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       # taz.de -- Ärzte und Pflegende in der Corona-Krise: Wie schlimm wird es noch?
       
       > Sie kämpfen jeden Tag gegen das Virus. Wie erleben sie diesen neuen
       > Alltag? Durch die Woche mit einer OP-Schwester, einem Pfleger und einem
       > Hausarzt.
       
   IMG Bild: Anmeldung zum Corona Test beim Hausarzt auf der Strasse in Berlin-Neukölln
       
       Die Zahl der Coronainfizierten steigt und damit auch die Zahl der
       Schwerkranken. ÄrztInnen und Pflegende kämpfen jeden Tag gegen das Virus.
       Wie erleben sie diesen neuen Alltag? Wir haben eine OP-Schwester aus
       München, einen Intensivpfleger aus dem Rhein-Main-Gebiet und einen Hausarzt
       aus Berlin gebeten, uns einen Einblick in ihre Woche zu geben. 
       
       Die OP-Schwester: Sie ist 60 Jahre alt und arbeitet seit 30 Jahren als
       OP-Schwester, derzeit in einem Münchner Klinikum. Damit sie freier sprechen
       kann, möchte sie anonym bleiben.
       
       Der Intensivpfleger: Er ist 58 Jahre alt und arbeitet seit 35 Jahren als
       Intensivpfleger, zurzeit auf einer Intensivstation eines
       Universitätsklinikums im Rhein-Main-Gebiet. Damit er freier sprechen kann,
       möchte er anonym bleiben.
       
       Der Hausarzt: Stefan Karakaya, 45, ist Hausarzt in Berlin-Neukölln. Vor
       seiner Praxis im Erdgeschoss hat er einen alten Wohnwagen geparkt, als neue
       Außenstelle. Karakaya nimmt darin Abstriche für Corona-Tests.
       
       Die OP-Schwester hat ihre Einträge per WhatsApp geschickt, die anderen
       Texte wurden aus Telefonaten verschriftlicht.
       
       ## Sonntag, 29. 3. 2020
       
       Bestätigte Corona-Fälle laut Robert-Koch-Institut deutschlandweit: 52.547
       
       Verstorbene: 389
       
       Die OP-Schwester: Heute war ein normaler Wochenend-Arbeitstag von 11
       Stunden. Der Vormittag war ruhig, um 11.30 Uhr ein Kaiserschnitt; Mutter
       und Kind wohlauf. Viele Gespräche mit Kollegen, wie die nächsten Wochen
       wohl werden. Dann plötzlich eine Anmeldung: alte Frau mit Darmverschluss
       und Covid-19-Verdacht. Vor meinem inneren Auge spult sich der Ablauf mit
       allen Sicherheitsmaßnahmen ab. Dabei merke ich trotz der Vorbereitung eine
       gewisse Nervosität.
       
       Leider dauert es ewig, bis es losgeht, da einige Beteiligte nicht genau
       wissen, wie sie sich verhalten müssen. Ich hatte angenommen, dass die
       Abläufe in allen Abteilungen kommuniziert worden sind. Wohl doch nicht,
       oder es fehlt die Routine. Die Patientin ist schwer krank. Nach einer
       Stunde kommt während der OP der Anruf mit dem Testergebnis: negativ,
       Isolierung aufheben, Erleichterung! Die Patientin wird erfolgreich
       operiert. Dann noch ein Kind mit Blinddarmentzündung. Auch dieser Patient
       verlässt sicher den OP. Alles in allem ein guter Tag. Trotzdem schwebt die
       Angst über allem: Wie schlimm wird es noch? Wird das Material reichen? Wie
       geht es weiter, wenn die Intensivstationen volllaufen?
       
       ## Montag, 30. 3. 2020
       
       Bestätigte Fälle deutschlandweit: 57.298
       
       Verstorbene: 455
       
       Der Hausarzt: Ab 7 Uhr war ich in meiner Praxis in Berlin-Neukölln. Ich
       habe Laborergebnisse angeschaut, Papierkram gemacht. Ab 8 Uhr kommen die
       normalen Patienten in die Praxis.
       
