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       # taz.de -- Schlange stehen für Aldi-Mode: Läuft bei Ebay
       
       > Security ist da, die Leute haben Klappstühle mit, die Schlange ist lang
       > vor einem Aldi Pop-up-Store in Berlin. Es gibt was umsonst. Aber nur
       > kurz.
       
   IMG Bild: Aldi ist plötzlich Mode. Kann man sich nicht besser ausdenken
       
       Die Menschenschlange ist sehr lang. Sie zieht sich die Modersohnstraße in
       Friedrichshain entlang, dann in eine Seitenstraße und mündet irgendwo in
       einer Lagerhalle, die auch als Event-Location dient. Für was bitte steht
       ihr hier alle an, frage ich eine junge Frau. Werden hier iPhones
       verschenkt? Verteilt Taylor Swift persönlich Autogrammkarten? “Wir wollen
       Klamotten von Aldi“, lautet die Antwort, “die ersten 650 Besucher bekommen
       fünf Teile geschenkt.“
       
       Die Leute haben Klappstühle mitgebracht, Security ermahnt sie immer wieder,
       Corona-Hinweis-Schilder wurden angebracht: Bitte Masken aufziehen, Abstände
       wahren. Es geht nur recht schleppend voran. Ein paar Jungs kommen gerade
       mit ihren gefüllten Aldi-Plastiktüten aus dem Pop-up-Store, den der
       Discounter eingerichtet hat. Sechs Stunden seien sie angestanden, morgen
       wollen sie wiederkommen.
       
       Wegen Klamotten von Aldi? Jein. Eher wegen: [1][Fashion des Brands “Aldi
       Original“.] Der Konzern Aldi Nord hat sich da etwas Schönes ausgedacht. Er
       hat Anzüge, Tennissocken und sogenannte “Aldiletten“ im Design des
       ikonischen Aldi-Logos entwerfen lassen, die allesamt nicht regulär im
       Handel erhältlich sind. Sondern nur verlost werden und eben hier, vier Tage
       lang für ein paar Glückliche mit zu viel freier Zeit verschenkt werden.
       
       Flankiert wird das Ganze von einer aufwendigen Social-Media-Kampagne und
       einem Youtube-Clip, in dem der Lifestyle der Aldi-Jugend gezeigt wird. Das,
       was einen in der Lagerhalle erwartet, nennt sich “Exhibition“ und man wird
       angehalten, sich noch vor Ort mit seinen Geschenken “instagrammable“ zu
       inszenieren.
       
       ## Jugendliche Hipster
       
       Wer nun vielleicht denkt, Aldi wäre mit seiner Kampagne in Marzahn besser
       aufgehoben, irrt. Hier vertrödeln nicht irgendwelche Prolls mit einem
       Schultheiss in der Hand den halben Tag, sondern jugendliche Hipster. Die
       Leute holen sich keine Hoodies, auf denen vorne groß “Aldi“ steht, weil sie
       denken, das sind genau die richtigen Klamotten für den nächsten
       Corona-Lockdown, wo es dann sowieso egal ist, mit welchem Plunder man den
       ganzen Tag einsam auf dem Sofa verbringt. Sondern weil Aldi jetzt irgendwie
       cool und voll Street ist. “Wow, du trägst Aldi Original“, das ist ein Satz,
       der nun wahrscheinlich öfter auf deutschen Schulhöfen zu vernehmen ist.
       
       [2][Der Schauspieler Lars Eidinger] hat vor ein paar Monaten großes
       Aufsehen damit erregt, eine Tasche im Aldi-Nord-Plastiktüten-Design kreiert
       zu haben. Mit der ist er dann öffentlichkeitswirksam im Obdachlosen-Milieu
       spazieren gegangen und sah dabei aus wie ein Hartzer mit Alkoholproblemen.
       Nur dass seine, natürlich auch limitierte, Tasche 550 Euro kostete.
       
       Aldi ist hier nicht mehr die Marke für Leute, die sich nur billig leisten
       können, sondern für solche, von denen jeder weiß, dass sie viel zu viel
       Geld haben, um aus existenziellen Gründen beim Discounter shoppen gehen zu
       müssen. Auch irgendwelche deutschen Gangsta-Rapper haben längst kein
       Problem damit zuzugeben, dass sie gerne mit dem Ferrari bei Aldi vorfahren,
       um dort ihren Schampus zu besorgen.
       
       [3][Mit Begriffen wie Habitus und Distinktion, die der französische
       Soziologe Pierre Bourdieu] geprägt hatte, wurde bislang gerne erklärt, wie
       und warum sich die Leute durch den Konsum teurer Markenartikel ein höheres
       gesellschaftliches Standing erhoffen. Aldi Original lässt diese ganzen
       schönen Theorien nun Achterbahn fahren. Das Zeugs kostet gar nichts und wer
       es trägt, scheint voller Stolz einen auf Unterschichtsangehörigen zu
       machen.
       
       Ein paar ironische Drehungen weiter ist der Krempel freilich wieder irre
       exklusiv und dank Ebay sauteuer. Die Jungs, die ich vor dem Pop-up-Store
       von Aldi getroffen habe, meinten, für sich selbst seien sie für den Kram
       gar nicht angestanden. Alles werde weiterverkauft. Einer von ihnen hat den
       Aldi-Anzug geschossen. „Der wird bei Ebay für 700 Euro angeboten und geht
       weg wie warme Semmeln“, sagt er.
       
       25 Sep 2020
       
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