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       # taz.de -- Die Wahrheit: Sozibot als letztes Aufgebot
       
       > Die SPD präsentiert ein revolutionär neues Parteiführungskonzept. Aber
       > können die Sozis künstliche Intelligenz?
       
   IMG Bild: Der neue sozialdemokratische Parteichef 4.0 braucht seine Streicheleinheiten
       
       So gut war sie schon lange nicht mehr, die Stimmung [1][in der guten alten
       SPD]. Beim Wahrheit-Besuch in der Parteizentrale empfängt ein geradezu
       aufgekratzter Generalsekretär Lars Klingbeil. Was nur ist in die Partei
       gefahren? Hat etwa das vor Kurzem grassierende Debattencamp in
       Berlin-Schweineöde zu dieser Euphorie geführt? Klingbeil winkt ab. „Ach
       was, das war doch nur politische Folklore für die Basis. Wir haben etwas
       viel besseres als die sogenannte Schwarmintelligenz. Wir haben künstliche
       Intelligenz!“
       
       Dahinter verbirgt sich ein neues Führungskonzept mit dem Slogan „Politik
       4.0“ – eine Idee von Juso-Chef Kevin Kühnert. Angeturnt hat den Ober-Juso
       wohl ein Bericht über einen vollständig computeranimierten
       Nachrichtensprecher der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua.
       „Der liest alle Texte fehlerfrei vor. Überhaupt sagt er alles, was er soll
       und nur das“, erzählt Generalsekretär Klingbeil begeistert. „In der Partei
       kann das von uns keiner.“ Deshalb habe der Parteivorstand – mit einer
       Gegenstimme – beschlossen: „Den SPD-Vorsitz übernimmt ab der nächsten
       Amtszeit ein Roboter.“ Klingbeil klatscht in beide Hände. Der neue
       Vorsitzende, der vorerst den Arbeitsnamen Sozibot trägt, „ist somit der
       überlegenste Vorsitzende aller Zeiten“.
       
       Der digitalisierte Parteichef in spe sei schon so gut wie einsatzbereit,
       kündigt Klingbeil darüber hinaus an. In Sozibots Kopf arbeitet ein
       Hochleistungsrechner, in dem sämtliche Parteiprogramme der Welt abrufbar
       sind. Außerdem verbindet eine Schnittstelle den Sozibot mit allen
       relevanten Postings in den sozialen Medien. So hat Sozibot in
       Sekundenbruchteilen auf jeden Reiz die passende Antwort parat. Das lässt
       ihn stets spontan reagieren, selbstverständlich auch bei Livesendungen.
       
       ## Sozibot: gefüttert mit ganz viel Identität
       
       „Beim nächsten Kanzlerduell werden sich die Schwarzen umschauen“, feixt
       Klingbeil und ballt die Faust. Damit Sozibot als Sozialdemokrat
       identifizierbar bleibt, fütterte man ihn mit identitätsstiftenden Zitaten
       angesehener Sozialdemokraten. Bei öffentlichen Auftritten ruft er sie nun
       bevorzugt ab. Besonders gut gefällt Lars Klingbeil dabei ein Ausspruch von
       August Bebel, dem Gründer der Sozialdemokratie: „Es gibt keine Befreiung
       der Menschheit ohne die soziale Unabhängigkeit und Gleichstellung der
       Geschlechter.“ Ein Klassiker, sagt Klingbeil: „Schon über 100 Jahre alt und
       immer noch so aktuell. Das können wir sicher eine ganze Weile verwenden.“
       
       Besonders stolz ist der SPD-Generalsekretär auf die Notationssoftware, die
       man Sozibot einprogrammiert hat – inklusive eines umfassenden Liederbuches.
       Peinlichkeiten, wie sie sich Andrea Nahles mit einem schief gesungenen
       Pippi-Langstrumpf-Lied im Bundestag geleistet hat, gehören damit endlich
       der Vergangenheit an.
       
       Die Praxistauglichkeit des digitalen Vorsitzenden wird aktuell intensiv
       durchexperimentiert. Gewiss, dabei komme noch „die eine oder andere
       Baustelle“ zu Tage, gibt Klingbeil zu. Vor Kurzem hat Sozibot dann
       tatsächlich am SPD-Debattencamp teilgenommen. Als dort mehrere Genossen die
       Abkehr von Hartz IV forderten, reagierte der Roboter forsch mit Aussagen
       aus einer Regierungserklärung von Ex-Kanzler Gerhard Schröder: „Wir werden
       Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr
       Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen.“
       
       ## Sozibot ist da, wo es stinkt
       
       Und als man Sozibot neulich auf eine Sitzung im Parteipräsidium vorbereiten
       wollte, kommentierte er: „Wir müssen dahin, wo es gelegentlich mal stinkt.“
       Das Zitat stammt von Sigmar Gabriel. Sozibots Thesenschatz wird deshalb
       gerade von einer eigens dafür geschaffenen Sonderkommission
       „Sozialdemokratie und ihre Thesen“, kurz: SoSo, überarbeitet.
       
       Lange diskutiert habe man darüber, wie Sozibot aussehen soll. Am Anfang war
       eine Art Mischfigur im Gespräch: Frisur Andrea Nahles, Gesichtsausdruck
       Olaf Scholz, Stimme Willy Brandt. Qualmen sollte er wie Helmut Schmidt –
       allerdings E-Zigaretten. Die ersten Modelle wirkten aber „wenig
       ansprechend“, so Klingbeil. Stattdessen stelle Sozibot nun eine Mischung
       aller sozialdemokratischen Erscheinungsformen dar. „Damit haben wir
       geradezu den sozialdemokratischen Phänotypen geschaffen – das macht ihn nur
       noch exklusiver“, freut sich der Generalsekretär bei unserem Gespräch.
       
       Nun können wir die Neugier kaum noch zügeln. „Dürfen wir Sozibot mal kurz
       sehen?“ Lars Klingbeil strahlt: „Klaro“, sagt er und drückt auf eine Taste
       seines Tischtelefons. „Sozibot, bitte.“ Herein spaziert Hubertus Heil.
       „Aber das ist doch – der Bundesarbeitsminister“, reagieren wir irritiert.
       „Nein“, widerspricht Klingbeil, „der sieht nur so aus. Das ist Sozibot.
       Hören Sie selbst.“ Wie zum Beweis hebt Sozibot die Stimme. Aus voller Kehle
       intoniert er – schon wieder das Pippi-Langstrumpf-Lied. Aber endlich
       singt’s mal einer richtig.
       
       28 Nov 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Zehn-Vorschlaege-zur-Rettung-der-SPD/!5539648
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Günter Flott
       
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