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       # taz.de -- Was Zehenschuhe über dich verraten: Schweinehufe als Utopie
       
       > Das Schuhwerk erzählt viel über die Träger*in. Nicht alle Schuhe sind
       > dabei für den langen Marsch in eine bessere Welt geeignet.
       
   IMG Bild: Für herausragende Ästhetik sind weder Zehenschuhe noch Trekkingsandalen bekannt
       
       Als sich in den vergangenen Wochen herausstellte, dass die Faszination, die
       von Stiefeln ausgeht, unter meiner Leser:innenschaft nicht nur modischer
       Natur zu sein scheint, war für mich klar: Ich schaffe eine gemeinsame
       Grundlage, um alle abzuholen – nur vielleicht nicht mit dem Verkehrsmittel
       ihrer Wahl. In Schuhen steckt mehr über unsere Gesellschaft, als Sie
       denken. Keine Sorge, [1][die Plastikschlappen bleiben heute im Schrank],
       wir greifen stattdessen nach zehenbetontem Schuhwerk.
       
       In der einen Hand halten wir ein paar Zehenschuhe (Marke egal), in der
       anderen die ikonischen Tabi Boots von Maison Margiela. Was Zehenschuhe
       sind, muss ich taz-Leser:innen nicht erklären, vielleicht nur ein Satz für
       alle, die noch nie in Freiburg waren: Kennen Sie diese Zehensocken, in
       denen jeder einzelne Zeh wie bei einem Handschuh ein eigenes Abteil
       bekommt, während normale Socken eher wie Fäustlinge funktionieren? Das gibt
       es auch als unvergleichlich hässlichen Schuh.
       
       Und dann gibt es Tabis. Bevor sie zu High-Fashion-Tretern wurden, waren es
       japanische Arbeiter:innenschuhe, und davor Socken, die den großen Zeh von
       den restlichen abtrennen. Als ich meine pinken Tabi Boots bestellte, sagte
       eine Freundin zu mir, die Stiefel verwandelten meine Füße in Schweinehufen.
       Das Erste, was ich in ihnen tat, war in einem monochromen pinken Outfit ein
       paar Selfies zu schießen. Als Hintergrund retuschierte ich mal was anderes
       hinein: Schweinefell statt Migration. Für eine muslimisch sozialisierte,
       vegetarisch lebende, dicke Person begeben wir uns mindestens auf die
       Haramstufe Fuchsia. Das Label „fette Sau“ bekommt mehr Layer als Lasagne.
       Bei aller Ehre: Miss Piggy could never.
       
       Tabi Boots versus Zehenschuhe: Ihre einzige Gemeinsamkeit ist ihre
       Unvereinbarkeit mit herkömmlichen Socken. Das war’s. Erstere stehen für
       eine Sehnsucht, eine ästhetische Verfremdung unserer Sehgewohnheiten, für
       maßlosen Luxus, für einen Anspruch, Wirklichkeiten zu schaffen, die wir
       beim ersten Blick nicht für möglich halten. Unmöglich ist zwar auch der
       erste Eindruck, den Zehenschuhe vermitteln, jedoch auf eine traurigere Art.
       Sie existieren, weil sie es können. Weil der Komfort der einen über das
       ausgelöste Unbehagen der anderen gestellt wird.
       
       Wenn Tabi Boots für Utopien stehen, sind Zehenschuhe die triste Realität,
       die uns zurück auf den Boden zerrt. Tabis sind Maßnahmen, um Gerechtigkeit
       für Schwarze Menschen einzuleiten, und Zehenschuhe inhaltsleere schwarze
       Quadrate auf Instagram. Tabis sind die Verbesserung der Verhältnisse durch
       Umverteilung von Reichtum, Zehenschuhe die gegenwärtige Ausbeutung von
       Pflegekräften und Arbeiter:innen von der Fleischfabrik bis zum Spargelfeld.
       Tabis sind 50 Jahre queerer Aufstand und Zehenschuhe ein Interview zum
       CSD-Wochenende, in dem zwei Typen mit weiß-schwuler Identitätspolitik auf
       nichtbinäre trans Leute spucken.
       
       27 Jul 2020
       
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