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       # taz.de -- Die Wahrheit: Übernahme der Wut
       
       > Auf der Spur von dunklen Familiengeheimnissen gerät Poet Golch in einen
       > immer tieferen Strudel von, ja von was eigentlich?
       
       Ein Dichter namens Golch wusste vor materieller Not nicht mehr, wie es
       weitergehen sollte. In einer der Nächte, die er schlaflos am Abgrund der
       Verzweiflung zubrachte, erschien ihm seine seit vielen Jahren tote Mutter.
       Sie teilte ihm mit, er solle Inhaber des Wut-Verlags werden, der ihrem
       Vater gehörte.
       
       Das überraschte Golch, denn sein Großvater mütterlicherseits wäre der
       Letzte gewesen, dem er je unterstellt hätte, in irgendeiner Weise mit so
       etwas wie einem Verlag zu tun zu haben. Ungeachtet dessen brachte ihm seine
       Mutter Straße und Hausnummer zur Kenntnis und fügte hinzu, man erwarte ihn.
       Dann löste sie sich auf.
       
       Golch war desperat genug, um nach allem zu greifen, was Rettung versprach.
       Am folgenden Tag fuhr er daher in die Stadt und suchte die genannte Adresse
       auf. Tatsächlich gab es dort, in der zweiten Etage eines großen Gebäudes,
       einen Wut-Verlag. Als Golch sich am Empfang vorstellte, brachte man ihn
       sofort zur Geschäftsführerin. Deren Anblick erstaunte ihn, denn die Frau
       hätte seine Schwester sein können. Golch wollte etwas äußern, doch sie
       bedeutete ihm zu schweigen. Über gewisse Dinge dürfe nie gesprochen werden,
       sagte sie.
       
       Mit der größten Selbstverständlichkeit reichte sie ihm sodann etwas in
       Alufolie Gewickeltes. Es hatte ungefähr die Maße eines dicken Taschenbuchs,
       war aber weicher und fühlte sich auffallend warm an. Golch erhielt den
       Auftrag, es zu einem bestimmten, ein paar Straßen entfernten Abfallbehälter
       zu bringen. Weil er das für ein notwendiges Ritual hielt, verließ er mit
       dem weichen, warmen Paket die Geschäftsräume.
       
       Im Parterre traf Golch bei der gläsernen Eingangstür auf eine fremdartig
       aussehende Person. Sie war anscheinend männlichen Geschlechts und sehr
       dunkel, doch stellenweise – vor allem am Kopf – mit gelbem Puder
       beschichtet. Verunsichert fragte er den deplatziert wirkenden Fremden, ob
       er ihm helfen könne. Die Antwort bestand in unverständlichen Lauten, die
       Aufregung und Ärger ausdrückten. Ruckartige Körperbewegungen unterstrichen
       diesen Eindruck.
       
       Im nächsten Moment stand ein zweites, dem ersten in Aussehen und Verhalten
       ganz ähnliches Wesen vor Golch. Es streckte einen Arm gegen ihn aus und
       fuchtelte damit aggressiv herum. Bevor die Lage sich weiter zuspitzen
       konnte, wurde die Glastür geöffnet, und ein schmächtiges Mädchen kam
       herein. In seinen Händen hielt das Kind einen langen, dicken Stock, mit dem
       es sogleich entschlossen auf die bedrohlichen Gestalten einschlug. Mit
       einem Sprung war Golch bei der Tür und gelangte ins Freie.
       
       Froh, entkommen zu sein, machte er sich auf den von der Geschäftsführerin
       beschriebenen Weg. An der nächsten Kreuzung kam er jedoch nicht weiter. Der
       gesamte Block war von Sicherheitskräften abgesperrt worden. Ein Polizist
       sprach von einem „ungelenken Weltuntergang“, der sich drüben „abspiele“. Es
       war nicht möglich, den Abfallbehälter zu erreichen, und Golch warf das in
       Alufolie Gewickelte einfach auf den Müll.
       
       2 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eugen Egner
       
       ## TAGS
       
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