       Um 10 Uhr bin ich raus in den Wohnwagen. Ich habe zuerst den Heizlüfter
       angeschmissen. Ich ziehe meine Schutzkleidung an, den Plastik-Overall,
       Maske und Brille. Alle, die einen Infekt haben oder Fieber unklarer
       Ursache, untersuche ich dort.
       
       Die Patienten verteilen sich auf dem Gehsteig, stehen in großem Abstand
       zueinander, das sieht schon komisch aus. Ich rufe sie in den Wagen, sie
       nehmen in der Sitzecke Platz. Wir reden, dann entscheide ich, ob ich
       untersuche oder nur einen Abstrich mache. Ich kann die Lunge abhören,
       Fieber messen, den Sauerstoffgehalt im Blut, eine komplette Untersuchung,
       nur Hinlegen geht nicht, dafür ist es zu eng.
       
       Heute waren 24 Leute da. Einer hatte eine Mandelentzündung. Bei einem
       anderen war gar nichts – außer Sorge. Insgesamt habe ich 20 Abstriche
       gemacht und ins Labor geschickt. Die Befunde bekomme ich immer am nächsten
       Tag.
       
       Den Wohnwagen habe ich seit fünf Jahren. Er ist original 60er Jahre, auch
       innen. Wir sind mit der Familie damit bis in die Bretagne gefahren, auf
       einen Campingplatz am Atlantik. In einem der Urlaube bin ich an einem Stein
       hängen geblieben, dabei ist die Rückwand aufgegangen. Deshalb steht der
       Wagen seit einer Weile nur rum. Ich hatte ihn schon fast vergessen. Jetzt
       hat er eine neue Funktion.
       
       Angst vor Corona habe ich nicht. Ich gehe davon aus, dass uns das früher
       oder später alle mal erwischt und wir dann hoffentlich genug Immunität
       haben. Dass ich ein potenzielles Risiko für meine Familie bin, ist mir
       schon klar. Mir macht das aber keine großen Sorgen, meiner Ex-Frau auch
       nicht. Weil nach allem, was man weiß, Kinder kaum daran erkranken. Man muss
       unterbinden, dass sie Überträger sind. Deshalb ist es gut, dass sie im
       Moment zu Hause bleiben.
       
       Der Intensivpfleger: Heute habe ich Nachtschicht. Die letzten zwei Tage
       hatte ich frei, deshalb weiß ich noch nicht genau, was auf mich zukommt –
       aber das macht mir auch keine Sorgen. In meinem Beruf muss man überzeugt
       davon sein, dass man sich mit der richtigen Ausrüstung vor ansteckenden
       Krankheiten schützen kann. Und Covid-Patienten sind von der Arbeitsweise
       für uns nicht anders als Influenza-Patienten, die wir jedes Jahr haben.
       
       Vergangene Woche sind bei uns Pfleger und Schwestern der
       Intermediate-Care-Abteilung mitgelaufen, um zu sehen, wie wir arbeiten. IMC
       ist ein Zwischending zwischen Intensiv- und normaler Station. Das sind
       Leute, die bei uns vielleicht aushelfen können, wenn es hart auf hart
       kommt. Die haben auch schon mal eine Lunge abgesaugt – das kann man nämlich
       nicht einfach nebenbei lernen. Wenn ich jetzt höre, dass auch
       Medizinstudenten im fünften Semester bei uns mitarbeiten könnten, muss ich
       sagen: Das ist weltfremd. Die könnten vielleicht Bettpfannen leeren, aber
       bei intubierten Patienten gibt es keine Bettpfannen. Im Ernstfall würde so
       jemand hier nur im Weg rumstehen.
       
       Die OP-Schwester: Heute hatte ich einen Ausgleichstag für gestern. Da
       konnte ich ausschlafen. Dann Wäsche waschen, bügeln und für morgen
       vorkochen. Eine Freundin von mir wohnt auch allein. Da haben wir einen
       Spaziergang mit Abstand gemacht. Das war schön. Manchmal klatschen Menschen
       jetzt auf ihren Balkonen. Ich finde diese Wertschätzung schön. Ich schaffe
       es im Alltag ja auch nicht, mit den Stahlarbeitern auf die Straße zu gehen
       – aber vielleicht sind bei der nächsten Pflegedemo ein paar mehr Menschen
       dabei, die uns unterstützen. Am Ende werde ich die Politiker daran messen,
       was sie für uns getan haben, und nicht meine Nachbarn.
       
