# taz.de -- Der Berliner Wochenkommentar I: Der Boris Palmer von der Spree
> Der Grüne Stephan von Dassel will osteuropäische Obdachlose aus dem
> Tiergarten abschieben. Ein Vorschlag, der gaga ist – aber effektvoll.
IMG Bild: Stephan von Dassel, grüner Bezirksbürgermeister von Mitte
Die Berliner Grünen gelten bundesweit als Landesverband, der links tickt.
In letzter Zeit arbeitet allerdings einer konsequent gegen dieses Image:
Stephan von Dassel, seit einem Jahr Bürgermeister von Mitte, schlug erst
ein Alkoholverbot auf dem Leopoldplatz vor, dann forderte er ein Verbot von
Prostitution nahe der Kurfürstenstraße. Und nun die Abschiebung von
osteuropäischen Obdachlosen aus dem Tiergarten – was diese Woche für
heftige Diskussionen sorgte.
Warum sagt von Dassel so etwas? Will er unbedingt der Boris Palmer von der
Spree werden?
Stephan von Dassel versteht sich selbst vor allem als Pragmatiker. Er sagt,
es gehe ihm um Lösungen. Er begreift sich als Anwalt der Menschen in seinem
Bezirk, als Anwalt seiner Mitarbeiter, die mit den Obdachlosen vor Ort zu
tun haben. Wenn die Leute sagen, dass eine Situation nicht mehr erträglich
sei, hält er es für seine Aufgabe, Alarm zu schlagen.
Sein Vorschlag, osteuropäische Obdachlose abzuschieben, ist an sich
natürlich gaga. Ausweisungen von EU-Bürgern sind nicht praktikabel.
Entweder die Leute lassen sich freiwillig wegkarren, so geschehen in
Neukölln –, oder es bedarf eines langwierigen Verfahrens. EU-Ausländer
haben zudem das Recht, sich innerhalb der Union frei zu bewegen, auch
Ausgewiesene können also jederzeit wiederkommen. Gerade der Pragmatiker
Stephan von Dassel weiß all das natürlich.
Trotzdem stellt er die Forderung nach Abschiebungen in den Raum – weil ihm
die Aufmerksamkeit gewiss ist. Zahlreiche Medien berichteten. Prompt nahm
der Senat das Thema Tiergarten am Dienstag auf, er rief eine Taskforce für
den Park ins Leben, stellte mehr Geld für Personal und mehr
Polizeikontrollen in Aussicht.
Über den Umweg der öffentlichen Debatte erreicht Stephan von Dassel also
tatsächlich eine Veränderung vor Ort. Den Preis, den er dafür bezahlt: Er
muss sich vorwerfen lassen, ordnungspolitischer Hardliner zu sein, ein
Populist, fremdenfeindlich gar. Er wird zu dem Grünen mit den markigen,
unsachlichen Sprüchen. Wobei: Vielleicht empfiehlt man sich als Grüner auf
diese Weise gar für Höheres? In Zeiten von Jamaika ist das nicht
auszuschließen.
14 Oct 2017
## AUTOREN
DIR Antje Lang-Lendorff
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