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       # taz.de -- Streit um Berliner Freizeitzentrum SEZ: Die Finten des Investors
       
       > Ein Schwimmbad, ein Käufer und eine bankrotte Landesverwaltung. Die
       > Geschichte einer Privatisierung mit vielen Missverständnissen.
       
   IMG Bild: Das SEZ in Berlin-Friedrichshain im Jahr 2013
       
       Berlin taz | Eine seltsame Atmosphäre durchzieht das Sport- und
       Erholungszentrum (SEZ) in Berlin-Friedrichshain an diesem
       Sonntagnachmittag. In der riesigen Turnhalle hauen junge Männer auf den
       Badmintonplätzen voller Adrenalin die Bälle über das Netz. An einer
       Tischtennisplatte spielt eine Gruppe englischer Touristen Rundlauf, wobei
       ein knirschendes Turnschuhkonzert entsteht. Auf dem Gang läuft eine Mutter
       mit ihrem Sohn zu den Basketballplätzen, dorthin, wo früher ein Schwimmbad
       war. Nicht irgendeines. Es war das Vorzeigeschwimmbad der DDR,
       Vergnügungspalast für die Bevölkerung. Sie selbst hat noch als Kind im
       großen Schwimmbecken geplanscht, erzählt die Mutter ihrem Sohn. Dann sagt
       sie: „Die sollen das Schwimmbad wieder eröffnen. Ich weiß nicht, warum sie
       das nicht tun!“
       
       Einer könnte es ihr erklären: Rainer Löhnitz, lautstarker Investor, der
       sich gern als Macher in Szene setzt. Nach Ansicht seiner Kritiker tat er
       aber nicht das, was er tun sollte, nachdem der Berliner Senat ihm 2003 das
       Gebäude für einen Euro verkaufte. Es gibt im SEZ diverse Sportangebote,
       eine Sauna, ein Außenbecken, einen Erholungspark aber kein Hallenbad – eben
       das, was das SEZ früher ausmachte. Dabei enthält der Kaufvertrag von 2003,
       der der taz vorliegt, die Auflage an den Investor, wieder ein „Hallenbad“
       in Betrieb zu nehmen, ein juristisch unscharfer Begriff. Stattdessen wurde
       im Saunabereich ein kleiner Pool eingerichtet, Löhnitz sieht damit die
       Auflage erfüllt.
       
       An welche Art von Spaßbad Thilo Sarrazin wohl dachte, als er nach dem
       Verkauf erklärte, dass „innerhalb eines mit der Senatsverwaltung für
       Finanzen vertraglich abgestimmten Zeitraums von maximal fünf Jahren (…) die
       Schwimmhalle zu einem modernen, familienfreundlichen Spaßbad umgebaut“
       würde?
       
       ## Hotel statt Schwimmbad?
       
       Heute, 13 Jahre später, hat der Eigentümer Bauvorbescheidsanfragen für Neu-
       und Umbauten auf dem Grundstück eingereicht. Löhnitz könnte 47.000
       Quadratmeter in bester Friedrichshainer Lage umgestalten. Statt Schwimmbad
       ein Hotel oder Luxuswohnungen? An kreativen Vorschlägen des Investors
       mangelte es bisher nicht. Noch scheiterten diese aber am Widerstand des
       Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, der Ende letzten Jahres eine einjährige
       Veränderungssperre für das Objekt verhängte.
       
       Als Reaktion zog Bausenator Andreas Geisel (SPD) das Verfahren auf die
       Landesebene und entmachtete so den Bezirk in Sachen SEZ weitestgehend. Dazu
       heißt es aus dem Bausenat: „Aufgrund seiner innerstädtischen Lage (...)
       eignet sich der Standort hervorragend für eine Wohnbebauung mit
       integrierten Sport- und Freizeitnutzungen, einer Schule sowie Gewerbe- und
       Dienstleistungseinrichtungen.“
       
       Rainer Löhnitz betont, die Initiative zum Abriss und Neubau sei aus der
       Landespolitik an ihn herangetragen und von ihm ursprünglich nicht
       beabsichtigt worden. Die Senatsverwaltung könnte ihm nun den Weg frei
       machen. Es sollen auch Sozialwohnungen entstehen, eine Kindertagesstätte
       ist ebenfalls im Gespräch. Der genaue Bebauungsplan soll jetzt „zügig“
       entworfen werden.
       