       ## Dienstag, 31. 3. 2020
       
       Bestätigte Fälle deutschlandweit: 61.913
       
       Verstorbene: 583
       
       Die OP-Schwester: Nun ist der Mangel an Material auch bei uns angekommen.
       Wir werden sehr deutlich angehalten, MNS-, FFP2- und FFP3-Masken sehr
       sparsam anzuwenden. Wir suchen nach Lösungen für einen alternativen
       Gesichtsschutz und versuchen etwas zu basteln, das auch Mund und Nase
       schützt. Damit war ich heute zwei Stunden beschäftigt, optimal ist das noch
       nicht, aber noch haben wir ja Masken – wie lange noch? Wieder eine
       OP-Anmeldung mit Covid-19-Verdacht, wieder ist sehr viel Kommunikation
       vonnöten. Wer muss welche Regeln einhalten?
       
       Nach Feierabend war ich noch bei meinem Buchladen, da kann man telefonisch
       bestellen. Jetzt noch ein paar nette Bücher suchen und dann geht’s los.
       Dieser Laden soll nicht pleitegehen, ich bin so froh, dass es den um die
       Ecke gibt.
       
       Der Hausarzt: Ich habe eine E-Mail bekommen, angeblich ist neue
       Schutzausrüstung bei der Kassenärztlichen Vereinigung angekommen. Ich habe
       deshalb gleich morgens um 8 Uhr zwei Mitarbeiterinnen hingeschickt. Wir
       waschen schon den normalen Mund-Nase-Schutz. Auch Plastik-Overalls könnte
       ich gut gebrauchen. Da habe ich nur noch drei originalverpackt, eigentlich
       soll man die nur ein Mal benutzen.
       
       Die Mitarbeiterinnen waren leider umsonst bei der KV: Man muss eine
       schriftliche Benachrichtigung vorweisen. Die haben wir noch nicht, also
       sind sie ohne Sachen wieder zurück.
       
       Es war ziemlich voll heute bei uns. Ich habe in der Praxis Patienten
       versorgt, meine Kollegin hat im Wohnwagen die Abstriche genommen, 17
       insgesamt.
       
       Was mich heute beschäftigt hat, sind Diskussionen mit den Kollegen. Ich bin
       in mehreren Chatgruppen, wir schicken uns Fachartikel. Die meisten in dem
       Verteiler stehen hinter den Maßnahmen der Regierung. Aber es gibt auch
       einige, die fragen, ob Corona wirklich etwas anderes ist als Grippe. Auch
       für mich ist es wichtig, mich zu sortieren: Was ist korrekt, was nicht? Die
       Patienten wollen ja von mir hören, ob das alles so richtig ist, sie haben
       Ängste.
       
       Ich glaube schon, dass die Maßnahmen richtig sind. Aber man weiß nicht, wie
       viele Leute wirklich an Covid-19 sterben, dafür gibt es noch nicht genug
       Zahlen.
       
       Der Intensivpfleger: Mein Dienst heute Nacht war sehr ruhig. Wir hatten
       zwei Covid-Patienten, fünf von elf Betten der Station sind gerade belegt.
       Dafür sind wir in der Nachtschicht vier Leute. Was Laien sich nicht so gut
       vorstellen können: Wenn man einen Patienten auf Intensiv hat, der mehrere
       Probleme hat, hat man allein mit diesem praktisch die ganze Nacht zu tun.
       Bei einem Covid-Patienten, der beatmet werden muss, muss man regelmäßig die
       Lunge absaugen. Dazu haben die meisten eine Kreislaufschwäche, deshalb
       müssen sie Kreislaufmittel bekommen – das muss ständig überwacht werden.
       Bei vielen kommt noch ein Nierenversagen dazu, sodass eine Dialyse
       durchgeführt wird. Da hat man schon zu tun.
       
