URI:
       # taz.de -- Kinochef über Corona-Krise: „Noch nie so lange geschlossen“
       
       > 15 Hamburger Programmkinos starten Crowdfunding-Kampagne: Nie sei es so
       > schlimm gewesen wie derzeit.
       
   IMG Bild: „Ein Virus kennt keine Moral“: Ein Kino in Kassel zitiert aus Corona-Anlass Rosa von Praunheim
       
       taz: Herr Grassmann, Sie sind [1][in und mit dem Abaton-Kino] aufgewachsen.
       Es gab schon einige auch schwer zu meisternde Branchenkrisen. Stand es um
       die Programmkinos schon einmal so schlecht wie jetzt? 
       
       Felix Grassmann: Nein, [2][die Coronakrise] ist für alle Kinos eine echte
       Katastrophe. Wir im Abaton hatten etwa noch nie so lange geschlossen. Die
       längste Schließung war bis jetzt vor zwei Jahren für fünf Tage, in denen
       wir das Foyer erneuert haben. Ansonsten hatten wir das Kino fast 50 Jahre
       lang an 365 Tagen geöffnet.
       
       Wie genau schlägt die zwangsweise Schließung bei Ihnen zu Buche? 
       
       Wir haben alle Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Unser Problem sind die
       Fixkosten. So haben wir, wie wohl die meisten Programmkinos, jede Menge
       Kredite laufen. Vor ein paar Jahren haben wir das Bistro renoviert und vor
       zwei Jahren das Kino mit neuer Technik umgebaut. Das musste alles mit
       Krediten finanziert werden und jetzt haben wir nur wenige Einnahmen.
       Deshalb sehe ich große Probleme auf uns zukommen. Aber den 50. Geburtstag
       im Herbst wollen wir noch feiern.
       
       Sie sagen „wenige Einnahmen“ – was verkaufen Sie denn jetzt noch? 
       
       Kinogutscheine. Das haben wir schon immer gemacht und zu Weihnachten war
       das auch ein gutes Geschäft. Jetzt haben wir dieses Angebot [3][noch mal
       angekurbelt] und die Leute kaufen diese Gutscheine in rauen Mengen. Bei
       vielen ist das eine großzügige Geste und sie sagen uns dann auch, dass sie
       die nie einlösen werden, sondern es als Unterstützungsmaßnahme verstehen.
       So hat etwa einer unserer Stammgäste 100 Gutscheine à neun Euro gekauft.
       
       Sie haben [4][eine Spendenaktion] für alle Hamburger Programmkinos
       gestartet, die heute anläuft. Wie ist es dazu gekommen – und war es
       schwierig, 15 mittelständische Betriebe unter einen Hut zu bringen? 
       
       Es gibt in Berlin [5][eine ähnliche Spendenaktion]. Als ich davon gelesen
       habe, rief ich die Initiatoren an und habe sie gefragt, wie sie das gemacht
       haben. Ich habe dann eine E-Mail an die Programmkinos der Stadt geschrieben
       – alle fanden das gut und die Sache stand.
       
       Gibt es auch Unterstützung durch die Stadt? 
       
       Ja, [6][die Filmförderung] und die Kulturbehörde kümmern sich um uns. Und
       da haben wir Glück, denn in anderen Bundesländern ist das anders. Der Senat
       hat hier schnell reagiert und uns ganz wichtige Hilfen zur Verfügung
       gestellt. Bis zum 30. April gibt es erst mal einen Unterstützungsfonds von
       550.000 Euro. Das Geld ist natürlich schon weg, aber ich vertraue darauf,
       dass das ein erster Schritt ist, mit dem die Hamburger Kinokultur erhalten
       wird.
       
       Würde eine möglichst rasche Öffnung mit Auflagen Ihnen überhaupt
       weiterhelfen? 
       
       Nein. Das Gesundheitsamt und die Berufsgenossenschaft haben zur Zeit sehr
       konkrete Vorstellungen davon, welche Hygiene- und Abstandsregeln an
       Versammlungsorten wie den Kinos getroffen werden müssen. Laut den derzeit
       herrschenden Bestimmungen könnten wir nur 18 Prozent unserer
       Sitzplatzkapazität nutzen. Das wären etwa 90 Plätze im Großen Kino, es muss
       jede zweite Reihe freigelassen werden und zwei freie Sessel zwischen jedem
       verkauften Platz geben. Das wäre ein furchtbares Verlustgeschäft und ohne
       öffentliche Unterstützung könnten wir es uns nicht leisten, unter diesen
       Voraussetzungen wieder aufzumachen,
       
       Wie könnte der Betrieb wieder anlaufen? 
       
       Das ist auch schwer zu kalkulieren, denn die Kinos sind ja von den
       Filmverleihern abhängig. Und die haben all ihre Filmstarts in den Herbst
       verschoben. In Berlin wurde gerade bekannt gegeben, dass dort die Kinos bis
       zum 31. Juli geschlossen bleiben. Aber auch wenn wir im Sommer wieder den
       Betrieb aufnehmen könnten, gäbe es kaum Filme, die wir zeigen könnten.
       
       Könnten die Verleiher da nicht etwas flexibler reagieren? 
       
       Es gibt bis jetzt nur eine Ausnahme: Der Verleih Grandfilm hat das
       türkische Frauenporträt „Eine Geschichte von drei Schwestern“ von Emin
       Alper im Programm, und die haben uns gesagt: Eine Woche nach der Öffnung
       der Kinos starten sie ihn. Diesen einen Film hätten wir.
       
       23 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Hamburger-Programmkino-Abaton/!5663166
   DIR [2] /!t5660746/
   DIR [3] https://abaton.de/index.htm?ppGutschein.shtml
   DIR [4] http://www.startnext.com/hamburgerkinos
   DIR [5] https://www.startnext.com/fortsetzungfolgt
   DIR [6] https://www.ffhsh.de/de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wilfried Hippen
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Kino
   DIR Krise
   DIR Crowdfunding
   DIR Solidarität
   DIR Programmkino
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Katastrophenschutz
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Kino Berlin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR +++ Corona News am 23. April +++: Frauen-EM macht den Männern Platz
       
       Um der Herren-EM auszuweichen, wird das Turnier auf 2022 verschoben.
       AfD-Antrag auf massive Lockerungen abgelehnt. Nachrichten zum Coronavirus
       im Live-Ticker.
       
   DIR Kinopremiere im Internet: Aufgeben gilt nicht
       
       Wegen geschlossener Kinos verlegte die Hamburger Produktionsfirma
       „Filmtank“ die Premiere ihres Dokumentarfilms „Master of Disaster“ ins
       Internet.
       
   DIR Streamingangebot des Kinos Arsenal: Glücksfall in Zeiten von Corona
       
       Das Berliner Kino Arsenal betreibt seit kurzem ein Streamingangebot. Wegen
       geschlossener Säle ist das Programm jetzt frei zugänglich.
       
   DIR Berliner Kiezkinos: Licht an in den Lichtspielen
       
       Viele kleine Programmkinos haben derzeit um ihre Existenz zu kämpfen. Grund
       sind nicht fehlende Zuschauer, sondern steigende Mieten.