       ## Bürgerinitiative für den Rückkauf
       
       Dagegen regt sich Widerstand. „Der Senat hat immer noch ein Rückkaufrecht.
       Erst wenn Andreas Geisel den Bebauungsplan aufstellt, ist die
       Verschleuderung unserer Steuergelder besiegelt“, sagt Carl-Friedrich
       Waßmuth, der sich mit einer Bürgerinitiative für den Rückkauf des SEZ durch
       das Land Berlin einsetzt. Auch Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD)
       gab dem Streit eine neue Wendung, indem seine Verwaltung nun die
       Möglichkeiten eines Rückkaufs auslotet. Damit ist die letzte Etappe einer
       Tragödie erreicht, die eindrucksvoll verdeutlicht, wie ein
       hochverschuldetes Land nicht in der Lage ist, Gemeineigentum zu halten.
       
       Es begann 1981, als Ostberlin noch der Verwirklichungsort sozialistischer
       Prestigeprojekte war. Erich Honecker eröffnete den Unterhaltungstempel, der
       sich in den nächsten Jahren vor Andrang kaum retten konnte. Ein Schwimm-
       und Spaßbad mit sieben Becken, eine Eisbahn, Fitnessstudios, eine
       Bowlinganlage, eine Kampfsportschule und mehrere Restaurants – und das
       alles zu staatlich subventionierten Preisen. Es war absehbar, dass das Land
       Berlin, das nach der Wende das Gebäude übernahm, den gleichen Aufwand nicht
       betreiben konnte. Trotzdem kamen die Schließung 2001 und der Verkauf 2003
       für viele überraschend.
       
       Zwei Käufer kamen damals infrage. Die einen waren Investoren aus Hamburg,
       der zweite war Rainer Löhnitz aus Leipzig. Letzterer versprach große Taten.
       Ohne Zuschüsse wollte er das SEZ wieder in die schwarzen Zahlen führen und
       alle Erträge in die Erhaltung und Renovierung des Gebäudes investieren. Als
       Beweis für sein Engagement lud Löhnitz eine Delegation nach Markkleeberg
       ein, wo er zwei Jahre zuvor das Poseidon-Bad für eine D-Mark übernommen
       hatte. Was die Entsandten des Sportausschusses dort sahen, überzeugte sie.
       Offensichtlich beunruhigte sie nicht, dass in dem 1990 in Betrieb
       genommenen Schwimmbad zwar ein nagelneues Fitnessstudio stand, aber kein
       Schwimmbecken vorhanden war.
       
       ## Blick nach Markkleeberg
       
       Siegfried Schlegel, Bezirksverordneter aus Markkleeberg, warnte damals in
       einem Brief vor dem Investor: „(Man) kann (...) sich der Befürchtung nicht
       erwehren, dass die Berliner vortrefflich über den Tisch gezogen werden
       sollen. Die wichtigsten Funktionen im SEZ, nämlich Erlebnisbaden und
       Schwimmen, werden zwar nicht gesichert, dafür hat der Investor aber eine
       lukrative Immobilie in bester Lage in Berlin bekommen.“
       
       Trotzdem setzte sich Löhnitz durch. Der Senat wähnte einen Erfolg: Die
       Betriebskosten für das SEZ würden privatisiert, der Weiterbetrieb des
       Schwimmbads wäre gesichert. Und tatsächlich eröffnete das SEZ bald wieder,
       zunächst die Bowlinganlage und die Tischtennis- und Badmintonfelder. Bis
       zum 31. Dezember 2007 sollte laut Vertrag auch der Hallenbadbetrieb wieder
       aufgenommen werden. Einige kleine Wasserflächen gab es dann auch im neuen
       SEZ – so war Löhnitz rein rechtlich aus dem Schneider.
       
       Zumindest im Streit über das „Hallenbad“. Denn bald folgten weitere
       Turbulenzen. Wieder lohnt sich ein Blick nach Markkleeberg, wo die Mieterin
       und Betreibergesellschaft des Poseidons, die Poseidon Sportstätten GmbH
       Markkleeberg, insolvent ging und 2009 aufgelöst wurde. Der Privateigentümer
       Löhnitz überführte das Bad in die gemeinnützige Rainer Löhnitz Stiftung.
       Geschäftsführer der Sportstätten GmbH war bis 2008 ein Herr S.,
       Rechtsanwalt und ehemaliger Oberbürgermeisterkandidat der Leipziger FDP. S.
       ist zu diesem Zeitpunkt gleichzeitig Geschäftsführer der SEZ Berlin GmbH,
       der Betreibergesellschaft des SEZ. 2009 wird S. in Sachsen zu einer
       Haftstrafe verurteilt, weil er zuvor als Gesamtvollstreckungsverwalter
       fünfstellige Summen veruntreut hatte. Noch nach der Verurteilung bleibt er
       laut Jahresabschlussbericht Geschäftsführer der SEZ Berlin GmbH.
       