       ## Mittwoch, 1. 4. 2020
       
       Bestätigte Fälle deutschlandweit: 67.366
       
       Verstorbene: 732
       
       Der Hausarzt: Von den 20 Abstrichen am Montag waren 5 positiv, von den 17
       am Dienstag 4. In der vergangenen Woche gab es oft nur einen positiven
       Befund, mal 3, wenn die Leute in derselben Kneipe waren.
       
       Die Leute, die kommen, sind etwas kränker als noch vergangene Woche. Was
       ich auch feststelle: Die, die über Luftnot klagen und über sonst nicht
       viel, haben oft einen positiven Befund. Anfangs habe ich das als Symptom
       nicht so ernst genommen, weil man sich Luftnot ja auch einreden kann. Jetzt
       achte ich mehr darauf.
       
       Ich war ganz froh heute, dass alle normalen Patienten zu ihren Terminen
       kamen. Ungefähr die Hälfte blieb zuletzt weg. Das ist für mich ein
       ökonomisches Problem, mein Umsatz bricht ein. Einerseits muss ich dafür
       sorgen, dass möglichst wenige kommen wegen der Ansteckung, andererseits
       brauche ich auch Patienten – und diejenigen mit chronischen Erkrankungen
       muss man jedes Quartal angucken.
       
       Ich weiß noch nicht, welchen Schaden ich habe, deshalb weiß ich auch nicht,
       ob ich eine Entschädigung beantragen soll.
       
       Heute habe ich versucht, eine Videosprechstunde zu starten, aber das ist
       mir technisch noch nicht gelungen. Ich bin am Login gescheitert, meine
       Daten stimmten nicht, das war frustrierend.
       
       Die OP-Schwester: Jeden Morgen werden die Frühbesprechungen länger, es gibt
       immer mehr neue Infos zu Abläufen und neue Regeln. Es wurden Freiwillige
       gesucht, die sich anlernen lassen, um auf der Corona-Intensiv zu arbeiten.
       Drei haben sich gemeldet, eine erzählt, dass sie nicht ordentlich angelernt
       wird, weil die Kollegen überfordert sind. Die haben jetzt ja auch mehr
       Arbeit als sonst, und wir können die Gesamtsituation einfach nicht
       überblicken.
       
       Das OP-Programm ist heute recht voll und anspruchsvoll. Ich muss zu einer
       komplizierten Bandscheiben-OP, hatte ich lange nicht mehr. Die besondere
       Konzentration ist gut, da sie von den anderen Sorgen ablenkt. Nach der
       Mittagspause soll ein Kaiserschnitt kommen, doch kaum ist alles
       vorbereitet, Programmumstellung: eine Nachblutung bei einem Patienten mit
       Gerinnungsstörung! Also Tempo! Auch das geht letztendlich gut. Auf dem
       Heimweg bin ich geschafft!
       
       Am Abend ein Videotelefonat mit meinem Neffen und seiner kleinen Tochter:
       ich erfahre, was gerade so vorgelesen wird, sehe einen selbstgebastelten
       Traumfänger. Das tut gut.
       
       Der Intensivpfleger: Heute Nacht war deutlich mehr los. Wir haben jetzt
       vier Covid-Patienten, auf der Station sind gerade zehn von elf Betten
       belegt. Eigentlich gilt bei uns eine 1:2-Betreuung, ein Pfleger kümmert
       sich um zwei Patienten. Diese Regel wurde von der Klinikleitung aufgehoben,
       das wird nicht durchhaltbar sein.
       
       Ein Kollege ist mit Covid-Verdacht ausgefallen, wir haben kurzfristig einen
       Ersatz bekommen – das war Glück. Sonst wären wir heute Nacht nur zu dritt
       auf Station gewesen.
       
       Auf unserer Station gibt es zwei Zimmer mit einer Schleuse davor, wo man
       sich die Schutzkleidung anziehen kann – Kittel, Haube, Handschuhe,
       Schutzbrille, FFP2-Maske. Mit vier Covid-Patienten liegen jetzt schon zwei
       in Zimmern ohne Schleuse, da muss man sich dann im Zimmer umziehen. Das
       Anziehen der Schutzkleidung dauert vielleicht drei Minuten. Wenn es ein
       Notfall ist, geht das aber auch schneller. Dann kann man sich auch nicht 30
       Sekunden die Hände desinfizieren, das ist nicht drin.
       
