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       # taz.de -- Andrea Nahles und die SPD: Basteln am linken Profil
       
       > SPD-Chefin Nahles wirbt vor einer Fraktionsklausur für eine
       > Kindergrundsicherung. Über allem schwebt die Frage: Wer wird
       > Kanzlerkandidat?
       
   IMG Bild: Gute Laune für die Kameras: Nahles und Scholz bei der SPD-Fraktionsklausur
       
       Berlin taz Andrea Nahles lächelt am Donnerstagnachmittag auf der
       Fraktionsebene des Reichstages freundlich in die Kameras. Die SPD werde
       gute Arbeit in diesem Jahr abliefern, Menschen den Alltag erleichtern, ihre
       Lebensbedingungen verbessern, sagt sie. Optimistisch soll das klingen,
       nicht zweifelnd, nicht nach 15 Prozent.
       
       Dann widmet sich Nahles dem neuesten Projekt ihrer Partei: einer
       Kindergrundsicherung. „Wir wollen das kinderfreundlichste Land werden.“
       Kinder, die in Hartz IV lebten, sollten bessere Startchancen bekommen, weil
       sie sie verdienten. Und wenn die Union mauert? „Steter Tropfen höhlt den
       Stein. Nur munter weiter.“ Nahles lächelt wieder.
       
       Die SPD-Fraktions- und Parteichefin hat es nicht leicht. Das vergangene
       Jahr war fürchterlich. Das [1][Leiden an der Groko], der Dauerstreit mit
       Seehofer, der verflixte [2][Fall Maaßen]: 2018, so fasste es Juso-Chef
       Kevin Kühnert zusammen, sei „ein Seuchenjahr“ für die SPD gewesen. Nun soll
       vieles anders werden: Am Donnerstag und Freitag treffen sich die gut 150
       SPD-Abgeordneten zu einer Fraktionsklausur, um sich über die Grundlinien zu
       verständigen.
       
       Schwerpunkte der Klausur sind die Europa- und die Familienpolitik. Die SPD
       wolle das Jahr 2019 zu einem Jahr der „Chancen für Kinder und Familien
       machen“, heißt es in einem Beschlusspapier, das der taz vorliegt. Dies gehe
       nur, „wenn Kinder-, Familien- und Bildungspolitik im Mittelpunkt unseres
       politischen Handelns stehen.“ Die gut 150 Abgeordneten sollen das Papier
       nach der Klausur absegnen.
       
       ## „Frei von finanziellen Nöten“
       
       Die SPD will dem Wortlaut nach entschiedener gegen Kinderarmut vorgehen.
       Alle Kinder und Familien sollten „frei von finanziellen Nöten“
       selbstbewusst am gesellschaftlichen Leben teilhaben, heißt es in dem
       Papier. Das Versprechen: „Mit Kinderarmut werden wir uns nicht abfinden.“
       Deshalb arbeite die SPD an einer eigenständigen Absicherung für Kinder –
       und wolle in diesem Jahr ein Konzept vorlegen.
       
       Eine Kindergrundsicherung, die auch von Linkspartei und Grünen gefordert
       wird, würde Sozialleistungen und Förderungen für Familien bündeln. Nahles
       bleibt bei der Ausgestaltung erstmal vage. Vor allem sollten Eltern belohnt
       werden, die arbeiteten, sagt sie im Bundestag. Aber es werde auch geschaut,
       wo Kinder in Hartz-IV-Familien unterversorgt seien.
       
       Der Kern einer Grundsicherung ist nach allgemeinem Verständnis, dass Kinder
       aus dem Hartz-IV-System herausgenommen würden. Stattdessen würde eine
       einzige Transferleistung ihren Grundbedarf abdecken. Der Paritätische
       Wohlfahrtsverband fordert zum Beispiel eine Grundsicherung in Höhe von 618
       Euro. Jene müsste versteuert werden. Gutverdienende Eltern würden also
       Steuern abführen, Niedrigverdiener könnten den Betrag ganz behalten.
       
       Die SPD sieht eine Grundsicherung als nächsten Schritt auf einem Weg, den
       sie schon länger geht. Am Mittwoch hatten Familienministerin Franziska
       Giffey und Arbeitsminister Hubertus Heil ein Gesetz mit dem PR-trächtigen
       Titel „Starke-Familien-Gesetz“ vorgestellt. Es enthält mehrere Maßnahmen
       gegen Kinderarmut. Zum Beispiel wird der Kinderzuschlag für
       einkommensschwache Familien erhöht oder ein kostenloses Mittagessen in
       Kitas und Schulen für Kinder aus diesen Familien eingeführt.
       