       Löhnitz beteuert, zu den Angelegenheiten seiner Mieter keine Verbindung zu
       haben und auch S. nicht zu kennen. Einen Bezug zum SEZ sieht er nicht.
       
       ## Zweifelhafte Partnerschaft
       
       Dennoch verstärkte dieses Konstrukt die Zweifel des Bezirksabgeordneten
       Gumbert Salonek an der Partnerschaft zwischen Land und Investor. Der
       FDP-Mann versuchte, die Bezirksversammlung auf die Ungereimtheiten
       aufmerksam zu machen. Erfolglos. „Die Linkspartei feierte weiter ihre
       Sommerfeste auf dem SEZ-Gelände“, bemerkt er spitz.
       
       Der nächste Akt folgte 2012 mit einem Rechtsstreit zwischen dem Land Berlin
       und Löhnitz. Dieser hatte über Jahre hinweg die Straßenreinigungsgebühren
       nicht bezahlt; die ausstehenden Bezahlungen im fünfstelligen Bereich wurden
       mittlerweile beglichen.
       
       Noch einmal wurden aus den Vertragspartnern Streithähne. Löhnitz beschwert
       sich, er sei bis 2008 nicht als Besitzer im Grundbuchamt eingetragen
       worden. Das hätte ihn nicht nur bei notwendigen Investitionen behindert,
       für die er keinen Schutz erhielt, sondern ihm auch eine „unberechtigte“
       Grunderwerbssteuerforderung eingebracht, die sich auf 800.000 Euro
       summierte. Löhnitz nennt diese Forderung „rechtswidrig erfunden“. Und
       tatsächlich musste er dieser nicht nachkommen. Ein pikantes Detail bleibt:
       Bei der Berechnung ging das Finanzamt von einem Grundstückswert von etwa 13
       Millionen Euro aus.
       
       Iris Spranger, damals Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für
       Finanzen, bereute 2009 den Ein-Euro-Deal trotzdem nicht. Nach einer
       Begutachtung der Sanierungsarbeiten erklärte sie: „Wer richtig schwimmen
       möchte, kann im nahegelegenen SSE (Schwimm- und Sprunghalle im Europapark)
       seine Bahnen ziehen. Es war nie beabsichtigt, ein neues Schwimmbad im SEZ
       entstehen zu lassen.“
       
       ## Die Kritik nimmt zu
       
       Gleichzeitig stieg die Zahl der Kritiker des SEZ-Deals. Die
       Bezirksabgeordneten Max Putzer und John Dahl (SPD) und
       Abgeordnetenhausmitglied Kurt Wansner (CDU) kritisierten Löhnitz
       öffentlich. Allen drei drohte der Investor mit Klageverfahren. Ähnlich
       erging es David Fluhr, Betreiber des SEZ-kritischen friedrichshainblogs.
       Als der Bund der Steuerzahler 2013 das Land Berlin wegen „Veruntreuung
       öffentlichen Eigentums“ verklagte und ein Schwarzbuch über das SEZ
       veröffentlichte, antwortete Löhnitz mit einer Klage, der das Gericht
       allerdings nicht folgte.
       
       Seitdem hat sich der Druck auf den Eigentümer erhöht – sowie auf das Land
       Berlin. Gumbert Salonek glaubt nicht mehr an einen möglichen Rückkauf. „Das
       kommt einfach zu spät!“ Carl-Friedrich Waßmuth wiederum hofft noch an die
       Rückeroberung des SEZ.
       
       Rainer Löhnitz wiederum könnte eine weitere Klausel des Vertrags von 2003
       geltend machen. Dort wird dem Käufer bei Erfüllung der Auflagen das Recht
       zugesprochen, dem Land das Rückkaufrecht abzukaufen. Der Preis: „Der
       angesetzte Ablösebetrag von 2,7 Millionen Euro zum Zeitpunkt der
       Wirksamkeit des Vertrags, abgezinst mit 7 Prozent Zinssatz auf die Laufzeit
       seit Vertragsabschluss“.
       
       Anders gesagt: Die Zeit läuft für Rainer Löhnitz, mit jedem Jahr wird ein
       Abkauf des Rückkaufrechts billiger. Das letzte Kapitel einer Privatisierung
       voller Missverständnisse ist also noch nicht zu Ende.
       
       Ein letzter Blick nach Markkleeberg. Der ehemalige Oberbürgermeister der
       Stadt Bernd Klose weiß nichts von Problemen mit Löhnitz. „Der hat schon
       viel gemacht.“ Gleichzeitig wird in Markkleeberg dieses Jahr ein neues
       Schwimmbad gebaut – auf Kosten der öffentlichen Hand.
       
       29 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Grieger
       
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