URI:
       # taz.de -- Berliner Clubs in Corona-Zeiten: Erfolgreiche Anti-Infektionskultur
       
       > 300.000 Euro Spenden hat das Clubbündnis United We Stream mit seinen
       > Live-DJ-Sets eingespielt. Das Programm wird um ein Debattenformat
       > erweitert.
       
   IMG Bild: Der Tanz ist erst mal vorbei: Geschlossener Club Watergate in Berlin-Kreuzberg
       
       „Hallo? Hallo?“ Was Videokonferenzen betrifft, ergeht es dem Clubbündnis
       [1][United we Stream] genau wie den meisten anderen Menschen und Firmen,
       die derzeit von ihrem angestammten Arbeitsplatz abgeschnitten sind: Es
       holpert manchmal noch ein bisschen; der eine oder andere Mitstreiter dringt
       nicht gleich so richtig durch, wie die Pressekonferenz via Internet von
       United we Stream am Mittwoch zeigte.
       
       Ganz anders das Programm, das die Clubs ins Netz stellen, seit wegen des
       Coronavirus Mitte März das Nachtleben in Berlin abgeschaltet wurde. Jeden
       Abend ab 19 Uhr [2][spielt ein DJ live aus einem Club], in Zusammenarbeit
       mit Arte landet der Auftritt ganz ohne Publikum in hoher Qualität direkt im
       Netz.
       
       Eigentlich ein schizophrenes Projekt, sagte Lutz Leichsenring, Sprecher der
       Club Commission, bei der Pressekonferenz. „Schließlich sind Clubs Räume,
       aus denen eben nicht gefilmt wird; es sind Schutzräume, damit Leute sie
       selbst sein und abschalten können.“ Die aktuelle Situation und der
       besondere Blick auf die DJs machten das Projekt aber wieder interessant.
       
       Zumal [3][die Not groß ist]: Wegen des Shutdowns sind zahlreiche Clubs und
       mit ihnen laut Club Commission rund 9.000 Jobs akut bedroht. Umso größer
       ist die Freude über die Resonanz dieser Anti-Infektionsclubkultur: Mehr als
       70 Künstler waren bislang an den Auftritten beteiligt, gut 70 Stunden
       Material sind entstanden, so die erste Bilanz. Und es soll schon so manche
       Solo-Heimparty damit bespielt worden sein.
       
       Das Beste: 300.000 Euro gingen bisher an Spenden ein; 8 Prozent der
       Einnahmen erhält der Seenotrettungsfonds, der sich um Geflüchtete im
       Mittelmeerraum kümmert; der große Rest soll in Kürze an die KünstlerInnen
       und Clubs ausgeschüttet werden.
       
       Letztere rechnen freilich nicht damit, schnell wieder öffnen zu können,
       sagte Daniel Plasch von der Programmarbeitsgruppe von United We Stream.
       „Wir wollen das Programm noch einige Monate aufrecht erhalten.“ Und nun
       sogar ausbauen: Zusätzlich zur täglichen DJ-Musik werde es ab Sonntag zwei
       Mal die Woche das Debattenformat „United we talk“ geben, immer von 16 bis
       19 Uhr.
       
       Darin soll es um politische Forderungen nicht nur der Musikbranche gehen –
       etwa die Aufnahme von Geflüchteten aus den überfüllten Lagern in
       Griechenland. Es werde Reports und Liveschaltungen geben aus aller Welt,
       Filme und auch eine bisschen Musik. Am kommenden Sonntag seien die
       aktuellen Veränderungen Thema, die sich wegen Corona für die Mietenbewegung
       und auch die Clubs ergeben. Titel: Future habitat.
       
       Die ebenfalls zugeschaltete Chefin des landeseigenen Musicboards, Katja
       Lucker, mahnte derweil die Politik an, die vergangene Woche gestartete
       Notförderung nachzubessern. „Clubs, die mehr als feste zehn
       MitarbeiterInnen haben, fallen derzeit noch durch alle Raster“, sagte sie –
       anders als kleinere Betriebe oder Solo-Selbstständige, die die Förderung
       teils schon erhalten haben.
       
       ## Geht auch das Berghain online?
       
       In der Szene sei die Solidarität untereinander groß, wurde bei der
       Pressekonferenz mehrfach betont. So gut wie alle Clubs beteiligten sich an
       den DJ-Auftritten, sagte Daniel Plasch, und kündigte noch „einige
       Überraschungen“ an. Dass darunter auch das Berghain – das ein besonders
       striktes Fotoverbot hat – sein könnte, schloss er explizit nicht aus.
       
       Korrektur: In einer ersten Version des Textes war von 30.000 Euro Spenden
       bisher die Rede. Tatsächlich sind es laut United We Stream 300.000 Euro.
       
       1 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://unitedwestream.berlin
   DIR [2] https://unitedwestream.berlin/
   DIR [3] /Corona-Berliner-Clubs-in-Not/!5672694
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bert Schulz
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Clubszene
   DIR Club Commission
   DIR DJ
   DIR taz Plan
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Kolumne Durch die Nacht
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Musiktipps für Berlin: Jeder Tag ist wie Sonntag
       
       Die Clubs und Konzertorte sind geschlossen. Dafür streamen Musiker*innen
       und DJs was das Zeug hält. Der taz plan gibt einen Überblick.
       
   DIR Corona: Berliner Clubs in Not: „Das war nie ein tolles Businesskonzept“
       
       Corona gefährdet die ohnehin bedrohten Clubs. Sage-Club-Betreiber Sascha
       Disselkamp sagt, die Clubkultur sei zu wichtig, um zu verschwinden.
       
   DIR Kulturbetriebe fordern Rettungspaket: Corona bedroht die Berliner Clubs
       
       Die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern hat höchste Priorität, sagen
       die Berliner Clubs. Sie fühlen sich aber in ihrer Existenz bedroht.
       
   DIR Nachhaltigkeit in Berliner Clubkultur: Bitte nachhaltig enthemmt tanzen
       
       Mit Clubtopia will man in den Clubs Bewusstsein schaffen. Wenn die
       Discokugel rotieren soll, muss man sich dann halt heftiger schütteln.