URI:
       # taz.de -- Presserat über die Polizei-Kolumne: Menschenwürde nicht verletzt
       
       > Der Presserat sieht in der Kolumne von Hengameh Yaghoobifarah keinen
       > Verstoß gegen das Presserecht. Der Text sei von der Meinungsfreiheit
       > gedeckt.
       
   IMG Bild: Die Beschwerden gegen die Polizeikolumne wies der Presserat durchweg als „unbegründet“ zurück
       
       Freiburg taz | Der Deutsche Presserat hat die Beschwerden gegen [1][die
       umstrittene Polizeikolumne] der taz-Autor*in Hengameh Yaghoobifarah als
       „unbegründet“ zurückgewiesen. Das „Gedankenspiel“ der Autor*in, dass nur
       die Mülldeponie ein geeigneter Ort für Ex-Polizisten wäre, sei von der
       Meinungsfreiheit gedeckt.
       
       In der Kolumne, die am 15. Juni in der taz erschien, protestierte
       Yaghoobifarah satirisch-polemisch gegen strukturellen Rassismus bei der
       Polizei. Unter dem Titel „[2][All cops are berufsunfähig]“ beschäftigte
       sich Yaghoobifarah mit der Frage, was mit Polizeibeamt*innen geschehen
       soll, falls die Polizei aufgelöst würde, wie nach dem Mord an George Floyd
       in den USA diskutiert. Yaghoobifarahs Antwort: Die Ex-Polizist*innen
       sollten auf die Müllhalde, „wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind“
       und kein Unheil anrichten können.
       
       Es folgte der Satz, der auch innerhalb der taz viel diskutiert wurde:
       „Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.“ In
       ihrer Stellungnahme schrieb Yaghoobifarah, dass mit der Formulierung „unter
       ihresgleichen“ andere „Ex-Cops“ gemeint waren.
       
       Gegen die Kolumne gingen beim Deutschen Presserat 382 Beschwerden ein,
       darunter etliche von Polizeivertreter*innen. Sogar Bundesinnenminister
       Horst Seehofer hatte sich an den Presserat gewandt, nachdem er auf [3][eine
       zunächst angekündigte Strafanzeige] verzichtete. Nach Einschätzung des
       Presserats gab es noch nie so viele Beschwerden über einen konkreten Text.
       
       ## Beschwerden „unbegründet“
       
       Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2019 erreichten den Presserat 2.175
       Eingaben. Die Beschwerden gegen Yaghoobifarahs Text stützen sich vor allem
       auf Ziffer 1 des Pressekodex, wonach die „Wahrung der Menschenwürde“ zu den
       obersten Geboten der Presse zählt.
       
       Doch der Presserat wies die Beschwerden nun durchweg als „unbegründet“
       zurück. Die Polizei als Teil der Exekutive müsse sich gefallen lassen, von
       der Presse scharf kritisiert zu werden. Die Satire von Yaghoobifarah
       beziehe sich im Kern auf die gesellschaftliche [4][Debatte über Probleme
       bei der Polizei] wie Rechtsradikalismus, Gewalt und Rassismus.
       
       Die Kolumne verstoße nicht gegen die Menschenwürde von Polizist*innen, da
       sich die Kritik nicht auf Einzelpersonen, sondern auf eine Berufsgruppe
       beziehe, so der Presserat. Die Annahme, dass nur die „Mülldeponie“ als Ort
       für Ex-Polizist*innen geeignet sei, berühre „Geschmacksfragen“, über die
       sich streiten lasse. Die Interpretation mancher Beschwerdeführer,
       Polizisten würden hier mit Müll gleichgesetzt, hielt der Presserat für
       „nicht zwingend“.
       
       Das „drastische Gedankenspiel“ biete vielmehr Raum für unterschiedliche
       Interpretationen und falle daher noch unter die Meinungsfreiheit. Der
       Presserat wies auch die Annahme mancher Beschwerdeführer zurück, hier werde
       eine „soziale Gruppe“ diskriminiert und Ziffer 12 des Pressekodex verletzt.
       Die Polizei falle als „gesellschaftlich anerkannte Berufsgruppe“ nicht
       unter den Diskriminierungsschutz des Pressekodex – „anders als etwa
       Angehörige von religiösen oder ethnischen Minderheiten“.
       
       ## Auch kein Ermittlungsverfahren
       
       Der Deutsche Presserat besteht seit 1956 und versteht sich als
       Selbstkontrolle der Presse. Den Beschwerdeausschüssen gehören jeweils acht
       Mitglieder an – vier Vertreter der Verlegerverbände und vier Journalisten,
       die von den Gewerkschaften entsandt werden. Der Presserat wacht über die
       Einhaltung presseethischer Grundsätze. Als Sanktion kann er Rügen
       aussprechen.
       
       Am Montag wurde bekannt, dass die Berliner Staatsanwaltschaft
       voraussichtlich [5][kein Ermittlungsverfahren gegen Yaghoobifarah]
       einleiten wird. Auch die Ankläger sehen die Kolumne als von der
       Meinungsfreiheit gedeckt an.
       
       8 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /taz-Kolumne-zur-Polizei/!5696716
   DIR [2] /Abschaffung-der-Polizei/!5689584
   DIR [3] /Seehofers-Anzeige-Ankuendigung-gegen-taz/!5697052
   DIR [4] /George-Floyd/!t5689277
   DIR [5] /Umstrittene-taz-Kolumne-zu-Polizei/!5712672
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
       ## TAGS
       
   DIR Presserat
   DIR Meinungsfreiheit
   DIR Anzeige
   DIR Schwerpunkt Debatte über Kolumne in der taz
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Schwerpunkt Pressefreiheit
   DIR Schwerpunkt Debatte über Kolumne in der taz
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR NSU 2.0
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Sprachpolitik bei der „New York Times“: Seismograf der Welt-Öffentlichkeit
       
       Die „New York Times“ streitet über Rassismus und Sprachpolitik,
       Mitarbeiter*innen kündigen. Warum interessiert das die Welt?
       
   DIR Staatsanwaltschaft über Polizeikolumne: Zulässige Systemkritik
       
       Die Berliner Staatsanwaltschaft wird wegen der Kolumne „All cops are
       berufsunfähig“ nicht gegen die taz-Autor:in Hengameh Yaghoobifarah
       vorgehen.
       
   DIR Umstrittene taz-Kolumne zu Polizei: Nicht strafbar
       
       Die Staatsanwaltschaft wird wohl keine Ermittlungen gegen Hengameh
       Yaghoobifarah einleiten. Die Kolumne der taz-Autor*in hatte eine
       Kontroverse ausgelöst.
       
   DIR taz-Recherche zu Drohmails: Wer steckt hinter „NSU 2.0“?
       
       Seit Jahren bekommen Menschen, die sich gegen rechts stellen, Morddrohungen
       vom „NSU 2.0“. Wer verschickt sie? Die Spur führt vor die Haustür eines
       Polizisten.
       
   DIR taz-Autor*in bekommt Drohbriefe: Schützenhilfe von der Polizei?
       
       Die Hamburger Polizei hat Daten von taz-Autor*in Hengameh Yaghoobifarah
       abgefragt. Kurz darauf erhielt Yaghoobifarah eine Drohmail des „NSU 2.0“.