# taz.de -- Kommentar Niedrige Milchpreise: Landgrabbing mitten in Deutschland
> Der Agrarminister paktiert lieber mit Großmolkereien, statt sich um die
> Bauern zu kümmern. Es stimmt wohl: Der Bund setzt aufs Höfesterben.
IMG Bild: Der Markt macht's wohl nicht: Michproduktion auf einem Hof
Wenn man Politiker an der Verwirklichung ihrer Ziele messen soll, ist
Agrarminister Christian Schmidt (CSU) der High Performer des
Bundeskabinetts: Das zeigt sich in der Milchkrise. Denn als vor der
Abschaffung der Quotenregelung kritische Organisationen wie die
Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL) und der Bundesverband
Deutscher Milchviehhalter (BDM) vor Preiseinbrüchen warnten und neue,
smartere Instrumente der Mengensteuerung vorschlugen, wies er das zurück.
Die hätten ja bloß „die Erhaltung möglichst vieler Milchbetriebe zum Ziel“,
erklärte Schmidts Fachreferent. Durch solche Pläne würde „der
Strukturwandel gehemmt“, eine „effiziente Ressourcenallokation“, also
Anhäufung von Landbesitz und Produktion, bleibe aus. „Der Bund setzt auf
das Höfesterben“, so übersetzt Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer
(Grüne) das. Wahrscheinlich hat er Recht.
Denn durch Schmidts Stillhalten hat die Marktkrise seither katastrophale
Ausmaße angenommen: Seit Ende der Quote stürzt der Erzeugerpreis ins
Bodenlose. Niedersachsens Molkereien haben bereits Ende April
Auszahlungspreise um 19 Cent pro Kilo angekündigt. Dabei liegen die
durchschnittlichen Vollkosten der Produktion bei 40 Cent [1][selbst bei
sogenannten leistungsstarken Betrieben] mit über 100 Kühen in der
Gunstregion, also jener Region, in der die Produktionskosten am niedrigsten
sind. Das hält kein Betrieb durch.
Die Agrarminister der Länder hatten daraufhin Interventionen gefordert,
aber unter der Bedingung von Mengenreduktionen: Nur wer zur Entlastung des
übersättigten Marktes beiträgt, soll auch gestützt werden. Frankreich
propagiert ein ähnliches Modell für Europa.
Doch davon will Schmidt nichts wissen. Er paktiert lieber weiter mit den
Großmolkereien und kungelt bei einem kritikerfreien Milchgipfel mit dem
agrarindustriell orientierten Bauernverband, wie ohne Auflagen die Höfe
über die Zeit gerettet werden können, die massiv investiert haben – in
Riesenställe und vollautomatisierte Fütterung ohne Weidegang.
Skeptikern wird als Erkärung für den Preisabsturz das Märchen vom
Russlandexport erzählt. Der hatte im besten Jahr 2013 einen Umfang von 2
Promill der EU-Milchproduktion. Und ausgeführt wurde meist Billigkäse.
Nein, dass Moskau auf deutschen Schmelzkäse verzichtet, erschüttert die
Agrarmärkte nicht: Dafür muss kein Bauer in Esens seinen Hof aufgeben. Das
liegt viel eher daran, dass Deutschland einen Agrarminister hat, der die
Bauern weg haben will und eine ungehemmte Ressourcenallokation – de facto
also Landgrabbing – bezweckt.
18 May 2016
## LINKS
DIR [1] http://www.lwk-niedersachsen.de/index.cfm/portal/6/nav/360/article/27147.html
## AUTOREN
DIR Benno Schirrmeister
## TAGS
DIR Landwirtschaft
DIR MIlchpreis
DIR Milchbauern
DIR Milch
DIR Christian Schmidt
DIR Ostfriesland
DIR Landgrabbing
DIR Landwirtschaft
DIR Landwirtschaft
DIR Milch
DIR MIlchpreis
DIR Milch
DIR MIlchpreis
DIR Höfesterben
DIR Landwirtschaft
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Esens ohne Geld: Rammelplantschen rettet den Haushalt nicht
Das ostfriesische Esens ist so überschuldet, dass es viele seiner
Altenwohnungen verkaufte. Gründe für die Misere sind ein Spaßbad und eine
illegale Umgehungsstraße
DIR Landgrabbing in Brandenburg: Erbeutetes Bauernland
Durch einen zwielichtigen Deal hat der Versicherer Münchener Rück riesige
Agrarflächen erworben – und dabei zwei Millionen Euro Steuern gespart.
DIR Bauernvertreter über Milchpreis-Krise: „Aldi nutzt Bauern gnadenlos aus“
Der Discounter muss auf eine geringere Milchproduktion drängen, sagt
Bauernsprecher Ilchmann. Deshalb seien Blockaden von Aldi-Lagern okay.
DIR Psychostress auf dem Bauernhof: Von wegen Landidyll!
Bauern erkranken häufiger an Depression als früher. Die Arbeitsbelastung
durch den globalen Handel hat extrem zugenommen.
DIR Milchbauern in der Krise: Stille im Stall
Auf dem Milchgipfel verspricht die Regierung rund 100 Millionen Euro Hilfe.
Bauer Sebastian Köhler zuckt mit den Schultern: „Sterbegeld“ sei das.
DIR Milchgipfel beschließt Soforthilfe: 100 Millionen Euro für Bauern
Der Milchpreis ist im Keller, viele Höfe fürchten um ihre Existenz. Auf dem
„Milchgipfel“ von Bundesagrarminister Schmidt gibt es nun einen ersten
Beschluss.
DIR Milchgipfel soll Milchbauern retten: Minister setzt auf direkte Hilfen
Ein bisschen Einigkeit gibt es schon vor dem Milchgipfel: Der Milchpreis
sei zu niedrig, Schuld soll vor allem der Handel sein.
DIR Lebensmittelpreise in Supermärkten: Im Land, wo Milch und Honig fließen
Die Discounter senken erneut die Preise für Milchprodukte. Die Landwirte
treiben sie damit in den Ruin, die Politik schaut zu.
DIR Christian Meyer über Milchpolitik: „Der Bund setzt auf Höfesterben“
Wenn der Bund die Milchmenge weiterhin nicht steuert, machen norddeutsche
Bauern Milliardenverluste, warnt Niedersachsens Agrarminister Meyer.
DIR Preisrutsch schockt Landwirte: Milchpreis kippt, Bauern sauer
Niedersächsische Molkerei droht mit Abnahmepreis unter 20 Cent pro Kilo.
Agrarminister zahlte gern für Produktionsdrosselung, doch der Bund will
nicht.