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       # taz.de -- Syriza-Politikerin über Flüchtlinge: „Es ist katastrophal“
       
       > Die neue griechische Regierung will Flüchtlingsgefängnisse schließen. Die
       > EU verhindert das, sagt Tasia Christodoulopoulou.
       
   IMG Bild: Das Gefängnis von Amygdaleza in der Nähe von Athen im Jahr seiner Eröffnung (2012)
       
       Für Griechenland kann man den Begriff „Einwanderer“ streichen, es kommen
       nur noch Geflüchtete ins Land. 
       
       Tasia Christodoulopoulou: Im Prinzip stimmt das. Aufgrund der
       wirtschaftlichen Situation gibt es ja kaum noch Arbeit. Insofern handelt es
       sich bei 90 Prozent der Menschen, die hierher kommen um Flüchtlinge, vor
       allem aus Syrien, Afghanistan und Eritrea. Sie bekommen eine sechsmonatige
       Aufenthaltserlaubnis basierend auf europäischem und griechischem Recht. In
       dieser Zeit könnten sie Asyl in der zentralen Behörde in Athen beantragen.
       
       Das macht aber so gut wie niemand. 
       
       Mit der Asylbehörde gab es in der Vergangenheit sehr viele Schwierigkeiten,
       nicht zuletzt, weil täglich 600 bis 700 Menschen vor dem Gebäude warteten.
       Daher haben wir seit dem 25. Mai nur Antragsteller vorgelassen, die vorab
       einen Termin via Skype vereinbart hatten.
       
       Wie geht eine Gesellschaft damit um, dass sich so viele Menschen im Land im
       Transit befinden? 
       
       Wir können die Wege der Menschen, die nach Griechenland kommen und schnell
       wieder das Land verlassen, natürlich nur schwer nachverfolgen. Die
       Transitsituation ist eine Bürde, die zuweilen Rassismus hervorbringt, aber
       es gibt auch viel Verständnis für die Geflüchteten bei uns.
       
       Die meisten Menschen kommen auf den Ägäischen Inseln an. Wie ist die
       Situation dort? 
       
       Sie ist katastrophal, weil wir nicht alle innerhalb eines vernünftigen
       Zeitrahmens unterbringen und betreuen können. Viele enden vorerst an den
       Häfen oder bei Polizeistationen – würdelos und ohne ein Dach über dem Kopf.
       Wir wissen nicht, wie wir ihnen in unserer derzeitigen Situation helfen
       können. Auf der einen Seite steigen die Flüchtlingszahlen auf den Inseln
       stark an, auf der anderen Seite kommt die Unterstützung von Europa in dem
       Punkt immer langsamer. Beim letzten europäischen Gipfeltreffen zur
       Migrationskrise, wurde der Bedarf durch unsere wirtschaftliche Notsituation
       diskutiert. Aber soweit wir wissen, wird in absehbarer Zeit keine Hilfe
       eintreffen. Die aber brauchen wir dringend, denn mit dem Sommer kommen die
       Touristen. Das stellt die Bewohner der Inseln und die Gestrandeten vor
       größte Schwierigkeiten.
       
       Wie reagieren die Bewohner? 
       
       Es gibt starke Solidaritätsbewegungen und sie helfen so gut sie können, um
       die Flüchtlinge zu unterstützen. Sie haben eigene Gelder und ein starkes
       Gemeinwesen. Daher ist es dort besser als in Athen, wo die Leute eher auf
       sich allein gestellt sind. Außerdem hat uns das Internationale Rote Kreuz
       mit Material wie Zelten und Schlafsäcken im Wert von 400.000 Euro
       unterstützt. Leider reicht das alles nicht, denn wir müssen dauerhaft mit
       jährlich mindestens 40.000 neuen Flüchtlingen zurechtkommen.
       
       Die linke Syriza-Regierung hatte angekündigt, alle Flüchtlingshaftanstalten
       zu schließen und einen Kurswechsel einzuleiten. Das ist bislang nicht
       geschehen. Warum? 
       
       Amygdaleza wurde wie die anderen sechs Flüchtlingsgefängnisse 2012 unter
       der Vorgängerregierung gebaut. Die Gelder für den Bau der Haftzentren
       stammten zum Großteil aus Töpfen der EU. Einvernehmlich mit europäischem
       Recht haben diese Zentren eine Laufzeit von zehn Jahren. Als wir sie
       schließen wollten, forderte die EU, dass wir dann das Geld zurückgeben
       müssen, das die damalige Regierung für den Bau der Haftzentren erhalten
       hatte.
       
       Das wären zweistellige Millionenbeträge. 
       
       Und dieses Geld hat Griechenland derzeit nicht. Als wir hörten, dass wir
       dann Strafe zahlen müssen, hatten wir natürlich ein Problem. Also haben wir
       versucht herauszufinden, was wir tun können, ohne diese hohe Summe zahlen
       zu müssen. Zuerst haben wir die entlassen, die illegal eingesperrt waren,
       also die Asylantragssteller, Kranke, schwangere Frauen, die, die man
       abschieben wollte, aber deren Antrag noch nicht bearbeitet wurde und vor
       allem die unbegleiteten Minderjährigen. Neu ist nun immerhin, dass seit
       diesem Jahr alle, die auf den Inseln ankommen, gleich eine sechsmonatige
       Aufenthaltserlaubnis erhalten.
       
       Wäre es möglich die Flüchtlingsgefängnisse als Aufnahme- oder
       Willkommenszentren umzugestalten, ohne die EU-Vorgaben zu verletzen? 
       
       Nein. Das Geld war nur für Gefängnisse bewilligt, also nur für geschlossene
       Einrichtungen, in denen Menschen festgehalten werden.
       
       Welche Hilfe benötigen Sie von der Europäischen Union? 
       
       Glücklicherweise ist die Dublin-Verordnung für Griechenland bis 2016
       ausgesetzt. Daher wird man keinen Flüchtling, der in Deutschland oder
       Frankreich festgenommen wurde, nach Griechenland zurückschicken. Was wir
       brauchen ist Geld, um Willkommenszentren zu bauen, damit wir den Menschen
       angemessen begegnen und eine Unterkunft bieten können. Die neue Regierung
       will sich um vor allem die zahlreichen, unbegleiteten Flüchtlingskinder zu
       kümmern.
       
       Wie viele unbegleitete Minderjährige passieren jährlich die griechische
       Grenze? 
       
       Dazu haben wir bisher leider keine genaue Statistik. Erst kürzlich wurde in
       der Nähe von Amygdaleza ein neues Zentrum für unbegleitete Minderjährige
       eröffnet. Es ist natürlich offen, die Kinder können sich frei bewegen,
       besuchen die örtliche Schule und können ein Teil der griechischen
       Gesellschaft werden.
       
       Die Rechte der Flüchtlingskinder zu stärken, scheint ein zentrales
       politisches Ziel für Sie zu sein. 
       
       In einer Woche werden wir über ein Gesetz abstimmen, um Kindern von
       Einwanderern unmittelbar die Staatsbürgerschaft zu verleihen. Es geht uns
       um die zweite Generation oder die, die in sehr jungem Alter kamen, hier zur
       Schule gehen und kein anderes Land kennen. Ihnen sollen keine rechtlichen
       Steine mehr in den Weg gelegt werden.
       
       Wird ihr rechter Koalitionspartner „Unabhängige Griechen“ dem Gesetz
       zustimmen? 
       
       Ich glaube schon. Wir haben sie gut erzogen.
       
       11 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christina Palitzsch
       
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