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       # taz.de -- Ausstellung zur Bauhaustapete: Bauhaus made in Osnabrück
       
       > Das Osnabrücker Kulturgeschichtliche Museum fragt in seiner
       > Bauhaus-Ausstellung nach den lokalen Ankerpunkten eines globalen
       > Phänomens.
       
   IMG Bild: Zentraler Blickfang: das Tapeten-Bild „The shortest distance between two points ist no fun“ (hinten)
       
       Osnabrück taz | Was macht man mit einer Tapete? Man klebt sie an die Wand.
       Vielleicht streicht man sie noch mit Farbe über, je nachdem, und fertig.
       Passiert das zu Hause, ist das Wohnalltag. Passiert das im Museum, ist es:
       Kunst. Zumindest im Osnabrücker Kulturgeschichtlichen Museum ist es
       derzeit, ganz eindeutig Kunst. Für die Ausstellung „Bauhaustapete – neu
       aufgerollt“ hat Tobias Rehberger ein wandfüllendes Farbflächen-Bild
       entstehen lassen, gleich gegenüber dem Eingang: viel Blau und Orange und
       Gelb, beherrscht von Recht- und Dreiecken.
       
       Die monumentale Arbeit ist der zentrale Blickfang der Schau – und ein
       Suchbild: Angeblich zeigt es den Text, der auch seinen Titel bildet: „The
       shortest distance between two points ist no fun“. Ob es das wirklich tut,
       bleibt allerdings rätselhaft. Kuratorin Maren Waike-Koormann zeigt mit dem
       Arm: „Das da oben rechts ist ein S.“ Sie lächelt. „Ist natürlich ziemlich
       abstrakt.“ Ein S? Wirklich? Ja, doch, mit Fantasie. Rehbergers Text findet,
       wer nicht allzu sehr nach konkreten Buchstaben sucht.
       
       Ein wenig rätselhaft bleibt auch, was Rehbergers Lob des Umwegs – übersetzt
       heißt das Bild ja in etwa: „Die direkte Verbindung macht keinen Spaß“ – zu
       tun hat ausgerechnet mit der programmatischen Geradlinigkeit des Bauhauses.
       Klarer ist dagegen ein anderer Zusammenhang: Rehberger hatte die Wahl
       zwischen genau 40 Texturen und 72 Farbtönen. Denn werkstofflich
       orientierte er sich an der diesjährigen Kollektion des legendären Modells
       „Bauhaus“ der Tapetenfabrik Rasch. Die hat ihren Hauptsitz nur 15
       Zugminuten von Osnabrück entfernt und die Tapete „Bauhaus“ exklusiv im
       Programm – seit 1929.
       
       Da ist es auch sinnfällig, wenn sich das Kulturgeschichtliche Haus im
       Osnabrücker „Museumsquartier“ (MQ4) ins Jubiläum „100 Jahre Bauhaus“
       einreiht, das uns im laufenden Jahr bundesweit Hunderte Veranstaltungen
       beschert, von Hamburg bis Berlin, vom Filmprogramm bis zum Symposion. „Das
       Bauhaus ist ein globales Phänomen“, sagt Nils-Arne Kässens, Direktor des
       MQ4. „Bei uns entfaltet es sich lokal.“
       
       Ohne Emil Rasch nämlich, der 1929 zu Bauhaus-Direktor Hannes Meyer nach
       Dessau fährt, auf Drängen seiner Schwester, die Bauhaus-Schülerin ist, gäbe
       es diese Tapete nicht – und also nicht, was heute als kommerziell
       erfolgreichstes Bauhaus-Erzeugnis gilt. Aber für wen ist dieses Detail der
       örtlichen Kultur- und Wirtschaftsgeschichte etwas? An wen richtet sich eine
       Ausstellung, in der es um eine Tapete geht? Die Vertragsentwürfe und
       Zeitungsanzeigen zeigt, Tagebuchseiten und Briefe, Preismünzen und
       Webproben, Muster- und Lagerbücher, Farbfächer und Werbeprospekte?
       
