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       # taz.de -- Nachruf auf Florian Schneider-Esleben: Fahr'n, fahr'n, fahr'n
       
       > Florian Schneider-Esleben ist tot. Das Mastermind der Düsseldorfer
       > Elektronikpopband Kraftwerk ist an einem Krebsleiden gestorben.
       
   IMG Bild: Elektronische Popmusik wäre undenkbar ohne die Vorarbeit von Kraftwerk
       
       „Autobahn“, „Trans Europa Express“, „Die Roboter“. Wer diese Worte liest,
       kennt sofort die dazugehörige Musik, kennt ihre mild tönenden, sanft
       futuristischen hypnotischen Klänge, kennt den wortkargen und sonoren
       Sprechgesang, kennt die scheinbar biedere Ingenieursinszenierung, kennt
       also die Geschichte der Düsseldorfer Band Kraftwerk, in deren Zentrum die
       beiden Musiker Ralf Hütter und Florian Schneider-Esleben stehen.
       
       Elektronische Popmusik wäre von heute aus gesehen undenkbar ohne die
       Vorarbeit von Kraftwerk. Ohne ihre visionären Songs. Ohne die
       minimalistischen Hooklines und den selbstverständlichen Einsatz von
       Synthesizern, Sprachcomputern, Drummaschinen und Sequenzern. Nur, dass
       Kraftwerk mit diesem Fuhrpark bereits ab den Siebzigern herumexperimentiert
       hatten und damit einen einzigartigen Sound schufen, lange vor allen
       anderen.
       
       ## Raus dem Nachkriegsmief
       
       Dieser Sound zog Westdeutschland ein Stück weit aus dem Nachkriegsmief, weg
       vom braven Anglophilen, Provinziellen und Epigonalen, hin zu
       konstruktivistischen Ideen, wie es sie bereits am Bauhaus gab. Kraftwerk
       klangen wie … Kraftwerk. Getreu ihrem schwer-industriellen Bandnamen
       wollten die Musiker die Nazizeit nicht ungeschehen machen, sie gingen
       lieber zurück zu Fritz Lang und seiner „Metropolis“-SciFi-Inszenierung
       („Metropolis“ heißt auch ein Song auf dem Album „Mensch-Maschine“), um Pop
       made in West-Germany als eigenständiges Ding zu verkaufen.
       
       Während sie hierzulande zunächst dafür belächelt wurden, kam der Erfolg
       über das angloamerikanische Ausland. Und nicht nur dort, HörerInnen aus der
       ganzen Welt begannen sich durch den Einfluss von Kraftwerk für dieses Land
       und seine umständliche Sprache zu interessieren. Erst mochten sie nur die
       schnellen Autos, dann imitierten sie auch die Synkopenläufe von
       Kraftwerksongs und sangen „fahr'n, fahr'n, fahr'n auf der Autobahn.“
       
       Schneider-Esleben, Sohn des berühmten Architekten Paul Schneider-Esleben,
       spielte bei Kraftwerk in der Frühphase (gegründet wurde die Band 1968 mit
       dem K-Gruppennamen „Organisation“) zunächst Querflöte und setzte diese in
       den noch freakig-angejazzten Krautrockjams der Frühphase zusammen mit
       Glöckchen und Vibrafon prominent ein. Bald gelte er ingenieursmäßig die
       Haare zurück und nahm vor den Synthesizern Aufstellung. Späterhin wirkte
       das manchmal wie eine Powerpoint-Präsentation, zunächst aber betörte das
       betont [1][antirockistische, eckige Image] der Band.
       
       ## Nur noch Konzeptalben
       
       Ab 1974 veröffentlichten Kraftwerk nur noch Konzeptalben: angefangen mit
       „Autobahn“ und seinem mehr als 22-minütigen, epischen Titelsong und der dem
       Fernstraßen-Verkehrsschild nachempfundenen Covergestaltung.
       „Radioaktivität“ (1975), „Mensch-Maschine“ (1977) und schließlich
       „Computerwelt“ (1981) zementierten den Ruf von Kraftwerk als
       kühl-kalkulierte Machinenmusikband. Das war richtig coole Popmusik, die
       auch auf der Tanzfläche zu ekstatischen Verrenkungen führte.
       
       Bei Pop mit derartiger Breitenwirkung entstehen fast zwangsläufig
       Nebeneffekte, wie der, dass der New Yorker HipHop-Pionier Afrika Bambaataa
       für seinen Track „Planet Rock“ den Kraftwerk-Song „Trans Europa Express“
       sampelte und damit seinerseits wilde Sampleorgien auslöste. Oder, dass
       Kraftwerk bei ihren US-Touren vor allem in der darniederliegenden Autostadt
       Detroit beliebt waren, wo sich die afroamerikanischen Fans in die scheinbar
       heile Zukunftswelt von Kraftwerk verguckten, und ihrerseits mit
       elektronischen Klangerzeugern experimentierten, sobald diese erschwinglich
       wurden: Das gemeinsame Kind heißt Techno.
       
       Rechtsstreitigkeiten um Sampling und fragwürdige Behandlung ehemaliger
       Bandmitglieder von Kraftwerk sind angesichts der Nachricht vom Tode Florian
       Schneider-Eslebens in den Hintergrund geraten. Am Donnerstag unterlag er im
       Alter von 73 Jahren einem Krebsleiden. Auch die Roboter sind traurig.
       
       6 May 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Experimentelle-Musik-aus-Berlin/!5682207
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julian Weber
       
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