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       # taz.de -- Bilder der Flüchtlingskatastrophe: Einer von fünfundvierzig
       
       > Bilder toter Flüchtlinge, Kindern sogar, bewirken keinen Aufschrei. Heißt
       > das, dass wir abstumpfen gegenüber dem Elend der Hilflosen?
       
   IMG Bild: Ein Bild. Kein Aufschrei
       
       Aylan Kurdi könnte der Maßstab sein. Das Foto des toten Jungen, der im
       Herbst an der türkischen Küste gestrandet war, mit dem Gesicht im Sand,
       wurde Hunderttausende Male im Netz geteilt und schaffte es auf die
       Titelseiten Dutzender Zeitungen. Es wurde zum Symbol für Europas
       Abschottung und gab der Flüchtlingsdebatte neuen Schwung.
       Hilfsorganisationen haben danach so viel Spenden bekommen wie nie.
       
       Nun gibt es wieder so ein Bild: Ein Seenotretter hält einen toten Säugling
       im Arm, eine von 45 Leichen, die die Organisation aus einem gekenterten
       Holzboot geborgen hat. Doch der Aufschrei bleibt aus. Warum?
       
       Weil das Bild von Aylan Kurdi eben doch nicht der Maßstab ist, sondern eine
       quasi ikonische Ausnahme. Es hat Erschütterung und Mitgefühl geweckt, bei
       Medienmachern und -konsumenten. Es war das erste und eindrücklichste seiner
       Art – bei jedem, was nun folgt, nehmen Erschütterung und Mitgefühl ab. Wie
       bei einem Messer, das beim ersten Schnitt noch extrem scharf ist, mit jedem
       weiteren aber abstumpft.
       
       Der Vergleich ist zynisch? Natürlich ist er das. Die mediale Halbwertszeit
       von Katastrophen ist kurz. Die ganz private aber auch. Denn die abnehmende
       Empathie ist auch Selbstschutz. Könnten wir unserem Alltag nachgehen, wenn
       jedes leidvolle Foto uns wieder so aufwühlen würde wie das von Kurdi?
       Würden Sie noch diese Zeitung lesen, wenn jeder Bericht, jedes Foto, jeden
       Tag Tote, Hungernde, Kriegsverletzte zeigen würde?
       
       31 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Fromm
       
       ## TAGS
       
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