URI:
       # taz.de -- Gewalt gegen Studenten in Mexiko: Vertuschung und Folter
       
       > Der Expertenbericht zum Verschwinden der 43 Studenten erhebt schwere
       > Vorwürfe gegen Polizei und Justiz. Zeugen seien misshandelt worden.
       
   IMG Bild: Angehörige der Studenten bei der Vorstellung des Expertenberichts
       
       Berlin taz | Unterschlagene Beweise, behinderte Ermittlungen und Folter –
       im Fall der 43 in Mexiko verschwundenen Studenten hat eine internationale
       Expertengruppe (GIEI) schwere Vorwürfe gegen die Strafverfolger erhoben.
       Das von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission eingesetzte
       Gremium stellte am Sonntag in Mexiko-Stadt seinen Abschlussbericht vor. Die
       Gruppe wirft Beamten vor, Zeugen gefoltert zu haben. Zudem fordert sie,
       dass die Rolle von Bundespolizisten und Soldaten bei dem Angriff vom 26.
       September 2014 untersucht wird.
       
       Bei der gemeinsamen Attacke von Polizisten und Mitgliedern der kriminellen
       Bande „Guerreros Unidos“ in der Stadt Iguala wurden nicht nur 43
       Lehramtsanwärter verschleppt, sondern auch sechs Menschen getötet. Bis
       heute ist unklar, was mit den jungen Männern passiert ist.
       
       Auf 605 Seiten dokumentieren die Juristen und Mediziner aus Spanien,
       Kolumbien, Chile und Guatemala jetzt, was sie seit März letzten Jahres
       recherchiert haben.
       
       Seit Beginn des Jahres sei die Arbeit der GIEI von staatlicher Seite
       behindert worden, erklärte die ehemalige guatemaltekische Staatsanwältin
       Claudia Paz y Paz. „Die vorgeschlagenen Maßnahmen wurden verzögert oder
       offen abgewiesen“, kritisierte sie. Die Hälfte der GIEI-Anfragen sei nicht
       beantwortet worden und die Behörden hätten wenig Interesse an neuen Spuren
       gezeigt.
       
       ## Polizisten und Kriminelle
       
       Damit bezog sie sich insbesondere auf die Interpretation der Strafverfolger
       vom Verlauf der Tatnacht, nach der die Studenten auf einer Mülldeponie
       verbrannt worden seien. Bereits vier Monate nach dem Massaker hatte der
       damalige Generalstaatsanwalt diese Version als „historische Wahrheit“
       bezeichnet. Doch dafür, so stellte der chilenische Anwalt Francisco Cox
       klar, habe die GIEI keinen einzigen Beweis gefunden.
       
       Die staatlichen Ermittler begründen ihre These mit Geständnissen
       verhafteter Krimineller und Polizisten. Aber die haben ihre Aussagen wohl
       nicht freiwillig gemacht, erklärte der Mediziner Carlos Beristaín. Bei 17
       Gefangenen, die von der GIEI untersucht worden seien, hätte man
       „signifikante Indizien dafür gefunden, dass sie Opfer von Misshandlungen
       und Folter wurden“. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit 31 Anzeigen mit
       solchen Vorwürfen.
       
       Nach Angaben der Expertengruppe haben unter anderem Bundespolizisten im
       Umkreis von 80 Kilometer Straßensperren aufgebaut. Die GIEI geht von einer
       „perfekten Koordination“ zwischen Guerreros Unidos und der Polizei aus.
       Noch immer sei unklar, ob Bundesbeamte und Soldaten aktiv an dem Angriff
       beteiligt waren. Die mexikanische Regierung spricht zwar von einem lokalen
       Problem. Doch jüngst veröffentlichte auch die staatliche
       Menschenrechtskommission eine Tatversion, nach der föderale Polizisten
       beteiligt waren.
       
       Die Experten kritisierten, dass sie nicht mit Soldaten des 27.
       Militärbataillons sprechen durften. Das hätte dem Strafprozess geschadet,
       reagierte der für Menschenrechte zuständige Staatsanwalt Eber Omar Betazos.
       Er verwies darauf, dass seiner Behörde 50 Erklärungen von Mitgliedern des
       in Iguala stationierten Bataillons vorlägen. Auch die anderen Vorwürfe wies
       er zurück. Man habe 123 Verdächtige verhaftet und 941 Petitionen der GIEI,
       also 85 Prozent, bearbeitet. Es handele sich um das gründlichste Verfahren
       der mexikanischen Geschichte, sagte er.
       
       25 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf-Dieter Vogel
       
       ## TAGS
       
   DIR Mexiko
   DIR Studenten
   DIR Iguala
   DIR Folter
   DIR Guerreros Unidos
   DIR Mexiko
   DIR Mexiko
   DIR Mexiko
   DIR Menschenrechte
   DIR Schwerpunkt TTIP
   DIR Mexiko
   DIR Mexiko
   DIR Mexiko
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Verschwundene Studenten in Mexiko: Festnahme ohne Aufklärung
       
       Im Fall der 2016 in Iguala verschwundenen 43 Studenten wurde eine weitere
       Person verhaftet. Angehörige misstrauen dem offiziellen Tathergang.
       
   DIR Konferenz über Gewalt in Mexiko: „Kein Körper löst sich in Luft auf“
       
       „Dunkle Materie“ galt der Aufarbeitung von Verbrechen und der Rolle der
       Kunst für die Erinnerung. Vorbild war der Umgang Deutschlands mit dem
       Holocaust.
       
   DIR Massaker an Studenten in Mexiko: „Der Henker“ endlich in Haft
       
       Einer der Hauptverantwortlichen des Massakers in Mexiko, Ingualas
       Polizeichef, wurde gefasst. Immer noch ist unklar, was den 43 Studenten
       passiert ist.
       
   DIR Menschenrechtsverletzung in Kolumbien: Folterkammer mitten in Bogotá
       
       Die Polizei hat in Kolumbiens Hauptstadt ein Haus geräumt, in dem Menschen
       gefoltert wurden. Rund 200 zwangsprostituierte Mädchen konnten befreit
       werden.
       
   DIR Freihandel zwischen EU und Mexiko: Abkommen à la TTIP
       
       Mehr Handel und mehr Investitionen: Mittelamerika und Europa wollen einen
       neuen Vertrag nach Vorbild des geplanten TTIP-Abkommens.
       
   DIR Verschwundene Studenten in Mexiko: Polizei soll gefoltert haben
       
       Ein Expertenbericht weckt Zweifel im Fall der 43 vermissten Studenten in
       Mexiko. Verdächtige seien gefoltert worden, heißt es in dem Report.
       
   DIR Herbe Kritik an Mexikos Regierung: Ignoranz und Vertuschung
       
       Mexikos Präsident Peña Nieto besucht Anfang der Woche Deutschland. Ihm wird
       vorgeworfen, Verletzungen von Menschenrechten in Kauf zu nehmen.
       
   DIR Studenten-Massaker in Mexiko: Der Fall Iguala bleibt ein Rätsel
       
       Forensiker sagen, dass die bisherige Darstellung über den Tod von 43
       Studenten 2014 nicht stimmen kann. Human Rights Watch fordert Aufklärung.