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       # taz.de -- Soloskipper als Medienstars: Publikum im Boot
       
       > Satellitentechnik und soziale Medien haben die Inszenierung des
       > Hochseesegelns verändert. Die Regatta für Einhandsegler, Vendée Globe,
       > zeigt das.
       
   IMG Bild: Ein Hingucker weniger: Das Favoritenboot mit dem Briten Alex Thomson ist nicht mehr dabei
       
       1.800 Seemeilen westlich von Kapstadt hat Alex Thomson irreparable Schäden
       am Steuerbordruder seiner segelnden Rennyacht festgestellt. Am Samstagabend
       sah sich der 46-jährige Brite gezwungen, bei der Vendée Globe, der am 8.
       November gestarteten Soloregatta um die Welt, nach knapp einem Viertel der
       Strecke aufzugeben und die südafrikanische Hafenstadt anzusteuern. Als der
       nach eigenen Worten „zutiefst enttäuschte“ Thomson dies [1][den 211.780
       Abonnenten seiner Facebookseite] mitteilte, bekam er innerhalb weniger
       Stunden 3.500 Kommentare.
       
       Thomson war der Topfavorit und ist zugleich der Drama- und Medienkönig
       dieser härtesten aller Soloregatten. Er musste bei diesem alle vier Jahre
       stattfindenden Rennen schon zweimal wegen Schäden an seinem Boot aufgeben.
       Einmal wurde er Dritter und zuletzt mit abgebrochener Tragfläche Zweiter.
       Der Waliser versteht zur Freude seines Hauptsponsors, einer schwäbischen
       Modemarke, das Spiel auf der Klaviatur der sozialen wie traditionellen
       Medien. Berühmt wurde er mit zwei Stunts, bei denen er in einem Anzug
       seines Sponsors von der Mastspitze seiner stark krängenden Yacht ins Wasser
       sprang oder cool mit Sonnenbrille und schwarzem Anzug auf der Tragfläche
       der Yacht posierte.
       
       Thomsen hatte jetzt einige Tage das Feld der ursprünglich 33
       Teilnehmer*innen angeführt. Denn er hatte als Einziger den kurzen Weg durch
       ein Sturmtief genommen, statt wie der Rest es zu umfahren. Das könnte sich
       gerächt haben. Schon vor dem Ruderbruch stellte Thomson Risse an
       Verstärkungen im Vorschiff des Kohlefaserrumpfes fest. Er fiel bei der
       mehrtägigen Reparatur, die er in seinen täglichen Social-Media-Postings vom
       Atlantik dokumentierte, um einige Plätze zurück. In seinen Clips von Bord
       steuert er die auf seiner Yacht installierten Kameras mit seinem Handy und
       spricht dabei zu seinen Zuschauer*innen. Doch auch die anderen
       Skipper*innen inszenieren sich inzwischen mit täglichen Clips im Internet,
       wenngleich nicht so erfolgreich wie Thomson.
       
       Aus einsamem Hochseerennen fern der Küsten wurde so bei Extremregatten wie
       der Vendée Globe ein Publikumssport. Statt nur die sporadisch über Funk
       verbreiteten Positionsmeldungen zu erhalten, können die Zuschauer heute
       über Wochen auch dank Satellitentracking inklusive jeweiligem Wetter fast
       live mitfiebern. Beim Ocean Race, einer Um-die-Welt-Regatta von Teams,
       fährt inzwischen zudem pro Boot eigens ein Kameramann mit, der täglich die
       Social-Media-Kanäle mit Bildern füttert. Bei der Vendée Globe müssen die
       Soloskipper dagegen die Bilder selbst liefern und sich dabei stets selbst
       präsentieren.
       