       Für die nächsten Tage erwarte ich, dass es noch stressiger wird. Meist ist
       es so: Die Arbeitsbelastung nimmt zu, das Personal ab. Manche bleiben zu
       Hause, weil sie krank sind – manche, weil es ihnen zu stressig wird. 15 bis
       20 Prozent solcher Kollegen gibt es immer.
       
       ## Donnerstag, 2. 4. 2020
       
       Bestätigte Fälle deutschlandweit: 73.522
       
       Verstorbene: 872
       
       Der Intensivpfleger: Die Schicht war anstrengend. Die Zahl der
       Covid-Patienten ist gleich geblieben, aber wir hatten in der Nacht drei
       Neuzugänge mit anderen Krankheiten – darunter ein multimorbider Patient.
       Ich musste Katheter legen und er brauchte eine Blutwäsche, da gehen die
       Stunden schnell um.
       
       Im gesamten Klinikum gibt es ein Besuchsverbot, aber wenn jemand im Sterben
       liegt, dann dürfen ein, zwei Angehörige kommen. Ich denke, dass wir das
       auch bei Covid-Patienten erlauben werden. Wir würden dem Angehörigen genau
       erklären, wie die Schutzkleidung angezogen wird und was man im Zimmer
       machen kann, was nicht.
       
       Sterben ist bei uns Teil des Alltags. Wenn jemand 80 Jahre alt ist, und er
       schafft es nicht, dann hat er ja sein Leben gelebt – so what? Anders ist es
       bei jungen Müttern oder Vätern, das geht einem nahe, obwohl man das auf der
       Arbeit lassen sollte.
       
       Die Klinik wird nur bis zum dokumentierten Todeszeitpunkt für einen
       Patienten bezahlt. Danach bleibt jeder Tote noch zwei Stunden auf Station
       und wird dann noch mal von einem Arzt begutachtet – um ganz sicher zu sein.
       Anschließend kommen die Mitarbeiter eines Bestattungsunternehmens und
       bringen den Toten bei uns in die Pathologie. Am nächsten Tag wird der
       Leichnam abgeholt.
       
       Die OP-Schwester: Ich bin heute relativ früh aufgewacht, ich bin öfter
       schlaflos im Moment. Deswegen fühle ich mich übermüdet. Unsere
       Frühbesprechung ist wie immer eine never ending story, es gibt ständig neue
       Infos. Wie ist der Stand der Dinge, wie viele Covid-Patienten sind bei uns
       im Krankenhaus? Viele Kollegen benötigen diesen Termin, um sich dort
       auszusprechen; das ist wahnsinnig wichtig.
       
       Ansonsten ist keine schlechte Stimmung, wir haben genug zu tun. Bei einer
       Patientin war kurz Stress, aber dann hat alles geklappt. Manchmal merke
       ich, dass die Konzentration nachlässt – bei mir, aber auch bei Kollegen.
       Wir reden dann darüber, dass es für alle schwierig ist. Aus manchen
       sprudelt es richtig heraus, dieser Austausch tut gut.
       
       Mittlerweile ist klar, dass Kollegen für die neue Intensivstation
       abgestellt werden sollen. Der Aufwachraum ist so vorbereitet, dass er eine
       komplette Corona-Intensiv mit 8 Betten werden kann – ohne zusätzliches
       Personal, also werden das Anästhesiepflegekräfte machen und Fachschwestern
       von der Intensiv, die irgendwie entbehrlich sein könnten. Wir OP-Kräfte
       werden dann teils die Tätigkeiten der Anästhesiepflege übernehmen.
       
       Mein Gefühl ist, es schreitet voran, da kommt was ins Rollen. Man würde
       sich natürlich wünschen, dass es schneller geht, damit man mit dem
       möglichen Ansturm der Schwerstkranken fertig wird. Aber ja, es steigt die
       Hoffnung, mit der Krise fertig zu werden, und dass es vielleicht nicht wie
       in Italien der absolute GAU wird.
       
