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       # taz.de -- Nicht wegwerfen, zurückbringen!: Ministerialer Müll
       
       > Freiburg will den Berg der Coffee-to-go-Becher in den Griff bekommen –
       > mit einem freiwilligen Angebot. Das freut vor allem die Politik.
       
   IMG Bild: Wie hätten Sie Ihre braune Brühe denn gerne?
       
       Dass wir in unseren Ländern und Ländles von ernsthaften Problemen verschont
       bleiben, [1][hat gerade erst wieder eine Studie aus – ausgerechnet –
       Großbritannien gezeigt]. Die EU-Deserteure bescheinigten den Deutschen, in
       Europa zu der Gruppe zu gehören, die am geringsten für „Populismus“
       empfänglich sei.
       
       Nicht nur bei den Grünen ergriff man die Gelegenheit, „einfach mal wieder
       durchzuatmen“: Darauf einen Espresso, oder nein, lieber einen Kaffee zum
       Weglaufen – denn sagen wir, es wie es ist: Trotz allgegenwärtiger
       Luxusvollautomaten und Importprotzmaschinen ist es immer noch nahezu
       unmöglich, einen starken, schwarzen Trunk zu bekommen, der sich in Aroma,
       Struktur und Nichtbittersein auch nur dem annähert, was bei unseren
       italienischen Nachbarn zum Alltagsleben gehört – zum Preis von 80 Cent pro
       Tässchen am Bartresen.
       
       Anstatt aber nun flächendeckend Barista-Kurse einzuführen, entschließt man
       sich bei uns, nichts am meistens abscheulichen Inhalt zu ändern, sondern
       einen freiwilligen Pfand auf die Verpackung, die Kaffeebecher, einzuführen.
       
       Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) lobt denn auch aktuell ein
       Projekt in [2][Freiburg] – nicht das erste seiner Art in Deutschland –, wo
       Cafés und Bäckereien Pfandbecher für Kaffee zum Mitnehmen anbieten. „Dafür
       brauchen wir keine Bundesregelung“, sagt die Ministerin gutgelaunt, „das
       geht auf lokaler und freiwilliger Basis.“
       
       ## Freiwillige Basisarbeit
       
       Diese Aussage ist insofern interessant, als das deutsche Gemeinwesen ja –
       nur so als Beispiel – beim Mitmischen in rechtsterroristischen
       Vereinigungen nicht viel von freiwilliger Basisarbeit hält: Die bundesweite
       Neonaziszene wurde über Jahre von diversen Verfassungsschutzämtern
       hingabevoll aufgepäppelt.
       
       „Freiwilligkeit“ ist in den letzten zwanzig Jahren ein Schimpfwort wie
       „Reform“ geworden: Erstere steht für Feigheit und Arbeitsverweigerung der
       Politik, letztere für Projekte, bei denen es zumeist um den Abbau von
       Sozialleistungen oder die Einschränkung von Grundrechten geht.
       
       Solche heimischen Petitessen interessieren allerdings nur peripher: Diesen
       Eindruck muss man haben, wenn man an die obsessive Beschäftigung der
       deutschen Öffentlichkeit mit einem mindestens 5.242,38 Kilometer (Luftlinie
       Isenbruch, Deutschland – Eastport, USA) entfernten Wahlkampf in den letzten
       Monaten denkt, die dann – darf man es noch ein letztes Mal vermerken? –
       ganz überwiegend zu einer katastrophalen Fehleinschätzung der tatsächlichen
       Verhältnisse und dementsprechend des wirklich Wahlausgangs führte.
       
       „Umweltministerin Barbara Hendricks tut nichts Ernsthaftes, um Abfälle zu
       vermeiden.“ Das ist, wenn wir hier in Schlagzeilen denken würden, die
       eigentliche Meldung vom Tage, formuliert vom Leiter Kreislaufwirtschaft der
       [3][Deutschen Umwelthilfe], Thomas Fischer.
       
       Wenn man nicht auf die freiwillige Durchsetzung der Espresso-Tresen-Kultur
       (nur nebenbei: dabei kann man wunderbar miteinander ins Gespräch kommen)
       warten will, dann muss die zuständige Politikerin aufhören, den Müllberg
       von jährlich drei Milliarden deutschen Brühe-Bechern von sich
       wegzuschieben.
       
       ## Gestaltungsunwille
       
       Einer bundesweiten Abgabe von 20 Cent auf jeden Einwegpappbecher stehe
       rechtlich genauso wenig etwas im Wege wie einer landesrechtlichen
       Umsetzung, sagte Fischer der taz. Damit würden vor allem die Vieltrinker
       motiviert, von Einweg auf Mehrwegbecher zu wechseln. Beschlüsse zur
       Förderung oder Einführung von Mehrwegsystemen für Coffee to go seien in
       Hamburg und von der neuen rot-rot-grünen Koalition in Berlin verabschiedet
       worden.
       
       Populismus, um auf den Beginn diesen kleinen Kaffee-Talks zurückzukommen,
       ist es nämlich nicht nur, Menschen mit hetzerischen Parolen in der braunen
       Soße abzuholen, in der sie bedauerlicherweise feststecken; sondern auch,
       wenn Politiker ihren Gestaltungsunwillen nicht schlicht zugeben und
       womöglich sogar persönliche Konsequenzen ziehen, sondern ihn auch noch als
       Weisheit verkaufen.
       
       23 Nov 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Studie-zum-Populismus-in-Europa/!5359057/
   DIR [2] http://www.badische-zeitung.de/freiburg/freiburg-startet-mehrwegsystem-fuer-kaffeebecher--130102041.html
   DIR [3] http://www.duh.de/projekte/projekte/becherheld/becherheld-presse/einzelansicht/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=3543&cHash=2080cc8c3a565ce78e4c9405092f2714
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ambros Waibel
       
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