URI:
       # taz.de -- Volksbegehren gegen Werbung in Berlin: Unterstützung von Berlinern und Senat
       
       > Die Initiative Berlin Werbefrei hat ihr erstes Ziel so gut wie erreicht:
       > 17.000 Menschen haben unterschrieben. Derweil signalisiert Rot-Rot-Grün
       > Zustimmung.
       
   IMG Bild: Will man weder sehen noch wissen: Werbung für „du bist Deutschland“
       
       Vielleicht gibt es auch ganz ohne Volksentscheid bald weniger Werbung in
       Berlin: VertreterInnen von Rot-Rot-Grün sympathisieren mit dem Anliegen der
       Initiative Berlin Werbefrei, die die Werbung im öffentlichen Raum stark
       reduzieren will. Deren MitstreiterInnen sammeln derzeit Unterschriften –
       und bekommen viel Zuspruch: 17.000 haben nach Angaben der Initiative zur
       Halbzeit bereits unterzeichnet. 20.000 gültige Unterschriften muss Berlin
       Werbefrei bis Mitte Juli zusammen haben, um ein Volksbegehren einzuleiten.
       Es dürften am Ende deutlich mehr werden.
       
       Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) sagte der taz,
       sie könne nicht für den Senat sprechen. „Aber dass der öffentliche Raum
       nicht in zu starkem Maße kommerzialisiert werden sollte, kann ich gut
       nachvollziehen.“ Bereits am Wochenende haben die Linken auf ihrem Parteitag
       beschlossen, die Initiative zu unterstützen.
       
       Die Grünen-Fraktion sieht Berlin Werbefrei ebenfalls sehr positiv, sagte
       Katrin Schmidberger, Sprecherin für Stadtentwicklung. „Wir teilen die
       Forderung, dass der öffentlichen Raum nicht mit Werbung zugeballert werden
       sollte.“ Vergangene Woche habe es in der Fraktion dazu bereits ein Treffen
       gegeben. „Wir werden auf die Initiatoren zugehen und sie einladen.“
       
       In der SPD wurde das Thema bislang noch nicht umfassend diskutiert. Doch
       der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, Frank Jahnke, sagte der
       taz: „Es ist ein berechtigtes Anliegen, den öffentlichen Raum vor optischer
       Vermüllung zu bewahren.“ Wenn man auf Werbung verzichte, fielen allerdings
       Einnahmen weg. Jahnke hält es deswegen für wichtig, Werbung zur
       Finanzierung etwa von öffentlichen Sanitäranlagen oder Bushaltestellen
       weiterhin dauerhaft zuzulassen. „Man müsste klar definieren, wie groß diese
       Werbung sein dürfte und wofür die Einnahmen verwendet werden.“
       
       Seit Mitte Januar sammeln die Initiatoren von Berlin Werbefrei
       Unterschriften für ein Verbot von Werbung im öffentlichen Raum. „Werbung
       verändert das Gesicht der Stadt“, sagte Fadi El-Ghazi, Mitbegründer des
       Volksbegehrens. Der öffentliche Raum sei aber für die Begegnung von
       Menschen da, als Ort des gesellschaftlichen Lebens. „Diese Funktion tritt
       zunehmend hinter Wirtschafts- und Finanzinteressen zurück.“ Digitale
       Werbung etwa auf großen Displays wie an der East Side Gallery an der Spree
       soll ganz unterbunden werden. Geht es nach den Initiatoren, darf es auch an
       Kitas, Schulen und Universitäten keine Werbung mehr geben. Sponsoring wäre
       dann nur noch begrenzt möglich.
       
       Ausnahmen sieht der Gesetzentwurf aber durchaus vor: Veranstaltungen und
       Gemeinnütziges soll demnach weiterhin beworben werden können, auf
       Litfaßsäulen, Haltestellen und anderen Werbeflächen. Zudem sollen
       kommerzielle Geschäfte und Gaststätten auch in Zukunft auf sich aufmerksam
       machen können: „Wir wollen keinem Laden- oder Restaurantbesitzer sein
       Werbeschild wegnehmen“, sagte El-Ghazi.
       
       Zudem soll Werbung an Bahnhöfen, Haltestellen oder öffentlichen Toiletten
       möglich sein, allerdings begrenzt auf ein Jahr und nur dann, wenn die
       Einnahmen etwa der Sanierung der Toilette dienten. Ziel sei eine
       werbereduzierte Stadt, sagte El-Ghazi. Was an Werbung übrig bliebe, dürfte
       weder herabwürdigend noch diskriminierend sein.
       