       Der Hausarzt: Ich musste den Jüngsten heute erst einmal in die Schule
       bringen, in die Notbetreuung. Das ging nicht anders. In der Notbetreuung
       ist sonst nur ein anderer Junge, seine Eltern sind Polizisten, manchmal
       kommen noch zwei ältere Mädchen. Zu Hause sagt er immer, dass er nicht
       hinwill, aber dort gefällt es ihm dann doch.
       
       In der Praxis haben wir 13 Corona-Abstriche gemacht. Es gibt inzwischen
       eine gewisse Routine. Jedenfalls erscheint es mir nicht mehr so
       außergewöhnlich, wie die Leute auf dem Bürgersteig vor meinem Wohnwagen
       stehen. Die Patienten sind wirklich nett. Viele bedanken sich, dass wir die
       Abstriche nehmen. Das tut schon gut.
       
       Die Schutzkleidung haben wir noch nicht bekommen. Aber ein befreundeter
       Arzt in Charlottenburg hat sie bereits: drei Astronautenanzüge, eine Kiste
       mit FFP3-Masken, eine Schachtel mit Mund-Nase-Schutz, Handschuhe. Wenn es
       wirklich nur drei Overalls sind, wäre das echt zu wenig.
       
       ## Freitag, 3. 4. 2020
       
       Bestätigte Fälle deutschlandweit: 79.696
       
       Verstorbene: 1.017
       
       Der Intensivpfleger: Bei uns sind es sind immer noch vier Covid-Patienten –
       drei davon intubiert, einer wird bisher nur überwacht. Von dem
       Beatmungsgerät bekommen die Patienten mit hohem Druck das Drei- bis
       Vierfache an Sauerstoff im Vergleich zum normalen Sauerstoffgehalt in die
       Lunge gedrückt. Das ist auch belastend. Da gilt grundsätzlich: Je länger
       die Beatmung dauert, desto schlechter die Prognose.
       
       Ich war heute Nacht mit Nicht-Covid-Patienten beschäftigt, die intubiert
       sind. Kreislaufüberwachung, bei einem habe ich eine Blutwäsche gemacht,
       dazu die Grundpflege – Patienten waschen, Betten beziehen,
       Infusionsmaterial wechseln.
       
       Zurzeit gibt es ja dieses Phänomen, dass Leute auf ihren Balkon stehen und
       für das Pflegepersonal klatschen. Ganz ehrlich? Ich finde das lächerlich.
       Und das geht meinen Kolleginnen und Kollegen auch so. An der Pinnwand hängt
       bei uns ein Zettel: „Toll geklatscht, da kann ich dann meine nächste Miete
       von bezahlen.“ Diese Wertschätzung wird nicht anhalten. Wenn Covid vorbei
       ist, vergisst man das ganz schnell wieder.
       
       Jens Spahn hat gesagt, dass er es nicht ausschließen kann, dass es bei uns
       in den Krankenhäusern doch auch Zustände geben wird wie in Bergamo oder New
       York. Das ist schon richtig. Ausschließen kann das keiner. Wir warten jetzt
       seit 10 Tagen auf die große Welle. Ich hätte eigentlich gedacht, dass sie
       schneller kommt.
       
       Der Hausarzt: Heute waren weniger Menschen für Abstriche da. Ein Patient,
       der positiv auf Corona getestet wurde, hat mich angerufen. Er komme nicht
       mehr hoch, hat er gesagt. Ich habe schon an seiner Atmung am Telefon
       gehört, dass er Hilfe braucht, und habe den Notarzt gerufen, der ihn ins
       Krankenhaus fährt. Jetzt mache ich gleich noch einen Hausbesuch.
       
       Ich hatte ja auf neue Schutzkleidung gehofft, aber von der Kassenärztlichen
       Vereinigung kam auch heute keine Nachricht.
       
       Am letzten Wochenende habe ich mit den Kindern im Garten ein Baumhaus
       gebaut, zur Abwechslung. Das hat total gutgetan, auch wenn bislang nur zwei
       Pfosten stehen. Dieses Wochenende wird daraus leider nichts, ich muss in
       der Praxis die Abrechnung machen.
       
       4 Apr 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Pfaff
   DIR Antje Lang-Lendorff
       
       ## TAGS
       
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