderstreit“ an:
       Was früher im Albertinum gehangen hat, könne doch heute nicht ganz falsch
       sein. Andere Kritiker*innen unterstellten dem Team um Hilke Wagner
       ausführende Staatsräson. Der Vorlauf einer vermurxten „Wiedervereinigung“
       und die nicht aufgearbeitete Vergangenheit des Kalten Kriegs in Deutschland
       unbesehen: Hier wollten eine Menge Leute Altbekanntes wiedersehen und vom
       Neuen nicht allzu sehr behelligt werden.
       
       Dass die aus dem Westen nach Dresden berufenen Chefs und Chefinnen mit
       alten Positionen vielleicht zu massiv aufgeräumt haben, auch um Platz für
       dissidente Kunst aus Osteuropa zu schaffen, wurde in mehreren Runden
       öffentlich debattiert und durchgearbeitet. Derweil nutzte Pegida die Bühne,
       um mit ihren rassistischen Ressentiments an die nationalistisch-regionalen
       Argumentationsmuster anzuschließen, was umgekehrt stadtweite Empörung
       hervorrief: Essentialistische Identitätspolitiken und
       Opfer(selbst)stilisierungen allenthalben.
       
       Diese Ausgangslage fand die im Osten sozialisierte Kuratorin Kathleen
       Reinhardt vor, als sie ihre taktisch klug positionierte Ausstellung „1
       Million Rosen für Angela Davis“ vorzubereiten begann. Für deren Konzeption
       sind, wie sie sagt, „diese vielen gegenseitigen Missverständnisse und
       Ausblendungen zentral“.
       
       Die Finte der Kuratorin des außergewöhnlichen Projekts: Sie nutzt das
       positive Sentiment gegenüber der Marxistin, um es mit einer Perspektive auf
       „schwarze“ Kunst und DDR-Kritik zu erweiterten und so an „bisher durch die
       Antworten verdeckten Fragen“ zu gelangen.
       
       ## Staatstragende Tafelbilder
       
       Während Paul Kaiser und seine Mitstreiter die eher staatstragenden
       Angela-Davis-Tafelbilder von Bernhard Franke, Gerhard Goßmann oder Willi
       Sitte bewundernd erinnern, die auf der VII. Kunstausstellung der DDR
       1972/73 im Albertinum zu sehen waren, oder sich an Postkarten und
       Schallplatten mit und über Angela Davis laben können, kommen sie doch nicht
       umhin, mit dem Widerspruch zwischen „Freiheit für Angela Davis“ und – etwa
       in den kontrastierend gesetzten Arbeiten von Gabriele Stötzer oder Nasan
       Tur – mit der Vielzahl politischer Gefangener in der DDR konfrontiert zu
       werden.
       
       Zudem müssen sie feststellen, dass die Schwestern und Brüder von Angela
       Davis nun mit einer ganzen Reihe eigener Kunstwerke vertreten sind, um so
       noch ganz andere Lücken musealer Geschichtsschreibung aufzuzeigen. Die
       antiimperialen und internationalistischen Erinnerungen einer in der DDR
       groß gewordenen Generation sind wirkmächtig und häufig mit einem
       Helfersyndrom unterfüttert. Man fühlte sich als Teil einer globalen
       Bewegung und wollte doch die „Fremden“ lieber nicht zu nahe rücken lassen.
       
       ## Auf Du und Du mit der Revolutionärin
       
       Die „Angelamania“, wie es Time 1972 nannte, spiegelt sich in den mit
       Unterstützer-Postkarten gefüllten Umzugskisten wider, die nach Kalifornien
       geschickt worden waren, aber auch im Jubel der Jugendlichen, als sie die
       aus der Haft entlassene Davis 1972 am Flughafen Berlin-Schönefeld
       erkannten. Bei ihrem Auftritt auf den X. Weltfestspielen der Jugend 1973
       wähnte sich die DDR-Nomenklatura auf Du und Du mit der Revolutionärin –
       Genoss:Innen duzen sich, mag die Personen sonst viel trennen.
       
       Angela Davis hat nie auf Briefe ehemaliger politischer Gefangener in
       Osteuropa öffentlich reagiert: „Wenn ich über Dresden spreche, möchte ich
       darauf hinweisen, dass mein Bewusstsein für Dresden aus der Zeit stammt,
       als ich in […] Frankfurt am Main studierte, aber ich habe die Deutsche
       Demokratische Republik mehrmals besucht. […] Wir bewohnen immer die
       Überreste und die Sedimente der Vergangenheit. […] ich fand es einmal sehr
       schwierig, eine Beziehung zur Politik der Repräsentation zu entwickeln, in
       der mein eigenes Bild eine Rolle spielte.“ Die ikonische Heldin des
       „anderen Amerikas“ wurde von alten Männern der DDR hofiert – viele von
       ihnen waren früher selbst Straßenkämpfer, Widerstandskämpfer, politische
       Gefangene.
       
