# taz.de -- Umweltpolitik der Bolsonaro Regierung: 59 Initiativen gegen die Umwelt
> Brasiliens Regierung hat die Ablenkung durch Corona systematisch genutzt,
> um die Abholzung von Regenwald zu erleichtern. Das zeigt eine Studie.
IMG Bild: Auch in Brasilien wird geimpft: Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde am Amazonas mit Impfstoffen
Rio de Janeiro taz | Zu sehen ist [1][eine Sitzung des brasilianischen
Kabinetts aus dem April], bei der Umweltminister Ricardo Salles
schwadroniert, wie man den medialen Fokus auf Corona nutzen könne, um
Umweltgesetze ohne Zustimmung des Kongresses zu verändern. Sallesʼ
Forderung in dem Video, „Viehherden“ in den Amazonas „zu treiben“, wurde
inzwischen in Brasilien zu einer Metapher für die Umweltpolitik der
Regierung.
Nun haben Forscher*innen untersucht, welche Konsequenzen die Ablenkung
durch Covid-19 tatsächlich für den Umweltschutz hat. Fazit: „Wir müssen
schlussfolgern, dass die aktuelle Regierung die Covid-19-Pandemie ausnutzt,
um den Umweltschutz in Brasilien zu schwächen.“ In der [2][Studie, die in
der Zeitschrift Biological Conservation veröffentlicht ist], identifizieren
die Autor*innen insgesamt 59 Initiativen, mit denen die Regierung
Umweltschutzrichtlinien geschwächt hat oder noch schwächen will.
Gleich zu Beginn hat das Umweltministerium demnach versucht, den Schutz des
Atlantischen Regenwalds zu lockern. Dadurch könnten nun illegale Rodungen
auf 20.000 Quadratkilometer Land straffrei bleiben. Weiteren 110.000
Quadratkilometern geschützter Vegetation auf Inseln und in
Mangrovengebieten drohen droht die Zerstörung. Nach Protesten wurde die
Initiative zwar vorerst gestoppt. Doch Präsident Jair Bolsonaro zweifelt
die Verfassungsmäßigkeit des Umweltschutzgesetzes vor dem obersten
Gerichtshof an. Eine Entscheidung steht aus.
Zudem wurden Umweltbehörden systematisch umgebaut. Mitarbeiter*innen
mit technischer oder umweltpolitischer Expertise mussten gehen, in vielen
geschützten Gebieten sind Behörden nun unterbesetzt oder ohne Leitung.
Beamt*innen wurden entlassen, weil sie sich gegen die Abholzung
engagierten.
## Drastische Kürzungen bei Umweltbehörden
Im April strahlte eine der populärsten TV-Shows des Landes Aufnahmen aus,
wie Beamte der Umweltbehörde Ibama auf dem Gebiet der Ituna-Itatá-Indigenen
Einsätze gegen Holzfäller und Goldschürfer durchführen. Zwei Tage später
mussten der Umweltschutzdirektor der Ibama und zwei Mitarbeiter ihre Posten
räumen. Zudem kürzte die Bundesregierung die Mittel für Umweltbehörden
drastisch und schränkte Partizipationsmöglichkeiten für die
Zivilgesellschaft ein.
All dies führte laut den Autor*innen der Studie dazu, dass immer weniger
Strafen für Umweltverbrechen verhängt würden. In den ersten sieben Monate
der Pandemie – die die Studie untersucht – waren es 72 Prozent weniger. Das
wiederum führte zu steigenden Abholzungsraten. Auch diese haben während
Corona neue Höchstwerte erreicht.
Was ist nach dem Zeitraum passiert, den die Forscher*innen betrachtet
haben? „Wir glauben, dass die Regierung die Pandemie weiterhin nutzt, um
Umweltschutzrichtlinien zu lockern“, sagte Mitautorin Rita Portela der taz.
Sie ist Biologin und Ökologie-Professorin an der Bundesuniversität von Rio
de Janeiro.
## Pläne, Behörden zusammenzulegen
Sorgen bereiteten ihr vor allem die derzeitigen Pläne der Regierung, die
Umweltbehörde Ibama und das Institut für Biodiversitätserhalt ICMBio
zusammenzulegen. „Das würde eine komplette Umstrukturierung der Organe
bedeuten und sie weiter schwächen.“ Vor wenigen Tagen stellte die Regierung
zudem ihre Pläne für 2021 vor. Dazu gehören mehrere umstrittene Projekte –
wie die Legalisierung von Bergbauprojekten in indigenen Gebieten.
Durch diese Politik, so die Forscher*innen, drohten nicht nur Arten
verloren zu gehen, mehr Treibhausgase zu entstehen und indigene Gemeinden
ausgelöscht zu werden. Der Verlust von Schutzräumen berge noch ein weiteres
Risiko: zoonotische Infektionen und damit die Gefahr neuer Pandemien.
11 Feb 2021
## LINKS
DIR [1] /Bolsonaro-Skandalvideo-in-Brasilien-freigegeben/!5687602
DIR [2] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S000632072100046X
## AUTOREN
DIR Niklas Franzen
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