       Mehr noch: Die Avantgarde, der Walter Gropius 1919 mit der Gründung der
       legendären Weimarer Hochschule für Kunst und Handwerk den Weg bereitete,
       von der Architektur bis zum Produktdesign, ist generell ein sperriges
       Thema. Was für Intellektuelle mit Vorwissen über egalitäre
       Gesellschaftsentwürfe, über experimentelle Formensprachen. Und dann geht
       es auch noch um Friedrich Vordemberge-Gildewart, den hoch verkopften
       Osnabrücker Konstruktivisten, der für Raschs Bauhaustapete
       Reklametypograf war.
       
       Verständlich also, dass Waike-Koormann viel daransetzt, Hemmschwellen
       abzubauen. Und das gelingt ihr. Der Titel ist augenzwinkernd. In Der
       Ausstellung: übermannshohe Fotowände und quadratmetergroße Jahreszahlen.
       Studierende des Kunsthistorischen Instituts der Universität Osnabrück haben
       private Gegenwartsobjekte mitgebracht, die sie ans Bauhaus erinnern: vom
       Klappmesser bis zur Espressokanne, vom Wellpappebett bis zum Eierbecher,
       vom Wasserkocher in fahlem Beige bis zum froschgrünen Küchenhäcksler. Mit
       dem Aufruf „Was schläft denn da in Omas Keller“ motivierte man zudem
       weitere Osnabrücker*innen, eigene Bauhaus-Objekte beizusteuern, vom
       Salzstreuer bis zur Teekanne.
       
       Reicht das? Mit Ausstellungen wie „Blutsbrüder – Der Mythos Karl May in
       Dioramen“ hat das MQ4 jüngst eindrucksvoll gezeigt, wie sich
       Gesellschaftsgeschichte lebendig aufbereiten lässt. Bei einem
       vergleichsweise akademischen Thema wie der Bauhaustapete ist das
       schwieriger.
       
       Dabei ist „Neu aufgerollt“ verdienstvoll, wenn es um Stil-, Epochen-,
       Handwerks- oder auch Wirtschaftshistorie geht. Auch die modulare
       Ausstellungsarchitektur in Bauhaus-Anmutung ist durchdacht. Waike-Koormann
       inszeniert ihr Material so spannend, wie es eben geht. Dieses Material
       setzt beim Publikum vor allem eins frei: Kopfarbeit. Aber das Thema
       Bauhaus/Rasch-Tapete ist eine planerische Altlast, übergeblieben aus den
       Tagen von Inge Jaehner, der Vorgängerin von Kässens. Und das merkt man.
       
       Auf der anderen Seite ist da Klaus H. Schmincke: Der Osnabrücker Architekt
       und Designer, Künstler und Kunstsammler steuert als „Omas Keller“-Leihgeber
       einen Stahlrohr-Freischwingerstuhl S33 von Mats Stam bei, aus dem Jahr
       1926; und einen kleinen Stahlrohrtisch von Marcel Breuer. Schminckes
       Zuhause ist eine Mischung aus Antik- und Bauhausmöbeln, der Mann hätte die
       Schau mit noch viel mehr versorgen können. Dann hätte Waike-Koormann
       allerdings anbauen müssen.
       
       „Früher habe ich mich, wenn das erste Honorar eines größeren Auftrags
       eintraf, manchmal selber beschenkt, durch ein schönes Möbelstück“, sagt
       Schmincke. Seine Bauhausmöbel sind nicht nur Deko: „Ich benutze das alles
       täglich.“ Er möge das Minimalistische, sagt Schmincke: „Für uns Architekten
       und Designer gilt ja die Devise: Die Form folgt der Funktion. Und bei
       beiden Möbelstücken ist das hervorragend erfüllt.“ Architekten müssten sich
       „einfach mit Strömungen wie dem Bauhaus beschäftigen“, sagt er. „Wer das
       nicht tut, soll Bratwurstbuden bauen.“ Die Ausstellung und ihr Thema findet
       er herausfordernd: „Keine einfachen Sachverhalte.“
       
       Nur knapp 15 Jahre hatte das Bauhaus Bestand, 1933 zwangen die
       Nationalsozialisten seinen gesamtkünstlerischen, hoch politischen
       Reformgeist in die Knie. Osnabrück, lernen wir, hat es durch ihn auf die
       Weltbühne geschafft. Ein verblüffendes, hier erzähltes Faktum, das nicht
       nur Bildungsbürger erreicht. Aber: Wäre „neu ausgerollt“ nicht sinniger
       gewesen?
       
       21 Aug 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Harff-Peter Schönherr
       
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