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       # taz.de -- Pfand in Deutschland: Die Flaschen von der Industrie
       
       > Ein harmloser Bundesratsbeschluss führt bei den Herstellern zu
       > hysterischen Pfandszenarien. Es geht um Milchtüten und Weinflaschen.
       
   IMG Bild: Ist das die Einwegindustrie oder ein Haufen Flaschen?
       
       Jetzt toben sie wieder. Ein Pfand für Milchtüten und Weinflaschen?
       Womöglich auch noch für Hustensaft! Da steigt der Puls auf Kolibrifrequenz,
       da macht sich nacktes Entsetzen breit. Schon steht einem der kleine Winzer
       vor Augen, vor dessen Haustür sich Millionen Flaschen aus aller Herren
       Länder stapeln. Alle drei Minuten klingelt einer mit der leeren Flasche in
       der Hand, um sein Pfand abzuholen. Und bei der Milch? Schwer stinkende,
       halbleere Milchkartons mit verranztem Inhalt werden beim Edeka in den
       Rücknahmeautomaten gesteckt, bis alle nur noch mit der Nasenklammer
       einkaufen gehen. „Wir verökologisieren uns“, zitiert die Welt den Experten
       Ecki Heuser vom Milchindustrieverband, der vor der „Zerschlagung“
       bewährter Entsorgungssysteme warnt.
       
       Jetzt erst mal durchatmen und vielleicht einen Schluck warme Milch trinken.
       Was ist wirklich geschehen? Der Bundesrat, nicht gerade die Speerspitze der
       Ökodiktatur, hat den Entwurf des Verpackungsgesetzes kritisiert und
       Nachbesserungen verlangt. Alles eher harmlos und durchaus sinnvoll.
       
       So verlangt die Länderkammer eine klare Kennzeichnung auf der Verpackung,
       damit der Käufer überhaupt Bescheid weiß: Einweg oder Mehrweg? Zudem sollen
       gleiche Verpackungen auch gleich behandelt werden. Diese Forderung zielt
       auf den Umstand, dass PET-Flaschen für Cola und Saft einmal bepfandet und
       einmal nicht bepfandet sind.
       
       Eine Pfandpflicht für Milchtüten und Weinflaschen hat das Gremium dagegen
       mit keinem Wort verlangt. Es heißt in der Stellungnahme nur, dass sich der
       Gesetzgeber künftig beim Pfand nicht am Inhalt, sondern an der Art der
       Verpackung orientieren soll. Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass
       ausgerechnet in einem Wahljahr die deutsche Hausfrau genötigt wird, leere
       Milchtüten zu sammeln und zum Pfandautomaten zu tragen?
       
       ## Kaffee kann man notfalls auch aus Tassen trinken
       
       Was der Bundesrat tatsächlich will, ist „ein effizientes, ökologisches,
       verbraucherfreundliches und bürgernahes Wertstoffgesetz“. Weil die
       Einwegindustrie deswegen zu Recht Verschärfungen befürchtet, verbreitet sie
       vorsorglich Horrorszenarien, die Weinkrämpfe bei Verbrauchern und
       entsprechende Tiraden gegen grünen Regulierungswahn auslösen. Seit dem
       Todeskampf um das Dosenpfand während der Schröder-Regierung vor 13 Jahren
       wissen wir: Nichts regt die Deutschen mehr auf als der Streit um
       Pfandsysteme.
       
       Zum Schluss einige didaktisch wertvolle Hinweise. Deutschland ist
       Verpackungs-Europameister: Kein anderes Land in Europa verursacht mehr
       Verpackungsabfall. 218 Kilo pro Kopf und Jahr. Frankreich verzeichnet 185
       Kilo, der Österreicher 150, der Schwede sogar nur 109 Kilo, genau halb so
       viel.
       
       Da ist zum Beispiel der Becherirrsinn. Die Coffee-to-go-Epidemie ist schuld
       daran, dass im Jahr bei uns 2,8 Milliarden Becher verbraucht und
       weggeworfen werden, 34 Becher pro Nase. Die Deutsche Umwelthilfe rechnet
       vor: Wenn man die Becher mit dazugehörigem Plastikdeckel
       aufeinanderstapelt, entsteht ein 300.000 Kilometer hoher Turm. Es geht aber
       noch höher: Die in Deutschland verbrauchten Plastikflaschen reichen 16-mal
       bis zum Mond. Es gibt Leute, die finden das alles ganz normal. Die wissen
       auch nicht, dass man Kaffee notfalls im Sitzen und aus Tassen trinken kann.
       
       Es ist wie bei allen Ökodebatten: Es macht irgendwie keinen Spaß,
       vernünftig zu sein. Mal einen Augenblick über Plastikwahn und Becherorgien
       nachzudenken. Womöglich sogar über Ressourcenverantwortlichkeit und
       nachhaltige Zukünfte. Viel lustiger ist es doch, sich auszumalen, wie die
       Supermärkte unter einer Lawine stinkender Milchtüten begraben werden und
       die rot-grünen Latzhosenbrigaden im Rettungseinsatz verschüttete
       Kassiererinnen aus dem Milchtütenmüllberg herauspulen.
       
       14 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Manfred Kriener
       
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