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       # taz.de -- Regierungsbildung in Belgien: Die gaaanz große Koalition
       
       > Anderthalb Jahre nach den Wahlen bekommt Belgien eine neue Regierung. Sie
       > umfasst sieben Parteien. Premier wird der Liberale Alexander De Croo
       
   IMG Bild: Der zukünftige Premier De Croo ist seit 2012 Vizepremier und war zuletzt auch Finanzminister
       
       Amsterdam taz | “Vivaldi“– so wird in Belgien die neue Koalition genannt,
       die [1][nach 492 Tagen Verhandlungen] am Mittwochmorgen besiegelt wurde.
       Die Farben der beteiligten Parteien erinnern mit Grün, Rot, Orange und Blau
       an die vier Jahreszeiten – und damit an das Werk des Komponisten. Die
       sieben Parteien decken beinahe das gesamte politische Spektrum ab:
       Liberale, Sozialdemokraten und Grüne sind jeweils mit beiden Abteilungen
       vertreten – der französisch- sowie der niederländischsprachigen. Hinzu
       kommen die flämischen Christdemokraten. Am Donnerstag wird die neue
       Regierung vereidigt.
       
       “Wir haben geschafft, was in unserem Land lange, zu lange unmöglich schien:
       die Bildung einer föderalen Regierung“, kommentierte der zukünftige Premier
       Alexander De Croo nach einer nächtlichen Marathonsitzung samt
       abschließender Visite bei König Philippe. Gemeinsam mit Paul Magnette, dem
       Vorsitzenden der frankofonen Parti Socialiste (PS), war De Croo genau eine
       Woche zuvor vom König zu “Formateuren“ der Koalition ernannt worden. Nach
       [2][rund anderthalb Jahren vergeblicher Verhandlungen] waren sie vermutlich
       der letzte Ausweg vor Neuwahlen.
       
       Der 44-jährige De Croo ist seit 2012 Vizepremier und war zuletzt auch
       Finanzminister. Der liberale Politiker aus Vilvoorde nahe Brüssel ist
       Wirtschaftsingenieur und arbeitete zwischen 1999 und 2006 für eine große
       Unternehmensberatung. Er folgt auf die Liberale Sophie Wilmès.
       
       Das vorläufige Koalitionsabkommen, das von den Mitgliedern der beteiligten
       Parteien noch angenommen werden muss, kündigt Milliarden-Investitionen im
       Gesundheitssektor, Digitalisierung und Sicherheit an. Auch eine leichte
       Steigung der Rentenbezüge steht in Aussicht wie die Besteuerung von
       Internetgiganten und der bislang verschobene Atomausstieg 2025. Die
       Erhöhung des Rentenalters der Mitte-rechts-Vorgänger-Regierung unter
       Charles Michels wird entgegen den PS-Plänen nicht rückgängig gemacht.
       
       Das Programm bietet einen Vorgeschmack auf den Balanceakt, der für die neue
       Regierung quasi zum Normalzustand wird. Die Unterschiede zwischen den
       Parteien sind erheblich, und auf ihnen lastet der Druck, die strukturelle
       politische Krise des Landes nicht weiter eskalieren zu lassen. Der als
       pragmatisch geltende De Croo, ein einstiger Jungunternehmer mit digitalem
       Start-up, könnte die Partnerinnen als Premier durchaus zusammenhalten –
       obschon die Tageszeitung De Standaard spöttisch bemerkt: “Bislang ist
       undeutlich, was sein Erbe wäre, wenn er die Politik verließe.“
       
       ## Gegenwind aus Flandern
       
       Deutlich ist, dass seiner Regierung ein schneidiger Wind aus dem nördlichen
       Landesteil Flandern entgegenwehen wird. Und zwar nicht nur seitens des
       rechtsextremen Vlaams Belang (VB), der am Wochenende bereits gegen
       „Vivaldi“ protestierte. Auch die Nieuw- Vlaamse Alliantie (N-VA), bis 2018
       Koalitionspartnerin der Liberalen und den bürgerlichen Teil des flämischen
       Nationalismus vertretend, wird eine heftige Opposition führen. Sie wird
       immer wieder auf das große Manko der neuen Regierung verweisen: Selbst vier
       beteiligte flämische Parteien sind zusammen noch immer kleiner als die
       beiden nationalistischen.
       
       30 Sep 2020
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Müller
       
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