       „Angela Davis wurde von der Regierung als kommunistischer Popstar
       aufgebaut, stilisiert und somit als Bindeglied an diese sich langsam
       entfernende Generation positioniert“, schreibt die Kuratorin im Katalog und
       markiert eine für die DDR existenzielle Krise. Während sich die DDR als
       antirassistischer Staat profilierte und Davis zum Teil der sozialistischen
       Ikonografie machte, war Alltagsrassismus in der DDR allgegenwärtig.
       
       In den Katalogbeiträgen Schwarzer Deutscher wird deutlich, welche Kraft sie
       aus Angela Davis’ Präsenz schöpfen konnten: „Es waren die wenigen Momente
       in meiner Kindheit, in denen ich spürte, dass Schwarze Leben zählen,
       wertvoll sind, dass Schwarzen Leben Wert beigemessen wird. Erst viel später
       habe ich dann die eigentliche Geschichte der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung
       in der Schule gelernt. Das waren aber weiße Geschichtsnarrative“, schreibt
       die Kulturwissenschaftlerin Peggy Piesche im Katalog über konfliktreiche
       Erinnerungen.
       
       ## Wirkmächtige deutsche Abhörtechnik
       
       Neben einer ganzen Reihe eingeladener Arbeiten – von Gemälden in Erinnerung
       an über Bord geworfene SklavInnen von Ellen Gallagher bis hin zu Laurence
       Abu Hamdans Arbeit über einen in der DDR erfundenen Gefängnistypus, dessen
       spezielle Bauart die Abhörtechnik im Inneren der Haftanstalt
       perfektionierte, was noch heute in syrischen Folterknästen zur Anwendung
       kommt – entwickelten Contemporary And (C&), Steffani Jemison, Justin Hicks,
       Ângela Ferreira oder Lewis Watts neue Arbeiten. Die in Halle geborene
       Künstlerin Elske Rosenfeld erinnert in ihrer Installation an die
       Dissidentin Erika Bertold, die in Opposition zu den Claqueuren spontan
       Angela Davis umarmte, um so die verklemmte Star-Bewunderung zu
       durchbrechen: „Völkerfreundschaft“ gegen das Protokoll.
       
       Angela Davis wurde selbstverständlich auch in den anderen sozialistischen
       Ländern Osteuropas verehrt, genau wie im revoltierenden Westen. Davis’
       Doktorvater Herbert Marcuse hatte ihr ein Studium bei Adorno vermittelt. In
       Frankfurt schloss sie sich dem SDS an und nahm an Protestaktionen gegen den
       Vietnamkrieg teil. Im Juni 1968 wird sie Mitglied der Kommunistischen
       Partei der USA.
       
       Ihre Zulassung als Universitätsdozentin muss sie gegen eine vom damaligen
       kalifornischen Gouverneur Ronald Reagan initiierte Kampagne gerichtlich
       durchsetzen. Ihre Studien und Kampagnen gegen den „gefängnisindustriellen
       Komplex“ haben große Wellen geschlagen und speisen sich nicht zuletzt aus
       der Tatsache, dass Davis selbst wohl nur dank der weltweiten
       Solidaritätskampagnen 1972 der Todesstrafe entronnen war. „Seize the Time“,
       eine parallele [1][Wanderausstellung in Oakland] und [2][New Jersey,] nimmt
       sich der US-Ikonografie an. Hierbei greifen die Kurator*innen Gerry
       Beegan und Donna Gustafson auf das Angela-Davis-Archiv der in Oakland
       lebenden Sammlerin und Kuratorin Lisbet Tellefsen zurück.
       
       Die Umarmung der Unterdrückten führt zur Atemlosigkeit letzterer. Wie viele
       andere setzte auch Paul Michaelis, Maler und ehemals Rektor der Hochschule
       für Bildende Künste in Dresden, Angela Davis 1972 in Szene. Sein Gemälde
       wurde zuletzt in einem Betrieb des VEB-Kombinats Robotron gesehen und gilt
       seither als verschollen: Es verschwand auf dem Weg ins Depot Schloss
       Beeskow, vielleicht ein letzter (Befreiungs-)Akt von der Angelamania?
       
       30 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.hirmerverlag.de/de/titel-87-2/angela_davis-2058/
   DIR [2] http://www.zimmerlimuseum.rutgers.edu/voorhees-galleries/angela-davis-%E2%80%94-seize-time#.YF8W_h0xkUs
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jochen Becker
       
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