URI:
       # taz.de -- SPD-Duell in Baden-Württemberg: Rolle rückwärts in Südwest?
       
       > Leni Breymaier und Luisa Boos wollten die SPD in Baden-Württemberg
       > erneuern. Jetzt könnten sie von Männern ersetzt werden.
       
   IMG Bild: Bloß nicht zuerst blinzeln: Leni Breymaier und Lars Castellucci im Kandidatenduell um den Parteivorsitz in Baden-Württemberg
       
       Mannheim taz | Die Kandidatenvorstellung fängt später an, weil die
       Juso-Gruppe vorsorglich ein Foto mit dem möglichen neuen Landesvorsitzenden
       machen will. Während Herausforderer [1][Lars Castellucci] also mit jungen
       Männern und Frauen vor einer roten Wand posiert, wartet drinnen die
       amtierende [2][SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier] darauf, dass es
       losgeht.
       
       Für Lars Castellucci, wie Breymaier Bundestagsabgeordneter und ihr
       Stellvertreter im Landesvorstand, ist das Schaulaufen an diesem Nachmittag
       Anfang November in der Mannheimer Universität gleich ein doppeltes
       Heimspiel. Erstens hat er seinen Wahlkreis in der Rhein-Neckar-Region und
       zweitens kommt ihm die Veranstaltung im Hörsaal gelegen. Neben seinem
       Bundestagsmandat ist der 44-Jährige Professor an einer privaten Hochschule.
       
       Dann geht es los. Zwei Bewerbungsreden, Bierdeckelfragen und am Ende eine
       Abstimmung, wer sich aufgrund der Veranstaltung nun für Breymaier oder
       Castellucci entschieden habe. Einige zögernde Hände gehen hoch. Mehr mit
       Inhalten, weniger mit sich selbst solle sich die SPD beschäftigen, heißt es
       in der Regel auf die Frage, wie die Partei ihren Abwärtstrend stoppen kann.
       Die Sozialdemokraten im Südwesten pfeifen auf diese Empfehlung und leisten
       sich nur zwei Jahre nachdem sich eine breite Mehrheit für Leni Breymaier
       ausgesprochen hat, eine Führungsdebatte inklusive Mitgliederentscheid.
       
       Bis zum 19. November kann die Basis noch abstimmen, am darauffolgenden
       Samstag soll ein Parteitag das Votum bestätigen. Breymaier gibt zu, dass
       sie die Gegenkandidatur ihres Stellvertreters überrascht. War man sich nach
       dem desaströsen Ergebnis der Landtagswahl 2016 (12,7 Prozent) doch über
       Flügelgrenzen hinweg einig, dass die Partei mit der 56-jährigen
       DGB-Landeschefin einen leidenschaftlicheren und linkeren Neuanfang wagen
       wollte.
       
       ## Unmut über Frauenduo
       
       Doch unter Breymaier, die gleich noch die junge und ebenfalls eher linke
       Generalsekretärin Luisa Boos durchsetzte, konnte der Abwärtstrend nicht
       umgekehrt werden. Umfragen sehen die SPD in Baden-Württemberg bei 11
       Prozent. Zwei verlorene Jahre seien das gewesen, sagt Castellucci. Zu wenig
       Zeit für echte Reformen, meint Breymaier. Auch weil ihr der Landesvorstand
       bei mehreren Vorschläge für mehr Transparenz die Gefolgschaft verweigerte.
       
       Geht es nach dem konservativen Netzwerker-Flügel, der im
       Südwest-Landesverband traditionell in der Mehrheit ist, soll es nun
       Castellucci richten. Der ist allerdings selbst seit 13 Jahren im
       Landesvorstand und fiel dort bisher wenig auf – auch nicht durch großen
       Reformeifer. Als migrationspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist er vor
       allem Insidern bekannt, während Breymaier oft zu bundesweiten Talkshows
       eingeladen wird.
       
       Es herrscht der Verdacht, dass manchem in der Partei die Führung zu
       weiblich ist. Denn die Netzwerker wollen nicht nur Breymaier ablösen,
       sondern auch ihre junge und clevere Generalsekretärin Luisa Boos. Breymaier
       hatte die frühere Juso-Chefin damals gegen erhebliches Murren vor allem im
       Parteivorstand durchgesetzt.
       
       Die 34-Jährige ist seitdem dabei, den Mitgliedern mit modernen Tools mehr
       Einfluss auf Parteidebatten zu geben. Sie hat zudem Martin Horn entdeckt,
       den neuen Freiburger Oberbürgermeister, der mit Unterstützung der SPD im
       Frühjahr [3][den grünen Amtsinhaber Dieter Salomon überraschend aus dem Amt
       kegelte]. Doch die innerparteiliche Kritik an ihr riss nicht ab, weshalb
       auch sie sich nun einem Herausforderer stellen muss. Der heißt Sascha
       Binder und fällt in der Fraktion als scharfer Redner auf. Das Verhältnis
       des 35-Jährigen zu Breymaier gilt als unterkühlt.
       
       Anders als beim Vorsitz stimmen nicht die Mitglieder über den
       Generalsekretär ab, sondern der Parteitag. Gut möglich also, dass die
       Partei künftig von einem gemischten Doppel geführt wird. Vielleicht nicht
       die schlechteste Lösung, um die schrumpfende Südwest-Partei zu einen.
       
       19 Nov 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Lars-Castellucci-SPD-ueber-Waffenexporte/!5430357
   DIR [2] /SPD-BaWue-Chefin-ueber-Erneuerung/!5460465
   DIR [3] /Buergermeister-Abwahl-in-Freiburg/!5500804
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Stieber
       
       ## TAGS
       
   DIR SPD-Basis
   DIR SPD
   DIR Baden-Württemberg
   DIR Jusos
   DIR SPD
   DIR Freiburg
   DIR SPD
   DIR SPD
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Datenskandal bei SPD-Jugendorganisation: Tricksen, täuschen, tarnen
       
       Mitglieder des Juso-Vorstands Baden-Württemberg missbrauchten jahrelang
       Daten. Linke Kreisverbände sollten unterwandert werden.
       
   DIR SPD in Baden-Württemberg: Tohuwabohu nach Votum der Basis
       
       Bei der SPD in Baden-Württemberg ging ein Mitgliederentscheid über die
       Führung nach hinten los. Die gekränkte Siegerin schmiss hin.
       
   DIR Bürgermeister-Abwahl in Freiburg: Deutungskampf um Breisgau-Beben
       
       Nach 16 Jahren wurde Freiburgs grüner Bürgermeister abgewählt. SPD und
       Linke hoffen auf das Ende von Grün-Schwarz im Land.
       
   DIR Mitgliederentscheid der SPD: Kopf über Herz
       
       Als Generalsekretärin der SPD Baden-Württemberg kämpfte Luisa Boos in den
       letzten Wochen für die Groko – an die sie gar nicht glaubt. Was treibt sie
       an?
       
   DIR SPD-BaWü-Chefin über Erneuerung: „In der Mitte ist es recht eng“
       
       Wohin steuert die SPD? Baden-Württembergs Landeschefin Breymaier über
       Kapitalismuskritik, die männerlastige Führungscew und einen Mindestlohn von
       12 Euro.