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       # taz.de -- Magie mit Fantomas-Maske
       
       > Nicht ganz im Reinen mit sich und der Welt, und cheesy, aber nicht zu
       > cheesy: Der US-Sänger John Grant spielte am Mittwoch mit seiner
       > sendungsbewussten Backingband im Astra-Kulturhaus in Friedrichshain
       
       Von René Hamann
       
       Es war auf La Gomera, als in einer unscheinbaren Bar auf dieser
       unwirklichen kanarischen Insel das damals neue Album von Sinéad O’Connor
       lief. Es war ein lauer Januarabend, die Irin war immer noch gut an ihrer
       Stimme zu erkennen, die Songs waren eher so mediokre, solide Rockpopnummern
       der ausgewachsenen Art. Dann aber ertönte ein Song, den ich irgendwo anders
       her kannte: Ein schön gequältes Split-up-Lied mit brachialem
       Noise-Mittelteil, eine Abrechnung mit jemandem, der einen verlassen hat.
       Musikalisch sehr wuchtig, gekränkter Narzissmus galore! „The Queen of
       Denmark“ heißt das Stück, und es stammt im Original von John Grant.
       
       John Grant, Jahrgang 1968, hatte zum Zeitpunkt seines Debüts, das er mit
       Hilfe der Muckerband Midlake aufnahm, schon eine halb gelungene, halb
       gescheiterte Rockkarriere hinter sich, als Sänger der nicht allzu tollen
       Indierockband The Czars. Sein Leben schien kurz vor dem Abgrund. Er hatte
       gesundheitliche Probleme, die wiederum mit seiner Homosexualität, mit
       seiner Herkunft aus streng religiösen Verhältnissen, und drittens mit
       Alkohol- und Drogensucht zu tun hatten. Sein Solodebüt „The Queen of
       Denmark“ (2010) mitsamt eben jenem Stück als karthatischem Schlusspunkt war
       in vielfacher Weise ein Befreiungsschlag: Allerlei Trennungen, allerlei
       Kränkungen, jede Menge Selbsthass, und auf all das konnte er endlich
       musikalisch und textlich bitter und böse reagieren, mit einer
       sendungsbewussten Rockband als Backup.
       
       Acht Jahre später scheint Grant im Reinen mit sich und der Welt zu sein.
       Nicht ganz, natürlich. Aber wesentlich mehr als damals. Sein Debüt wurde
       ein Überraschungserfolg, seine zweite Karriere als Solosänger führte ihn
       nach Island, wo er mit Musikern aus dem Umfeld von GusGus an neuen Stücken
       arbeitete, die mehr Disco waren als Rock. Live, und so war das auch am
       Mittwochabend im ansehnlich gefüllten Kulturhaus Astra in Friedrichshain,
       versucht er den Spagat zwischen beiden Welten, was ihm mal mehr und mal
       weniger gelingt: Elton-John’esker Balladenrock hier (meist ohne Refrain),
       80s-gesättigter Disco Pop (gern mit Refrain) da.
       
       Unterstützt wird er zum einen von gut stehenden Neonlichtröhren, die im
       Rock-Fall mal blutig rot leuchten, im Disco-Fall eher für grün-blaue kühle
       Atmosphäre sorgen. Zum anderen hat er eine Band dabei, die kongenial
       zwischen den Genres changieren kann. Der Schlagzeuger hat seine Becken
       extra hoch gehängt, damit er zu den Balladen mit ausgestreckten Händen, die
       in schwarzen Lederhandschuhen stecken, posieren kann; ansonsten spielt er
       ein E-Drum-Set, wie man es zuletzt von Alphaville gehört hat. John Grant
       selbst, mit Fantomas-Maske und Bart unter der Baseballkappe (im Publikum
       finden sich übrigens nicht wenige Lookalikes) und der Stimme eines Elmar
       Gunsch, sitzt entweder seitlich am E-Piano oder macht frontal zackige
       Bewegungen zu den Disco Beats. Breakdance hieß es mal.
       
       Dass er die Stimme hat, den Charme und die Ausstrahlung, ist beinahe
       selbstredend. Musikalisch ist das nie neu, was Grant macht, neu ist
       lediglich die bipolare Mischung. Seine neues Album heißt „Love is Magic“,
       was leider nicht immer ironisch gemeint ist, insofern wird es zuweilen
       ziemlich cheesy; damit es nicht zu cheesy bleibt, hat er immer noch die
       eine oder andere Beleidigung dabei („Smug Cunt“, es gibt am Merchstand auch
       eine Tasse mit dem Aufdruck). Verschmelzen können die beiden Gegensätze
       noch nicht ganz. Aber egal: Im besten Fall sind die Balladen so
       selbstentblößend wie fantastisch hintersinnig, während die Disco-Stücke
       sexy und gewitzt sind, und der Höhepunkt kommt zum Schluss: Nach der besten
       Disco-Nummer „Black Belt“ folgt „The Queen of Denmark“. Es gibt immer die
       Möglichkeit einer Insel.
       
       16 Nov 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR René Hamann
       
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