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       # taz.de -- Ende von Adobe Flash: Ein Fall für den Medienarchäologen
       
       > Am 31. Dezember stellt Adobe die Unterstützung für die Webtechnologie
       > Flash ein. Viel Netzkreativität ist nun dem Untergang geweiht.
       
   IMG Bild: Auch die Flash-basierte 24h Version von Pharrell Williams’ Hit „Happy“ aus dem Internet verschwunden
       
       Jedes Mal, wenn man dieser Tage seinen Internet-Browser öffnet, wird man an
       die Vergänglichkeit der Netzkultur gemahnt. Chrome erinnert einen zum
       Beispiel schon seit Monaten daran, dass Flash „ab Dezember 2020 nicht mehr
       unterstützt“ wird. Und die meisten Nutzer des Programms dürften sich schon
       seit Monaten fragen, was denn um alles in der Welt bloß dieses Flash ist.
       
       Man muss schon ein Web-Veteran sein, [1][um sich an die Zeit zu erinnern,
       in der Flash das heiße, neue Ding im Netz war]. Denn die ersten Seiten, die
       dank der Software mit Klängen, bewegten Bildern und interaktiven Funktionen
       ausgestattet waren und dadurch [2][Leben in eine vorher weitgehend
       statische und graue Webwelt brachten], tauchten 1997 auf. In dem Buch
       „Flash für Dummies“ von 2001 schwärmten die Autoren im Vorwort, dass Flash
       die Software sei, „mit der einige der attraktivsten Websites präsentiert
       werden, die es gibt.
       
       Wenn Sie im Web surfen und auf Sites stoßen, die seitengroße Animationen
       oder Schaltflächen enthalten, die beim Anklicken spektakuläre Funktionen
       ausführen, erleben Sie wahrscheinlich die Magie von Flash in Aktion. Wenn
       Sie eine Website erstellen, können Sie den Grundentwurf mit Flash so
       anreichern, dass Ihre Besucher vor Staunen große Augen bekommen.“
       
       Doch jetzt wird das Programm so gründlich und so endgültig entsorgt, als
       sei es gesundheitsschädlich. Am 31. Dezember wird Adobe – die Firma, der
       Flash seit 2005 gehört – den Vertrieb und die Aktualisierung des Flash
       Players einstellen. Denn das Programm ist inzwischen nicht nur antiquiert,
       sondern auch ein Einfallstor für Hackerangriffe. Ab Januar 2021 wird das
       Flash-Programm von den gängigen Browsern als „veraltet“ blockiert und aus
       dem Quellcode entfernt.
       
       ## Letzte Version mit Zeitbombe
       
       Um die Anzahl der Flash-Installationen weiter zu reduzieren, hat Adobe
       angekündigt, die letzte Version des Programms mit einer „Zeitbombe“
       auszustatten, die weitere Installationen nach dem Verfallsdatum verhindern,
       die Nutzer zur Deinstallation von Flash auffordern und alle bestehenden
       Download-Links für Flash-Installer entfernen soll. 
       
       Dann wird es unmöglich sein, die verbliebenen Seiten zu sehen, die noch mit
       Flash gestaltet sind. Nach Angaben der Website w3techs.com benutzen heute
       nur noch 2,5 Prozent aller Websites Flash, 2011 sollen es knapp 30 Prozent
       gewesen sein. In seiner Hochzeit 2005 war Flash weltweit auf mehr Computern
       installiert als irgendein anderes Medienformat für das Web, einschließlich
       QuickTime, RealNetworks und dem Windows Media Player.
       
       Die Zeiten sind vorbei: In der Computer Bild war schon 2019 von „scheinbar
       ewig gestrige Websites“ und „schwarzen Schafen“ die Rede, die immer noch
       die antiquierte Technik nutzen. In der Tat hat Flash schon seit Jahren
       immer wieder durch Sicherheitslücken auf sich aufmerksam gemacht.
       
       Wenn die führenden Browser keine Flash-Sites mehr zeigen, kann man
       historische Webseiten, in die einige der kreativsten Gestalter in der
       Geschichte des Internets Tausende von Arbeitsstunden investiert haben,
       nicht mehr ansehen. Und es entschwinden einigen der fantasievollsten und
       ungewöhnlichsten Websites, die es je gegeben hat.
       
       ## Die 24-Stunden Version von „Happy“ ist schon weg
       
       Schon jetzt ist ein Flash-basierter Netzklassiker wie die
       24-Stunden-Version von Pharrell Williams’ Hit „Happy“ genauso aus dem
       Internet verschwunden wie das „Museum of Me“, das die Bilder aus dem
       Facebook-Profil seines Anwenders in ein dreidimensionales
       Ausstellungsgebäude übertrug, welches man durchschweifen konnte wie eine
       Gemäldegalerie.
       
