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       # taz.de -- Hausangestellte in Lateinamerika: Kaserniert oder gefeuert
       
       > In Lateinamerika schuften Millionen, meist Frauen, für Besserverdienende.
       > Sie gehören zu den Verliererinnen der Pandemie. Peru will das jetzt
       > ändern.
       
   IMG Bild: Schon lange kämpfen Hausangestellte für ihre Rechte, hier ein Demo 2012 in Lima
       
       Innerhalb von einer Woche hat Sofia Basilio eine emotionale Achterbahnfahrt
       erlebt. Seit mehr als 20 Jahren setzt sie sich mit ihrer
       Weiterbildungsagentur [1][Casa de Panchita] in Lima für die Rechte von
       Hausangestellten ein. Die sollen in Peru endlich gesetzlich geregelt
       werden, der Entwurf wird gerade diskutiert. Doch als Basilio als Expertin
       ins Arbeitsministerium geladen wurde, sah es nicht nach einem fairen
       Verfahren aus: „Bei der ersten Sitzung im Arbeitsministerium hatte ich das
       Gefühl, dass ich einer Runde von Arbeitgebern gegenübersitzen würde“, sagt
       sie.
       
       Basilio kennt deren Macht, von ihrem siebten bis zum 35. Lebensjahr hat sie
       andere Menschen bekocht, bedient und für sie geputzt. Doch dem ersten
       Treffen folgte ein zweites und nun ist sie einigermaßen zufrieden. „Der
       Gesetzesentwurf entspricht jetzt den Vorgaben der IlO-Konvention 189 für
       Hausangestellte, für die wir lange gekämpft haben. Er kommt nur reichlich
       spät“, kritisiert die Arbeitsrechtsaktivistin, die heute Mitte 50 ist.
       
       Im Juni 2011 wurde die Konvention von der Internationalen
       Arbeitsorganisation, kurz ILO, verabschiedet. Im Juni 2019 unterschrieb sie
       die peruanische Regierung, ein Jahr später läuft die Implementierung in
       nationales Recht. Bis zum September soll das neue Gesetz im Parlament
       diskutiert und dann verabschiedet werden. Ein langer, für Basilio zu langer
       Weg.
       
       Denn Zehntausende von Hausangestellten, meist Frauen, sind in [2][Peru
       wegen Corona] zwischen März und Mai vor die Alternative gestellt worden:
       Kasernierung oder Entlassung. Arbeitsrechte: Fehlanzeige. „Entweder die
       Hausangestellten leben mit der Familie, für die sie arbeiten, gehen nicht
       vor die Tür, um das Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten, oder
       sie verlieren den Job“, schildert Sofia Basilio das erpresserische Vorgehen
       vieler Arbeitgeber in Peru. „Die Arbeitgeber agieren wie im letzten
       Jahrhundert“, kritisiert sie.
       
       Das muss sich mit dem neuen Gesetz ändern. Nach langen Jahren der Proteste
       ist klar, dass Hausangestellte, rund 90 Prozent von ihnen Frauen, die
       gleichen Rechte wie andere Arbeiter*innen erhalten, inklusive Mindestlohn.
       Das Arbeitsverhältnis muss zudem schriftlich fixiert werden. In Peru ein
       Novum, bisher haben 92 Prozent der zwischen 500.000 und eine Million
       Hausangestellten nur eine mündliche Arbeitsvereinbarung. Der Lohn ist
       fortan frei aushandelbar, darf aber den offiziellen Mindestlohn nicht
       unterschreiten, so der Gesetzesentwurf.
       
       Noch allerdings könne der Text im Parlament verwässert werden, befürchtet
       Basilio. Doch etliche Parlamentarier haben sich bereits öffentlich für den
       Gesetzesentwurf starkgemacht und im September steht die turnusmäßige
       Berichterstattung gegenüber der ILO an. Dann will die Regierung von
       Präsident Martín Vizcarra das Gesetz präsentieren, wie andere Staaten
       Lateinamerikas zuvor, so der Eindruck linker Parlamentarier wie Marco Arana
       von der Frente Amplio. Peru ist ein Nachzügler, denn eine ganze Reihe von
       Regierungen, darunter Uruguay, Bolivien und Mexiko, haben die
       ILO-Konvention bereits ratifiziert und auch implementiert.
       
       ## Sklavenähnliche Zustände
       
       Auch in Mexiko kam es ähnlich wie in Peru zu einer Entlassungswelle. Der
       Grund liegt laut Marcelina Bautista auf der Hand: „In Mexiko sind die
       Gesetze zum Schutz der Rechte von Hausangestellten erst seit dem Mai 2019
       in Kraft. Viele Arbeitgeber wissen davon nichts, andere setzen sich bewusst
       darüber hinweg und ignorieren die Rechte ihrer Angestellten“, so die
       Direktorin des Zentrum zur Unterstützung und Weiterbildung von
       Hausangestellten (CACEH) in Mexiko-Stadt.
       
       Sie hat in Mexiko eine Gewerkschaft für Hausangestellte gegründet und
       engagiert sich in ganz Lateinamerika für die Ratifizierung und
       Implementierung der ILO-Konvention 189. Ein zäher Prozess, der in Mexiko
       erst abgeschlossen ist, wenn die Umsetzungsverordnungen und damit auch das
       Strafmaß für Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen erlassen sind.
       Dann erst hätten die 2,3 Millionen Hausangestellten eine konkrete Handhabe,
       um gegen Diskriminierung und Entrechtung durch die Arbeitgeber vorzugehen,
       so Bautista.
       
       Während der Pandemie ist beides weit verbreitet. „Viele der Arbeitgeber
       schreiben ihren Angestellten vor, die Wohnung nicht zu verlassen, um ihre
       eigene Familie nicht zu gefährden. De facto sind das sklavenähnliche
       Zustände“, kritisiert sie. Schutzmaterialien wie Masken und Handschuhe
       erhielten die Hausangestellten in der Pandemie oft nicht von den
       Arbeitgebern gestellt, wie auch in Peru.
       
       Dort ist der miese Umgang mit den Hausangestellten mittlerweile ein Thema.
       Nicht nur, weil die Gesetzesvorlage auf dem Weg ist, sondern auch, weil die
       Medien auf die prekäre Situation der dienstbaren Geister in Kittelschürzen
       aufmerksam machen. Für Sofia Basilio ist das ein Fortschritt.
       
       2 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://lacasadepanchita.com/
   DIR [2] /Peru-im-Corona-Lockdown/!5683142
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Knut Henkel
       
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