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       # taz.de -- Verdreckte olympische Sportstätte: Voll die Seuche
       
       > In der Guanabarabucht, einer Müllkippe im Meer, segeln bald Athleten um
       > Medaillen. Umweltaktivisten beklagen das Versagen der Stadtregierung.
       
   IMG Bild: Nicht ganz sauber: Müll schwimmt am Ufer der Guanabarabucht
       
       Rio de Janeiro taz | „Mehr als die Hälfte meines Lebens habe ich für die
       Bucht gekämpft“, sagt Sérgio Ricardo. Er will eine besonders verdreckte
       Stelle präsentieren. Das Wasser ist bereits zu sehen, da macht sich ein
       beißender Gestank bemerkbar. Am Ufer zieht sich ein Schlammteppich entlang:
       Plastik, Fahrradteile, Müll. Magere Straßenhunde dösen auf einem Steg in
       der Sonne.
       
       Sérgio ist Umweltschützer und lebt seit 1985 in Rio de Janeiro. Schon
       sein Vater war Aktivist und setzte sich für Landwirte und Fischer ein.
       Sérgios Kampf für die Guanabarabucht, in der die olympischen
       Segelwettbewerbe stattfinden, ist sehr persönlich. Der Name Guanabara
       kommt aus der indigenen Sprache Topi. Er bedeutet „Meerbusen“ und spielt
       auf die Form der Bucht an.
       
       Die Guanabarabucht ist ein besonderer Ort für Sérgio und die anderen
       120.000 Indigenen in der Region. Nach Angaben des Umweltamts von Rio
       dümpeln derzeit insgesamt 90 bis 100 Tonnen Müll im Wasser. Zudem fließen
       die Abwässer von 10 Millionen Haushalten aus Rio und den umliegenden
       Gemeinden in die Bucht und ihre Zuflüsse.
       
       Hinzu kommen viele Industrieanlagen. „Und das, obwohl der Bundesstaat
       zwischen 2006 und 2007 umgerechnet über eine Milliarde US-Dollar für die
       Säuberung der Bucht ausgegeben hat“, sagt Dawid Bartelt von der
       Heinrich-Böll-Stiftung Brasilien. „Es gibt ein Abstimmungsproblem.“ Die
       Stadt hat sechs Kläranlagen errichtet. Doch die Gemeinden kümmerten sich
       nicht, die Anlagen wurden nicht an die Kanalisation angeschlossen und
       rotten nun vor sich hin.
       
       ## Größte Müllkippe Lateinamerikas
       
       Bis zum Jahr 2012 befand sich an der Bucht die größte Müllkippe
       Lateinamerikas. Sie sonderte toxische Fette und Schwermetalle ab. Das
       Wasser enthielt Quecksilber, Kadmium und Zink. „Man findet hier eigentlich
       das gesamte Periodensystem der Elemente“, sagt Umweltschützer Sérgio. „Aber
       der größte Umweltverschmutzer ist die Erdölindustrie.“ Er deutet in die
       Ferne, wo Bohrtürme Flammen ausstoßen. Der halbstaatliche Konzern Petrobras
       betreibt die Raffinerie.
       
       Draußen auf dem Wasser hat man einen weiten Blick. Die grün bewachsenen
       Hügel am Horizont geben ein paradiesisches Bild ab. Der Dreck am Ufer ist
       hier nicht mehr sichtbar, der Gestank fast schon verflogen. Das Boot
       schaukelt gemächlich im Wind. Sérgio steht am Bug und blickt auf die
       Wasseroberfläche. Ein Geflecht aus Ölleitungen verläuft wenige Meter
       darunter. Als im Jahr 2000 eine Leitung brach, floss mehr als eine Million
       Liter Öl in die Bucht. Die Fischbestände gingen um 90 Prozent zurück. „Mein
       Traum ist es, eines Tages wieder vom Fischfang leben zu können“, sagt Alex
       Sandro Dos Santos.
       