       Auch die Werke von renommierten Webdesignern wie Joshua Davies oder Yugo
       Nakamura, von innovativen Internetagenturen wie thevoid oder Tomato werden
       dann endgültig entsorgt. Und damit auch die Erinnerung an eine Art der
       Webgestaltung, die nicht in erster Linie durch das Primat der
       Nutzerfreundlichkeit und durch ein standardisiertes Baukastendesign geprägt
       war.
       
       [3][Der Berliner Medienkünstler Timo Kahlen] hat zwanzig Werke im World
       Wide Web mit der Software gestaltet – alle sind nun in wenigen Tagen dem
       Untergang geweiht. Das Programm hat ihn 2004 als eine Möglichkeit
       fasziniert, Arbeiten mit Klängen und bewegten Bildern für das Web zu
       gestalten.
       
       „Ich bin kein Programmierer, aber die Gestaltung war bei Flash wunderbar
       intuitiv“, erinnert er sich. „Man musste keinen Code schreiben. Und
       manchmal hat man Dinge getan, die so nicht vorgesehen waren. Ich habe
       einfach rumprobiert und gemerkt: Das ist aber jetzt richtig spannend! Es
       knirscht und vibriert, obwohl ich das gar nicht so vorgesehen habe.“
       
       ## Flash-Szene mit eigenen Designerstars
       
       Anfang der Nullerjahre gab es eine regelrechte „Flash-Szene“ mit eigenen
       Designerstars, die in dicken Coffeetable-Books gefeiert wurden. Der
       Taschen-Verlag veröffentlichte eine ganze Buchreihe mit den coolsten
       Flash-Sites. Einen typischen Look gab es dabei nicht, im Gegenteil. Flash
       war so flexibel, dass damit die verschiedensten Darstellungsformen möglich
       waren.
       
       Zarte Kompositionen in gedeckten Farben wie „Rainfall“ von Irene Chan
       entstanden ebenso wie die vom Betrachter manipulierbaren, technoiden
       Skelettkonstruktionen von Joshua Davis’ „Praystation“. Auch Künstler
       entdeckten das neue Medium: Im Auftrag des Museum of Modern Art entwickelte
       der New Yorker Maler Peter Halley eine interaktive Version seiner Gemälde,
       die Künstler Auriea Harvey and Michaël Samyn veröffentlichten ihre
       multimedialen Flash-Liebesbriefe unter dem Titel „skinonskinonskin“ 1999.
       
       Bei der Entstehung einer eigenen Netzkultur spielte Flash eine wichtige
       Rolle. Das Programm war nicht nur die technische Grundlage für das
       Videostreaming bei Youtube, sondern auch für Browserspiele, die auf Seiten
       wie newgrounds.com veröffentlicht wurden. Hier tauchten auch die ersten
       viralen Videos wie „Numa Numa“ auf.
       
       Mit dem „McDonald’s Video Game“, das die italienische Künstlergruppe
       Molleindustries veröffentlichte, um die Geschäftspraktiken des Konzerns zu
       kritisieren, begann die Entwicklung der „Serious Games“. Einige dieser
       Arbeiten werden in Zukunft im Internetmuseum Archive.org zu sehen sein –
       aber aus der freien Wildbahn des Netzes sind sie verschwunden.
       
       ## Der Erfolg des iPhones war das Ende von Flash
       
       Als Steve Jobs 2010 in einem offenen Brief Flash als fehleranfällig und als
       Batteriefresser bei Mobilgeräten kritisierte, nahmen viele Flash-Gestalter
       das zunächst nicht weiter ernst. Aber der Erfolg des iPhones, auf dem Flash
       nicht lief, spielte auch eine Rolle beim Ende des Formats.
       
       Heute kann man mit dem Webcode HTML 5.0 die meisten gestalterischen Ideen
       umsetzen, für die man einst Flash brauchte. Allerdings wollen die meisten
       Auftraggeber solche grafischen Experimente überhaupt nicht auf ihrer
       Website. Vorrang hat die „usability“ – die leichte Navigierbarkeit einer
       Website, die nach vertrauten Mustern organisiert ist.
       
       Timo Kahlen sieht das Verschwinden seiner Werke philosophisch: „Meine
       Arbeiten handeln immer von Fragilität, von Immaterialität, von
       Vergänglichkeit. Jede Technik wird irgendwann durch eine andere Technik
       ersetzt. Ich finde es unheimlich spannend, dass meine Netzarbeiten nun
       historisch werden und in einen Zustand übergehen, den ich als
       Medienarchäologie beschreiben würde.“
       
       Gleichzeitig hat er sich vorgenommen, am 31. 12. noch eine letzte Arbeit im
       Flash-Format auf seiner Website zu veröffentlichen. Sie soll nur für 24
       Stunden unter der Adresse www.staubrauschen.de/error zu sehen sein und dann
       zusammen mit Flash in den ewigen Jagdgründen des Internets verschwinden.
       
       28 Dec 2020
       
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