       Vergangenen Sommer hat die Initiative ihren Gesetzentwurf eingereicht. Die
       amtliche Kostenschätzung des Senats von 81 Millionen Euro pro Jahr erschien
       El-Ghazi und seinen MitstreiterInnen jedoch übertrieben. Tatsächlich wurden
       auf ihre Beschwerde hin die erwarteten Mindereinnahmen des Landes nach
       unten korrigiert: Jetzt sind es lediglich 31 Millionen Euro, die den
       Senatsverwaltungen und den Bezirken im Jahr verloren gehen sollen.
       
       Auch wenn sie die 20.000 Unterschriften bald schon zusammen haben, wollen
       die Leute von Berlin Werbefrei weiter sammeln. Bei dem sonnigen Wetter
       laufe es besonders gut, berichtete El-Ghazi. Von den 30 bis 40
       ehrenamtlichen Aktiven seien die meisten berufstätig, sie sammelten vor
       allem am Wochenende. „Wir machen weiter bis Ende Juni, um mehr politisches
       Gewicht zu bekommen.“
       
       Nach Abgabe der Unterschriften muss die Innenverwaltung den Gesetzentwurf
       rechtlich prüfen, dann beschäftigt sich das Abgeordnetenhaus mit dem
       Anliegen. Lehnt das Parlament den Gesetzentwurf ab, geht das Verfahren in
       die nächste Stufe: Die Initiatoren müssen rund 175.000 Unterschriften
       sammeln, um einen Volksentscheid herbeizuführen. Gelingt das, dürfen alle
       wahlberechtigten Berliner über den Gesetzentwurf abstimmen.
       
       Vielleicht kommt es aber gar nicht erst dazu. Einen Mietenvolksentscheid
       und einen Entscheid zum Radverkehr hat der Senat abgebogen, indem er mit
       den Initiatoren verhandelte und ähnliche Gesetze selbst auf den Weg
       brachte. El-Ghazi sagte, die Initiative sei offen für Gespräche. Größere
       Abstriche würden sie aber nicht machen. „Unser Gesetz beinhaltet schon
       viele Kompromisse.“ Ziel sei aber weiterhin der Volksentscheid.
       
       20 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Antje Lang-Lendorff
       
       ## TAGS
       
   DIR Konsumzwang
   DIR Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
   DIR Berlin Werbefrei
   DIR Berlin
   DIR Werbung
   DIR Volksbegehren
   DIR Werbung
   DIR Regine Günther
   DIR Werbung
   DIR Werbung
   DIR Werbung
   DIR Werbung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Initiative gegen Reklame in Berlin: Erfolgreiche Werbung in eigener Sache
       
       Die Initiative „Berlin Werbefrei“ sammelt 43.000 Unterschriften und nimmt
       die erste Hürde Richtung Volksentscheid. Auch Linke und Grüne wollen
       Reklame einschränken.
       
   DIR Öffentliche Toiletten in Berlin: Senat völlig aus dem Häuschen
       
       Die öffentlichen Toiletten werden auch weiterhin von Wall betrieben – und
       es sollen sogar mehr werden.
       
   DIR Aktivist über Adbusting: „Die Leute sind irritiert“
       
       AdbusterInnen ändern oder fälschen Außenwerbung. Aber wie machen Sie das?
       Ein kleiner Einkauf im Baumarkt bringt mehr als kriminelle Genialität.
       
   DIR Neues Volksbegehren in Berlin: Werben für ein Ende der Werbung
       
       Was anderswo bereits Wirklichkeit ist, soll auch in Berlin möglich werden:
       viel weniger Werbung im Stadtbild. Ab sofort werden Unterschriften
       gesammelt.
       
   DIR 4 Volksbegehren im Check: Berlin begehrt
       
       Weniger Werbung, Neuwahlen, keine Schulprivatisierung und mehr Kameras: Wer
       schafft es bis zum Volksentscheid?
       
   DIR Kleine Kulturgeschichte der Werbung: So präsent wie die Stasi
       
       Werbung ist immer da, 24 Stunden lang, jeden Tag. Genau das ist das
       Problem, finden Kritiker und setzen sich für mehr Freiflächen ein.