       Er ist Fischer in der vierten Generation. Mit seiner Familie lebt er in der
       Favela Tubiacanga, direkt an der Bucht. Alex ist mit der Fischerei
       aufgewachsen, als er acht war, lehrte sein Vater ihn das Handwerk. Lange
       konnte der heute 40-Jährige seine Familie damit ernähren. Die Fischerei ist
       das, was er kennt und liebt. Doch wie viele der in Tubiacanga lebenden
       Fischer musste er sich einen neuen Job suchen. Er betreibt jetzt ein
       Holzverpackungsunternehmen.
       
       2005 gründete Alex die Vereinigung der Freien Fischer von Tubiacanga. Ihre
       Ziele sind die Entseuchung der Bucht und der Erhalt der Fischerkultur. Alex
       hat eine Karte der Bucht mitgebracht. Er zeigt mit dem Finger auf einen
       kleinen Punkt. Die Ilha Seca ist eine der wenigen Inseln in der Bucht, die
       noch unberührt sind. Dort züchtet Alex Fische in ehemaligen Erdöltanks, um
       sie anschließend wieder auszusetzen.
       
       ## Ursache für Krankheiten
       
       Der meiste Fisch, der in Rio und Umgebung verspeist wird, kommt aus der
       Guanabarabucht. Ob er nicht Angst um seine Gesundheit habe, bei all dem
       Gift im Wasser? „Ich habe eine Gesundheit aus Stahl“, antwortet Alex. Wie
       so viele Brasilianer lacht er seine Sorgen weg. Auch in Zeiten der Krise.
       
       Wer mit dem Wasser aus der Guanabarabucht in Kontakt kommt, den kann es
       schon mal schlimmer erwischen – wie den deutschen Segler Erik Heil, der
       sich im Vorjahr bei einer Regatta eine böse Infektion mit multiresistenten
       Bakterien einfing; seine Geschwüre musste er dann in einem Berliner
       Krankenhaus behandeln lassen.
       
       Die Regierung spielt die Gefahr allerdings herunter. „Was sie nicht
       verstecken kann, sind die Krankheiten“, sagt Alex. Ärzte hätten in den
       vergangenen Jahren Haut-, Pilz- und Durchfallerkrankungen bei Menschen
       festgestellt, die mit dem Wasser in Berührung gekommen sind. Es habe sogar
       tödliche Infektionskrankheiten gegeben. Rund 2.000 Fischer seien daran
       bereits gestorben. Petrobras, Verursacher der Katastrophe, habe jeder
       betroffenen Familie 4.000 Reais Entschädigung gezahlt – das entspricht etwa
       1.100 Euro.
       
       Die Stadtverwaltung hatte sich zum Ziel gesetzt, 80 Prozent der Bucht vor
       den Olympischen Spielen zu säubern. Geschafft habe sie bisher 60 Prozent,
       wenn man den offiziellen Angaben glaubt. Ein leeres Wahlversprechen, findet
       Sérgio. Es wäre nicht das erste Mal. „Es wird kein Umweltvermächtnis für
       Rio oder für die Guanabarabucht geben“, sagt er. Alle bisherigen
       Entseuchungsprogramme seien misslungen. Von den zwei Milliarden Reais für
       die Säuberung der Bucht seien mindestens 300 Millionen in fremde Taschen
       geflossen. Ein Zeichen für eine von Eigeninteressen geleitete Politik, die
       Korruption und Misswirtschaft billigt. Sérgios Untersuchung endete – wie so
       häufig in Brasilien – ohne strafrechtliche Konsequenzen.
       
       „Wir sind Opfer eines Verschleierungsprozesses“, sagt er. Doch es gibt
       Hoffnung. Es gibt immer noch eine reiche Artenvielfalt. Dafür sorgen
       Meeresströmungen, die frisches Wasser in die Bucht bringen. Die Fischer
       haben einen Namen dafür: „Das Wunder von Guanabara.“
       
       31 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jasmin Sarwoko
       
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