       Tägliche Inszenierung 
       
       Traditionell ist Regattasegeln publikumsfeindlich. Kaum sichtbar vom Ufer
       drehen Boote für Laien rätselhafte Runden. Segler, die früher so gut wie
       alle männlich waren, sind dazu auch noch oft kauzige, eher wortkarge Typen,
       die sich auf dem Wasser viel wohler fühlen als im Rampenlicht an Land. Das
       Paradebeispiel war der Franzose Bernard Moitessier. Er hatte bei der ersten
       Soloregatta um die Welt 1968/69 gute Chancen, das Golden Globe Race zu
       gewinnen, fürchtete aber dann, dem Rummel nicht gewachsen zu sein oder der
       Häme bei schlechtem Abschneiden. Statt von Kap Hoorn nach England ins Ziel
       zu segeln, gab er auf und fuhr lieber nonstop weiter nach Tahiti. Dabei
       hatte schon damals der Sunday Telegraph die Regatta aus medialem
       Vermarktungsinteresse initiiert gehabt.
       
       Im modernen Regattasport, in dem wegen der Kosten für Boot und Material
       längst das Sponsoring eingezogen ist, kämpfen die Skipper nicht mehr nur
       wochenlang gegen Wind und Wellen, sondern auch auf dem Ozean um ihre
       mediale Wahrnehmung. Veranstalter und Landteams helfen mit Clips und
       Interviews zum Wetter, zur Route, zu taktischen oder bootsbauerischen
       Finessen. Für viele wird so der komplexe Segelsport erst verständlich und
       attraktiv und bekommt durch die täglichen Inszenierungen der Skipper
       glorreiche wie tragische Helden.
       
       Mit der Medialisierung sehr gut zurecht kommt der Deutsche Boris Herrmann,
       der derzeit bei der Vendée Globe auf einem hervorragenden 8. Platz liegt.
       Am Sonntagabend war er live vom Südatlantik aus [2][per Satellit direkt in
       die TV-Sendung „NDR Sportclub“ zugeschaltet.] Am Freitag hatte er während
       der Regatta eine Pressekonferenz gegeben. „Die Kommunikation mit der
       Außenwelt macht mir das Alleinsein einfach“, sagte Herrmann.
       
       Der 39-jährige Hamburger, der 16.600 Abonnenten bei Facebook und 49.600 bei
       Instagram hat, ist erstmals bei der Vendée Globe dabei, aber längst ein
       Medienprofi. Dies zeigte sich schon, als er die [3][schwedische
       Klimaaktivistin Greta Thunberg auf seiner Regattayacht nach New York] fuhr
       und so über Segelkreise hinaus bekannt wurde.
       
       Jetzt packte er an einem Flautentag sogar eine Drohne aus und lieferte
       Bilder seines Bootes und die eines in Sichtweite fahrenden Konkurrenten von
       hoher See. In seinen täglich zwei bis drei Videos von Bord berichtet
       Herrmann nicht nur von den Strapazen des Rennens, sondern erklärt auch Boot
       und Technik. Dabei kommt er sympathisch und authentisch rüber. Als er
       kürzlich für eine Reparatur in den 29 Meter hohen Mast klettern musste,
       filmte er auch diese Aktion, machte aber keinen Hehl aus seiner Höhenangst.
       Sein französischer Freund und Konkurrent Thomas Ryant, der derzeit auf dem
       zweiten Platz liegt, wirkte zuvor in seinem Video von der Reparatur an der
       Mastspitze abgeklärter und cooler. Das Publikum an den Bildschirmen erlebte
       unterschiedliche Charaktere, die eine schwierige Siuation auf See
       meisterten.
       
       Sollte Boris Herrmann ab Mitte Januar beim Zieleinlauf in Frankreich unter
       den Schnellsten sein, könnte sein sportlicher wie medialer Erfolg dem
       deutschen Segelsport einen kleinen Boom bescheren.
       
       1 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://de-de.facebook.com/AlexThomsonRacing/
   DIR [2] https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/sportclub/Vendee-Globe-Boris-Herrmann-kaempft-mit-Stress-und-Erschoepfung,sportclub11698.html
   DIR [3] /Thunbergs-Segelreise-in-die-USA/!5615733
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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