       ## Neue Töne von den Seeheimern
       
       Die SPD bastelt unter Nahles eifrig an einem linkeren Profil. Selbst der
       Seeheimer Kreis, der rechte Parteiflügel, wirbt seit Neuestem für einen
       Mindestlohn von 12 Euro, eine längere Zahlung des Arbeitslosengeld I und
       für eine weitgehende Abschaffung der Leiharbeit. Mitte Februar fällt zudem
       die Entscheidung, wie radikal sich die SPD von Hartz IV abwendet. Dann
       trifft sich der SPD-Vorstand zu seiner Klausurtagung. Nahles hatte im
       November angekündigt, die SPD werde die unter Gerhard Schröder eingeführte
       Reform [3][hinter sich lassen].
       
       Umstritten ist vor allem die Frage der Sanktionen: Während Finanzminister
       Olaf Scholz und Arbeitsminister Heil im Grundsatz an Kürzungen festhalten
       wollen, wenn Arbeitslose nicht kooperieren, werben SPD-Linke wie Karl
       Lauterbach oder Juso-Chef Kühnert für deren komplette Abschaffung.
       
       Für Ärger sorgte in der SPD zuletzt eine Debatte über die
       Kanzlerkandidatur. Scholz hatte in der Bild am Sonntag seine Ambitionen
       [4][klar gemacht]. Er bejahte die Frage der Journalisten, ob er sich die
       Kandidatur zutraue. Dies werde von einem Vizekanzler erwartet. Der Vorstoß
       sorgte für Irritationen. „Das Letzte, was die SPD vor der so wichtigen
       Europawahl braucht, ist es, eine Kanzlerkandidaten-Debatte zu führen“,
       sagte Sebastian Hartmann, der SPD-Landeschef von Nordrhein-Westfalen, der
       Funke-Mediengruppe.
       
       Die Frage ist, ob Scholz an Nahles vorbei gehandelt hat. Der oder die
       Parteivorsitzende entscheidet in der SPD traditionell über die Kandidatur.
       Gegen einen Alleingang spricht, dass sich beide in wichtigen Fragen eng
       absprechen und ein gutes Verhältnis pflegen. Scholz lobt Nahles, wo er kann
       – und umgekehrt. Es ist deshalb auch denkbar, dass beide die K-Frage schon
       besprochen haben. Nahles weiß, dass sie in Beliebtheitsumfragen regelmäßig
       schlechter abschneidet als Scholz.
       
       ## Wer wird Kanzlerkandidat?
       
       Am Donnerstag begrüßt sie ausdrücklich Scholz' Äußerungen. „Das war meiner
       Meinung nach die richtige Antwort“, sagt Nahles in der ARD. Das gesamte
       Spitzenpersonal der SPD traue sich viel zu. Aber diese Frage stehe derzeit
       nicht an, betont sie. Diesen Satz hatte auch Scholz in seinem Interview
       nachgeschoben. Als weiterer möglicher Kandidat wird auch Niedersachens
       Ministerpräsident Stephan Weil genannt.
       
       Offen ist, ob die SPD die Kanzlerkandidatur in einer Urwahl klärt. Dann
       läge die Entscheidung nicht bei Nahles, sondern bei den Parteimitgliedern.
       Für diese Idee werben zum Beispiel der frühere Kanzlerkandidat Martin
       Schulz und SPD-Vize Ralf Stegner. Ein solcher Wettbewerb, so ihr Argument,
       belebe den innerparteilichen Diskurs und wecke in der Öffentlichkeit
       Interesse für die SPD. Interne Gegner von Scholz liebäugeln damit. Das
       Kalkül: Scholz könnte es in einer Urwahl schwer haben, weil er bei
       Vorstandswahlen auf Parteitagen stets schlechte Ergebnisse einfährt.
       
       Nahles verschaffte sich in der brisanten Personalfrage erst einmal
       Aufschub. Sie kündigte an, dass am Wochenende eine „organisationspolitische
       Kommission“ eingesetzt werde, die die Frage der Urwahl prüfen solle. Diese
       Grundsatzfrage werde aber in diesem Jahr nicht mehr entschieden. Damit hält
       sie sich auch eine eigene Kandidatur offen.
       
       10 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrich Schulte
       
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